Cafe Society von Woody Allen. USA, 2016. Jesse Eisenberg, Kristen Stewart, Steve Carell, Blake Lively, Parker Posey, Corey Stoll, Jeannie Berlin, Ken Stott
Okay, ich hab dann doch festgestellt, dass ein Jahr ohne Woody Allen irgendwie kein richtiges Kinojahr sein kann und mich mit leichter Verspätung noch in sein sage und schreibe siebenundvierzigstes Werk gesetzt (von denen ich bis auf einen oder zwei auch tatsächlich alle gesehen habe) – und nein, natürlich hab ich’s nicht bereut, habe mich wirklich nett unterhalten, genau wie so gut wie immer in den vergangenen Jahrzehnten, habe gleichzeitig einmal mehr demonstriert bekommen, dass der Mister Allen vom Niveau seiner Glanzzeiten weit entfernt ist und offenbar auch gar keine Ambitionen mehr in diese Richtung hegt. Der geneigte Kinogänger hat längst gelernt, damit zu leben, denn das ist ganz einfach der Preis, den ich für jeden neuen Woody-Allen-Film bezahle. Könnte ich das absolut nicht akzeptieren, musste ich wegleiben – aber dazu kann ich mich irgendwie auch nicht entschließen.
Diesmal kredenzt er uns eine Romanze aus dem Jazz- und Gangsterzeitalter der 30er zwischen Ost- und Westküste, was ihm einerseits Gelegenheit zu massig name-dropping aus Hollywoods goldener Ära gibt und ihm andererseits erlaubt, eine weitere gnadenlos nostalgische Hommage an seine Heimatstadt New York vom Stapel zu lassen. Der junge Bobby beschließt, das zunehmend unbequeme New Yorker Pflaster für einige Zeit zu verlassen und es an der Westküste zu versuchen. Dort bittet er seinen Onkel Phil, einen echten Filmtycoon, um Hilfe, und dort verliebt er sich Hals über Kopf in eine von Phils Assistentinnen. Das Problem: Sie ist derzeit mit Phil liiert, nur dass der sich noch nicht entscheiden kann, seine Gattin zu verlassen. Beide werben schließlich um sie, und weil sie ein realistisch denkendes Mädchen ist, entscheidet sie sich für den reichen Onkel, der ihr ein Leben in Saus und Braus bieten kann. Der arme Bobby geht zurück in den Osten, steigt dort bei seinem Bruder in dessen Nachtclubgeschäft ein und bringt es zu einigem Erfolg, trifft eine tolle Frau, heiratet sie, hat ein Kind mit ihr, und alles wäre gut, wenn da nicht noch immer diese Frau in seinem Kopf herumspukte. Und als sie und Phil dann tatsächlich eines Tages in New York in Bobbys Club aufkreuzen, kommt der ganze Schlamassel wieder hoch, und wieder können beide sich in Gedanken nicht voneinander lösen, und wieder bleibt offen, wie sie sich entscheiden wird, obwohl man am Schluss durchaus optimistisch sein kann.
Eines muss man dem Woody ja lassen – er hat auf dem Gebiet der leichten Komödie mittlerweile eine sehr beachtliche, sozusagen einzigartige Expertise entwickelt. Mit untrüglichem Gespür für das richtige Tempo (flott, aber nie hastig), und den richtigen Ton (amüsant aber niemals hysterisch) tänzeln seine Filme (die besseren von ihnen jedenfalls) ebenso elegant wie entspannt im Rhythmus der alten Swingklassiker, die sie von jeher begleiten. Auch hier vergehen neunzig Minuten wie nichts, folgen wir amüsiert und beschwingt dem Erzähler im Off (im Original Woody Allen selbst), folgen dem jungen Bobby und der schönen Vonnie auf ihrem langen Irrweg zueinander. Jesse Eisenberg ist ganz offenkundig ein Alter Ego Woody Allens, denn auch wenn der schon lange nicht mehr mitspielt, mindestens einer der Darsteller ist ihm in Gestik und Mimik ziemlich ähnlich, und natürlich liebt Vittorio Storaros Kamera Kristen Stewart, was man hier sehr gut verstehen kann, denn sie ist wirklich hinreißend. Die Szenen aus dem Gangstermilieu sind von ungewohnt makabrem Humor, das ganze Hollywoodgeplänkel finde ich nie sonderlich interessant, aber sehr gut gefallen haben mir seine Szenen aus dem jüdischen Milieu New Yorks, die wie eine Reminiszenz ans seine eigenen Klassiker aus den 70ern wirken, liebevoll, köstlich überzogen und ironisch. Es ist in „Cafe Society“ mitunter ein bisschen schwierig, die drei grundverschiedenen Welten unter einen Hut zu kriegen (die einfachen jüdischen Leute in NYC, das schillernde Clubleben der Gangster uns schließlich Hollywood auf der anderen Seite), und im Grunde hat Allen vielleicht auch zuviel davon in einen einzigen Film gepackt, aber letztlich ist er Routinier genug, um auch diese Geschichte souverän und locker über die Bühne zu schaukeln. Zurück bleibt Romantik light, stilvoll, aber nicht gehaltvoll, gekonnt inszeniert, aber eben ohne jenen Nachhalleffekt, der Woody Allens beste Filme auszeichnet. Er hat lange schon eine Kategorie für sich ganz allein aufgemacht, hat abseits jeglichen Mainstreams seinen angestammten Platz in der US-Filmszene, und wenn man grundsätzlich damit klarkommt, dass die Zeit der Meisterwerke für immer vorbei ist, der wird auch mit „Cafe Society“ wieder ein kurzweiliges Vergnügen haben – so wie ich. (3.1.)