The light between oceans von Derek Cianfrance. England/USA, 2016. Michael Fassbender, Alicia Vikander, Rachel Weisz, Garry MacDonald, Jane Menelaus, Jack Thompson, Bryan Brown, Emily Barclay, Caren Pistorius, Leon Ford
Wo wir grad so schön Down Under waren, bleiben wir doch gleich da, wieder mit nem Epos, diesmal nur noch klassischer und noch viiiel schöner. Ein Liebesdrama für die große, die ganz große Leinwand, da gibt’s kein Vertun. Das ist auch gut so, denn wenn man sowas schon macht, dann soll man es auch richtig machen, und die Beteiligten an „The light between oceans“ haben es richtig gemacht. Der weibliche Teil des Publikums (beläuft sich durchschnittlich garantiert auf 80%) hält also die Papiertücher griffbereit, die restlichen 20% verbringen die Zeit damit, ihren eigenen Gefühlshaushalt (oder was davon geblieben ist) auf die Probe zu stellen, und sie werden vielleicht überrascht feststellen, dass solch ein Film doch mal nicht spurlos an ihnen vorüberzieht. Mir isses jedenfalls so gegangen, ich fand den Film einfach total anrührend, war vermutlich auch in der rechten Stimmung dafür.
Wir schreiben das Jahr 1918. Ein Mann, der vier Jahre seines Lebens auf den Schlachtfeldern in Europa vergeudet hat, sucht einen Ort zum Leben, der ihm Zeit und Raum gibt, das Erlebte zu verarbeiten und einfach seine Ruhe zu haben. Was käme da gelegener als ein Job als Leuchtturmwärter am Ende der Welt? Zunächst nur in Vertretung, bald jedoch auf Dauer, weil sich sein Vorgänger irgendwo herunterstürzt – des einen Leid, des anderen Glück, denn unser Mr. Tom darf dadurch nicht nur an jenem Ort bleiben, der ihm optimale Voraussetzungen für sein Vorhaben bietet, er wird auch von der reizenden Isabel sozusagen im Sturm erobert, hat überhaupt keine Chance, nein zu sagen. Sie gelobt, ihm eine gute Leuchtturmwärterfrau zu sein, zieht mit ihm aufs felsige Eiland, und als sie kurz darauf gleich schwanger wird, scheint ihrem Glück nichts mehr im Wege zu stehen. Aber da dies ein Drama ist, ahnt man schon, dass die beiden so einfach nicht davon kommen werden, und bald schon wird sich das Schicksal gegen sie wenden. Isabel erleidet eine erste Fehlgeburt, danach noch eine zweite und hat die Hoffnung auf ein sehnlich erwartetes Kind schon aufgegeben. Da wird ein Boot auf die Insel zugetrieben. In diesem Boot liegen ein toter Mann und ein lebendes Baby. Für Tom ergibt sich die folgerichtige Konsequenz, dass er Meldung machen und das Baby aufs Festland bringen wird. Doch Isabel möchte das Baby behalten, möchte es als ihr eigenes großziehen, und mit viel weiblicher Überzeugungskunst kann sie Tom dazu überreden, etwas gegen seinen Willen und vor allem gegen seien moralische Überzeugung zu tun. Zu dritt erleben sie wiederum einige schöne Jahre, dann aber trifft Tom leibliche Mutter des Mädchens, das sie Lucy tauften, das eigentlich jedoch Grace heißt. Als er unmittelbar damit konfrontiert wird, was Isabel und er anrichteten, als sie das Kind einfach für sich behielten, kann er die Fassade nicht mehr aufrecht erhalten und sorgt dafür, dass die Wahrheit herauskommt und Lucys bzw. Graces Mutter Hannah davon erfährt. Die Konsequenzen will er allein auf sich ziehen, und Isabel, die außer sich ist vor Wut und Trauer, ist kurz davor, ihn buchstäblich ans Messer zu liefern, doch dann macht Hannah ihr ein Angebot, das sie rechtzeitig wachrüttelt…
