Baby Driver von Edgar Wright. England/USA, 2017. Ansel Elgort, Lily James, Kevin Spacey, Jamie Foxx, Jon Hamm, Eiza González, Jon Bernthal, Flea

   Baby hat als Kind seine Eltern bei einem Autounfall verloren, hat neben seinem Trauma einen heftigen Tinnitus behalten, und um das nervtötende Fiepen einzudämmen, lebt er praktisch rund um die Uhr mit Knöpfen im Ohr, hört Musik, jeweils dem Anlass entsprechend, choreographiert praktisch seinen gesamten Tagesablauf. Weil Baby einem mächtigen Gangster einen Haufen Kohle schuldet, muss er für eine Reihe von Coups durchziehen und zwar als Fluchtfahrer, denn am Steuer ist er eine echte Granate. Der Gangster Doc operiert mit wechselnden Teams, denen gemeinsam ist, dass sie aus reichlich schrägen und ebenso gewaltbereiten Typen bestehen. Mit Tod und Gewalt aber will Baby nichts zu tun haben, er schottet sich ab und fährt, ansonsten kümmert er sich daheim um seinen taubstummen Pflegevater und verliebt sich im Diner in die fesche Debora (nicht Debra wie bei Beck, lernen wir, sondern Debora wie bei T. Rex...). Gemeinsam träumen sie von einem Leben in Freiheit, nur sie beide, ein Auto, die Straße und die Musik. Doc verspricht, dass Baby nach dem nächsten Ding seine Verbindlichkeiten erfüllt haben wird und seiner Wege gehen darf. Doch er hält sich nicht an sein Versprechen, setzt Baby vielmehr bös unter Druck, und so muss dieser einwilligen, weiterhin den Fahrer für Docs dreckige Deals zu spielen, wenn er nicht das Leben seines Ziehvaters und seines Mädchens gefährden will. Die Gewalteskalation ist fast unvermeidlich, und auch Baby kann sich nicht mehr entziehen, weil es für ihn nun auch um was geht, nämlich um seine Zukunft mit Debora. Am Ende geht der letzte Raubzug im Postamt von Atlanta erwartungsgemäß in die Hose, doch Baby überlebt, kommt vor Gericht relativ glimpflich davon und weiß, dass sein Mädchen draußen auf ihn warten wird.

   Man könnte „Baby Driver“ flüchtig betrachtet locker in die Fast-and-furious-Schublade packen und auf die Anspielung anderer bekannter Driver-Filme hinweisen, und da Ansel Elgort ein ähnlich trügerisch-glattes Pokerface hat wie seine prominenten Vorgänger Ryan O’Neal oder Ryan Gosling, scheinen Edgar Wrights Absichten vornehmlich in dieser Richtung zu liegen. Doch dann gelingt ihm nach der ersten Actionkrachsequenz  (die uns Jungs natürlich schon ein bisschen tiefer in die Sitze rutschen lässt) dieser ganz wundervolle Moment, in der ein entspannter Baby zum „Harlem Shuffle“ durch die Straßen seiner Stadt tänzelt, eine hinreißend elegante, rhythmische, schwungvolle Szene, die den arg testosteronlastigen Tonfall der Eingangssequenz sehr schön relativiert, und ich hatte mich nun sehr darauf gefreut, dass Wright dabei bleiben könnte, doch wie in allen seinen Filmen (soweit ich sie kenne zumindest) gelingt ihm das nicht über die ganze Distanz. Liegt zum einen natürlich daran, dass auch „Baby Driver“ mit knapp zwei Stunden ziemlich lang geraten ist (hätte nicht unbedingt sein müssen, finde ich), zum anderen aber auch daran, dass die Mischung aus musikalischem Witz, nostalgischer Hommage an die klassischen Boy-meets-Girl-Geschichten der Fünfziger und Gangsterfilmen mit Krawumm und viel Blechschaden schwer zu balancieren ist. Was in diesem Falle dazu führt, dass die Liebesgeschichte und die Gangstergeschichte die Oberhand gewinnen, kurz, das Ganze wird doch ziemlich ernst und dramatisch, auch gewalttätiger. Dennoch bleibt die Musik allgegenwärtig, und ich habe noch selten einen Film gesehen, der eigentlich fast ununterbrochen von Musik untermalt wird – und der Soundtrack ist richtig gut und effektvoll eingesetzt. Zur Action gibt‘s Krawall von Jon Spencer oder The Damned, zwischendurch dann klassischen Soul aus Motown, und als ganz besondere Sahnehäppchen hätten wir etwas Jonathan Richman oder sogar die guten alten Queen mit einem typischen Gitarrenrocker aus frühen Tagen. Das grimmig martialische Getue dazu im Showdown gibt einen ironischen Kommentar zu dem pathetischen Gedröhne, dennoch steht Edgar Wrights tiefe Liebe zur Rockmusik niemals außer Frage. Na klar, und Paul Simons titelgebenden Song muss es zum Abspann natürlich auch geben. Nein, wie isses schön, allein das lohnt den Kinobesuch für mich allemal und das macht auch den wesentlichen Charme dieses Films aus.

 

   Der unter dem Strich ein kleines Bisschen zu uneben geraten ist, der einige grandiose Szenen hat und dann auch wieder ein wenig Leerlauf, ganz so, wie ich es auch in „Hot Fuzz“ oder „Shaun of the dead“ erlebt habe. Dennoch ist mir „Baby Driver“ von diesen deutlich der liebste, er ist schön überdreht, hat ordentlich Schmackes unter der Haube, hat ein paar köstlich schräge Bösewichter (die Herren Hamm, Foxx und Bernthal nämlich), ein bisschen Jukebox-Romantik der ganz alten Schule und eben jenen Soundtrack, der mir dann auch über die etwas schwächeren Momente hinweg hilft. Ich hab eine hymnische Besprechung beim epd gelesen, der würde ich jetzt nicht grad im vollen Umfang zustimmen, aber ein höchst unterhaltsamer Actionfilm mit originellen Zutaten ist „Baby Driver“ auf jeden Fall geworden. (1.8.)