A United Kingdom von Amma Asante. England, 2016. David Oyelowo, Rosamund Pike, Terry Pheto, Vusi Kunene, Abena Ayivor, Jack Davenport, Tom Felton, Jack Lowden, Laura Carmichael, Charlotte Hope, Jessica Oyelowo
1947, kurz nach Ende des Krieges, lernen sich in London die Büroangestellte Ruth und der Jurastudent Seretse kennen. Sie stammt aus eher kleinbürgerlichem Milieu, er von einem einflussreichen Stamm in der britischen Kolonie Bechuanaland. Aus dem Tanzflirt wird schnell eine große Liebe, und bald wird von Heirat gesprochen. In dem Moment allerdings kommen von überraschend vielen Seiten heftige Interventionen auf die beiden zu: Ruths Daddy hat natürlich was gegen Neger, erst recht gegen Neger, die klüger sind als er, soweit keine Überraschung. Seretses Studienkollegen fragen ihn, ob er noch ganz richtig tickt, ne Weiße anzuschleppen, soweit auch keine Überraschung. Überraschend wird dann aber, was ganz plötzlich so alles auf politischer bzw. diplomatischer Ebene abgeht: Es stellt sich nämlich heraus, dass Seretse der legitime Anwärter auf den Königsthron in seinem Heimatland ist, und dass seine Damenwahl zuhause natürlich auf entrüstete Gegenwehr stößt, geradezu als Affront gegen die eigenen Leute aufgefasst wird. Und es stellt sich heraus, dass die britische Politik im südlichen Afrika alle möglichen Eiertänze aufführt, vor allem was Südafrika angeht, die man als wichtigste Verbündete im ewigen Kampf gegen den Kommunismus sieht. Leider hat sich dort soeben ein handfestes Apartheidsregime etabliert, das nun auch entsprechende Forderungen an die unmittelbaren Nachbarländer stellt, und während Länder wie Rhodesien brav zu Kreuze kriechen, wird der unerwartete Vorstoß des zukünftigen Königs von Bechuanaland natürlich als Provokation gesehen, die man schnellstens beiseiteschaffen sollte, um die Beziehungen nicht dauerhaft zu gefährden. Ruth wird vor einen Vertreter der britischen Regierung zitiert, der ihr unmissverständlich klarmacht, wo ihre Pflichten liegen. Seretse wird von seinem Onkel, der ihn aufgezogen und maßgeblich gefördert hat, sehr ernsthaft ins Gebet genommen, sich doch bitter auf seien Verpflichtung dem Volk gegenüber zu besinnen. Alles vergeblich – die beiden heiraten, fliegen rüber nach Bechuanaland, wo Seretse gegen den Widerstand des Onkels seinen Anspruch auf den Königsthron untermauert. Auch Ruth, obwohl sie sowohl von den weißen Kolonialtussis als auch den Frauen in Seretses Familie zunächst massivst angefeindet wird, zeigt sich entschlossen, durchzuhalten, und so beginnen die beiden einen langen beschwerlichen Weg, der viele Jahre später nach etlichen dramatischen Ereignissen dahin führt, dass Seretse erster demokratisch gewählter Präsident eines unabhängigen Botswana wird und Ruth fortan ihr soziales Engagement als First Lady fortsetzen wird.
Sie werden sehen, was geschieht, wenn eine Weltmacht angegriffen wird, verspricht ihm Mr. Canning, der Repräsentant der britischen Krone in Bechuanaland, und in der Tat setzen die Brits alle Hebel in Bewegung, um Seretse Khama außer Gefecht zu setzen. Lebenslange Verbannung, von einem gewissen Mr. Churchill entgegen zuvor geäußerter Wahlversprechen verhängt, ist wohl das extremste, und so muss Ruth mit der gemeinsamen Tochter doch nach London reisen, um die Familie wieder zusammenzuführen, doch an der Entschlossenheit und Zielstrebigkeit der beiden hat sich damit nichts geändert. Im Gegenteil, sie lernen schnell von ihrem perfiden Gegner, lernen, ihn mit eigenen Mitteln schachmatt zusetzen, und das geht vor allem, weil die Meinung der Bevölkerung in Bechuanaland längst zu Khamas Gunsten umgeschwenkt ist. Er und Ruth haben sich ihren Respekt, ihre Hochachtung erkämpft, haben sich nicht entmutigen lassen, sind nicht von ihrem Weg, ihren Überzeugungen abgewichen, auch Ruth ist immer wieder auf die zugegangen, die sie anfangs so schroff zurückwiesen, und irgendwann haben auch die dann eingesehen, wie stark und ehrlich diese weiße Engländerin ist und dass sie ganz gewiss nichts mit den anderen weißen Kolonialtussis im Sinn hat, sich sogar sehr deutlich von ihnen distanziert. Sie und Seretse arbeiten an verschiedenen Fronten auf jeweils ihre Art. Für Seretse wird das bald ein Spiel gegen die Zeit – eine amerikanische Firma hat mit Probebohrungen in Bechuanaland begonnen, nachdem im benachbarten Südafrika erste Diamantenvorkommen gesichert wurden, und nun wird die Frage sein, wer diese Bohrungen im weiteren autorisiert und wer letztlich von der möglichen Förderung der Bodenschätze profitziert. Und da nicht alle Briten Schweine sind, kann sich Seretse in London einige kämpferische Verbündete sichern, die im Parlament solange nerven und bohren, bis schließlich die Zusicherung erneuert wird, dass Bechuanaland selbst die Kontrolle haben wird. Seretse muss einfach nur schnell genug dorthin kommen, um vor Ort die entscheidenden Schritte zu tun, bevor die Brits ihm doch noch zuvorkommen.
