The Witch von Robert Eggers. USA/Kanada, 2015. Anya Taylor-Joy, Ralph Ineson, Kate Dickie, Harvey Scrimshaw, Ellie Grainger, Lucas Dawson
Untertitel: A New England Folktale, und das trifft es ziemlich genau. Die grausige Ballade über eine siebenköpfige Puritanerfamilie im frühen 17. Jahrhundert, die sich von ihrer Gemeinde lossagt, weil der Vater sich mit den geistlichen Häuptern überwirft, die darauf in die Wälder zieht, um dort allein nach ihren Überzeugungen zu leben, und die schließlich in einen grausigen Abgrund aus Tod, Wahn und Hexerei gezogen wird, den nur die älteste Tochter Thomasin überlebt – indem sie selbst zur Hexe wird.
Das Unheil nimmt seinen Anfang mit dem Verschwinden des jüngsten Sohnes, der Thomasin beim Spielen abhandenkommt, offenbar von einer alten Hexe genommen, die dann ein blutiges Ritual vollzieht. Die Familie wird sich davon nicht erholen, Panik und Misstrauen bestimmen ihren Alltag, der Vater versucht zwar, das Tagwerk in den Vordergrund zu rücken, um irgendwie zur Normalität zurückzukehren, doch die Mutter und auch die Kinder geraten total aus der Bahn. Ein schwarzer Ziegenbock taucht auf, Thomasin wird von den Jüngeren der Hexerei bezichtigt, dreht ihrerseits später den Spieß um und klagt die jüngeren an, ihr nächstjüngerer Bruder Caleb, der gern mal einen Blick in den verlockenden Ausschnitt der Schwester riskiert, geht schließlich auf der Jagd im Wald verloren, gerät in die Fänge einer verführerischen jüngeren Hexe und taucht erst später wieder auf dem Hof seiner Familie auf, nackt, halbtot und offenbar verhext. Von da an löst sich endgültig alles auf, die Familie endet in Blut und Raserei, allein Thomasin bleibt übrig und stößt schließlich auf eine nächtliche Hexenzusammenkunft, der sie sich sichtlich fasziniert anschließt.
Diese allerletzten Momente des Films sind so ziemlich die einzigen, die ein wenig aus dem Rahmen fallen, die mir eine Spur zu explizit, zu überdeutlich sind, und das hätte es eigentlich nicht gebraucht. Bis dahin hat Robert Eggers fast alles richtig gemacht, hat immer den passenden Ton getroffen, hat die Schocks gut dosiert, nach dem grässlichen Auftakt die Dosierung erstmal wieder runtergefahren, nicht aber an erzählerischer Intensität verloren, im Gegenteil. Mich hat „The Witch“ vor allem durch seine beeindruckende Dichte überzeugt, seine Geschlossenheit, die Sprache, Bilder, Ausstattung, alles einschließt, bis hin zu den Gesichtern der fabelhaften Darsteller. Das sind keine Stars, dafür echte, authentische Leute, die das, was sie verkörpern sollen, allein durch ihre Erscheinung schon ausdrücken können. Die Bilder sind dunkel, verhangen, die spartanischen Behausungen wirken ebenso wie der ewig präsente Wald, der Nahrungsquelle und stete Bedrohung in einem ist, aus dem sich zu jeder Zeit etwas Unheimliches lösen und über die Familie kommen kann. Eggers versteht es ebenso vorzüglich, eine Atmosphäre des Archaischen, des Ursprünglichen, des Kargen, Asketischen zu kreieren, ohne spekulativ oder klischeehaft zu werden. Diese Menschen leben durch und für den Glauben, und was sie zu Beginn stark und fest zusammenrücken lässt, macht sie am Ende schwach, macht sie zu Opfern, und diese Entwicklung wird sehr eindrucksvoll nachvollzogen. Immer wieder scheint es zwischendurch, als könne sich die Familie allein durch den Rückzug auf den heiligen Text, auf Gebete und Rituale wieder finden und gegenseitig halten, doch in dem Glauben liegt eben auch die Wurzel des Aberglaubens, des Glaubens an Hexerei, oder besser gesagt der Furcht vor Hexerei, und man sieht sogar hier in diesem intimsten und kleinsten Umfeld, wie rasch ein Gerücht gesät ist, wie rasch ein Mensch verurteilt ist, auch wenn es sich um die eigene Tochter bzw. Schwester handelt. Jemand hat etwas gesehen oder gehört, oder die große Schwester war einfach nur gemein, und schon steht sie am Pranger, ist sie von der eigenen Mutter bereits abgeurteilt und muss sich nun vorm eigenen Vater rechtfertigen. In diesen beklemmenden Szenen ist sie auf einmal ganz allein innerhalb ihrer eigenen Familie, und alles was die Bibel so von Nächstenliebe und Vertrauen schwätzt, hat nun keine Gültigkeit mehr, wird überlagert von Hysterie und kopfloser Trauer. Der Glaube hält sie nicht zusammen, wie zuvor bei aller Anfechtung von außen, er trennt sie.
So gelingt eine gelungene Verbindung von volkstümlicher Sage, düsterem Familienporträt und handfestem Horrorkino, denn den einen oder anderen Schreck kriegt man schon, vor allem wenn sich das Grauen schön suggestiv und undeutlich anschleicht und in die Personen, das Haus, die Landschaft einsickert, um sich dann immer wieder seine Bahn zu brechen. Gottlob geht es hier nicht darum, am Schluss irgendeine logische Erklärung für all das zu liefern, die Erzählung driftet im Gegenteil völlig ins Fantastische ab, und wie schon gesagt hätte ich mir da einen etwas diskreteren, weniger deutlichen Ausklang gewünscht. Abgesehen davon aber liefert „The Witch“ eine sehr willkommene und überzeugende Alternative zu all dem ausgelatschten Horrormurks, der sonst so zu sehen ist, stilistisch sehr gekonnt, spannend und ziemlich unheimlich – es sei denn, man braucht immer die volle Schlachtplatte, um auf seine Kosten zu kommen. (23.5.)