Hach ja, was soll ich viel dazu sagen? Zweieinviertel Stunden große Bilder und große Gefühle. Die Musik von Monsieur Desplat gefällt mir nicht ganz so, ist ein wenig arg süßlich bzw. wird ein wenig arg intensiv eingesetzt, was erstens sowieso nicht mein Geschmack ist und zweitens völlig unnötig, denn die wuchtigen, expressiven Landschaftstableaus bedürfen ebensowenig künstlicher Verstärker wie die Geschichte an sich. Hier hätte Cianfrance als Regisseur ein wenig mehr Mut und Vertrauen haben dürfen. Eine Geschichte von Liebe und Selbstsucht und davon, welche Folgen die Entscheidungen manchmal haben, die man trifft. Auch eine Geschichte davon, wie schwer es meistens ist, Schuld klar und sauber zu verteilen, erst recht wenn’s um Gefühle geht, denn natürlich haben wir volles Verständnis für die verzweifelte Isabel, und es kann anfangs ja durchaus so sein, dass das Baby gar keine Eltern mehr hat, und indem sie und Tom ihm ein neues Zuhause und ihre ganze Liebe geben, tun sie Lucy sehr viel Gutes. Alles scheint ein wenig zu glatt zu gehen, bis dann Hannah auftaucht und der Konstellation eine neue, ambivalente Perspektive gibt, denn nun scheint sich der Kompass neu zu drehen, nun sehen Isabel und Tom plötzlich wie die Schuldigen aus, bis Hannah später erkennt, dass sie Isabel als Mutter kaum wird ersetzen können, denn natürlich hat Lucy/Grace an sie keine Erinnerungen, während sie jahrelang von ihren vermeintlichen Eltern intensiv geliebt und behütet worden ist. Also dreht sich der Kompass wieder, und Hannah die Edelmütige schickt sich an, das allergrößte denkbare Opfer zu bringen und ihre Tochter an Tom und Isabel zurückzugeben, einfach dem Kind zuliebe, das nicht versteht, was vor sich geht und das nur zu seinen Eltern zurück will. Also geht Hannah hin zu Isabel und sagt ihr, wenn dein Mann erstmal im Knast sitzt, geb ich dir Lucy zurück. Kompass! Wenigstens Tom also soll büßen, denn der hat angeblich Hannahs Ehemann auf dem Gewissen, einen Deutschen, der zusammen mit Grace im Boot aufs Meer hinausgetrieben worden war. Kompass! Isabel, die im ersten Schock auch gegen Tom ausgesagt hatte, erkennt nun, dass sie drauf und dran ist, ihren Mann als Mörder auszuliefern, und erst jetzt besinnt sie sich eines anderen, was bedeutet, dass sie Lucy verlieren, gemeinsam ins Gefängnis gehen, aber danach gemeinsam ihr Leben weiterleben können.
Dieses dramatische Hin und Her schüttelt uns ordentlich durch, und nur Tom, dessen Haltung bis zuletzt konsequent bleibt, ändert nicht andauernd seine Meinung oder seine Position. Schuld und Sühne im Großformat, alles nicht sonderlich tiefsinnig oder neu, aber eben eindrucksvoll inszeniert und vor allem eindrucksvoll gespielt. Michael Fassbender und Alicia Vikander sind ohne Zweifel zwei der zurzeit besten und attraktivsten Schauspieler, und ihre Präsenz, ihre Chemie, prägt den Film auf großartige Weise. Sie sind Voraussetzung und Garant dafür, dass auch eine solch mitunter schwerblütige und durchaus konstruierte Story funktioniert und lebt, dass der Film so vital und mitreißend geworden ist. Ein Melodrama wie dieses braucht unbedingt glaubwürdige, starke Protagonisten, und ich könnte mir wirklich keine überzeugenderen als diese beiden vorstellen. Beide haben schon anspruchsvollere Rollen gehabt, keine Frage, aber wie sie diese hier gestalten und zum Leben erwecken, das ist schon stark und hat bei mir jedenfalls dafür gesorgt, dass ich keine der einhundertfünfunddreißig Minuten langweilig fand. (12.9.)