Für Spannung ist also jederzeit gesorgt – Diplomatie, Weltpolitik, Kalkül, Intrige, Kolonialismus, Rassismus – viele Aspekte liegen in der Waagschale, und auf den ersten Blick scheint es ein wenig problematisch, all dies gegen eine simple Liebesgeschichte aufwiegen zu wollen. Das Erstaunliche ist aber erstens, dass dies tatsächlich eine wahre Geschichte ist und zweitens, dass es Amma Asante nach dem wunderbaren „Belle“ erneut geglückt ist, den schmalen Grat zwischen Gefühl und Kitsch sicher und souverän zu beschreiten, ohne zur falschen Seite herunterzufallen. Da muss man sich seiner Sache schon ganz schön sicher sein und eine entsprechende Portion Unerschrockenheit und Schneid mitbringen. „Belle“ war ja thematisch gar nicht soweit vom „United Kingdom“ entfernt, nur dass diesmal die Geschlechterfrage nicht die entscheidende Rolle spielt, was nicht bedeuten soll, dass sie überhaupt nicht zum Tragen kommt, denn das tut sie durchaus. Vor allem wenn Ruth mit den Kolonialtussis in Bechuanaland konfrontiert wird, mit ihrem schick frisierten, lackierten, geschminkten aber gleichwohl genauso erbarmungslosen Chauvinismus und ihrem klaren Verständnis dafür, was eine Frau an der Seite ihres Mannes in Afrika zu tun und zu lassen hat. Ganz abgesehen davon, dass die Afrikaner für die Kolonialtussis genauso Abschaum sind wie für ihre Männer. Natürlich ist Rassismus das eine große Thema, noch spannender war für mich aber der zeitpolitische Hintergrund, weil ich über den mal wieder nicht sehr viel wusste. Die heiklen Diplomatieakte, die die armen, geplagten britischen Kolonialherren in Afrika zu bewältigen hatten, die empfindlichen Interessensabwägungen und immer wieder die Not, Prioritäten zu setzen. Natürlich verabscheuten die englischen Politiker die südafrikanische Apartheid, ließen aber keinen Zweifel daran, dass sie sich lieber damit arrangieren würden als zuzulassen, dass ihnen Südafrika als wichtigster Verbündeter schlimmstenfalls von der Fahne gehen würde. Pech für die kleineren Länder dort unten, die mit dem bedrohlich wachsenden Einfluss Südafrikas und dessen üblen Folgen umgehen mussten – so wie Bechuanaland, wo Seretse Khama wiederholt flammende Reden wider die Apartheid hält und seine Landsleute beschwört, eine Zukunft ohne Rassentrennung und Ungleichheit anzustreben.
So formuliert „A United Kingdom“ eine klare, deutliche Aussage zur Sache, und Drehbuch und Regie machen absolut keinen Hehl aus ihren Sympathien und Einstellungen. Die Substanz wird nicht zugunsten seichter Gefälligkeit verschenkt, was nicht heißt, dass hier nicht mit viel Gefühl für’s große Drama erzählt wird. Es gibt alles, was das Kinoherz begehrt – große Gänsehautmomente, tiefe Emotionen, grandiose Bilder, eine mitreißend erzählte Geschichte und zwei mitreißende Hauptdarsteller, die es genauso machen wie ihre Regisseurin, nicht zuviel, nicht zu dick, gerade Rosamund Pike bleibt ja gern ein wenig kühl, und das macht sich in einem solchen Melodrama natürlich bestens. Also, ein prima Film für die große Leinwand, Herz und Verstand gehen gut zusammen, eine interessante, spannende Geschichte, viel Afrika und böse Kolonialismuskritik. Offenbar ist dies eine Regisseurin mit einer Neigung zu solchen Themen – gerne weiter so! (4.4.)