The Beguiled (Die Verführten) von Sofia Coppola. USA, 2017. Colin Farrell, Nicole Kidman, Kirsten Dunst, Elle Fanning, Angourie Rice, Oona Laurence, Emma Howard, Addison Riecke
Im dritten Jahr des amerikanischen Bürgerkriegs trägt es sich zu, dass ein zwölfjähriges Mädchen, welches in einem Pensionat in Virginia lebt, einen verwundeten Unionssoldaten beim Pilzsuchen im Wald findet und ihn in das große alte Herrenhaus schleppt, in dem die Frauen und Mädchen untergebracht sind. Corporal McBurney ist ein höflicher, gut anzuschauender Mann, der sogleich die Begehrlichkeiten einiger Damen auf sich zieht, das auch sofort merkt und damit gerne operiert, und genau dies wird ihm schließlich zum Verhängnis, denn eines Nachts findet er sich im falschen Zimmer wieder, wird eine Treppe hinabgestürzt, erleidet einen komplizierten Beinbruch, weshalb das betroffene Bein flugs amputiert werden muss. McBurney ist auf einmal zum Gefangenen der Frauen geworden, doch er begehrt auf, droht mit seiner Waffe, und das wird ihm nun erst recht zum Verhängnis, denn die Damen beschließen nun, dass sie ihn loswerden müssen, wenn sie nicht sämtlich in Gefahr geraten wollen. Da es sich nun aber um ein ausgesprochen christlich ausgerichtetes Pensionat handelt, muss die Wahl der Mittel entsprechend angepasst werden. Um sowas waren die Frauen bekanntlich noch nie verlegen, und also geht das kleine Mädchen vom Anfang nochmal in den Wald und sammelt ein paar Pilze. Diesmal aber auch ein paar von den anderen, um die sie sonst einen Bogen macht…
Eine Art viktorianischer Südstaatengrusel, wenn man so will, ein sanfter Thriller über die fatalen Folgen enttäuschter Liebe und sexueller Rivalität. Schon mal verfilmt vor gut fünfundvierzig Jahren von Don Siegel mit Clint Eastwood als männlichem Opfer, doch kenne ich den Film nicht und mir fehlt folglich auch der Vergleich. Coppola fokussiert erwartungsgemäß ganz auf die Frauen, und zeichnet in präzisen Szenen ein Porträt ihrer Gemeinschaft, ihrer Hierarchie und ihrer Gesinnung, die sicherlich nicht von allen gleichermaßen überzeugt und freiwillig gelebt wird. Selbst die gestrenge Leiterin Miss Farnsworth, die ansonsten sehr auf den etablierten Moralkodex hält, wird durchaus angefixt von dem Gedanken, sich diesem Herren ein wenig zu nähern, doch muss sie letztlich den zwei jüngeren Frauen den Vortritt lassen und sich darüber hinaus bemühen, die allgemeine Ordnung aufrecht zu erhalten, was angesichts der beträchtlichen Gefühlsaufwallungen nicht ganz einfach ist. Die vier jüngeren Damen sind naturgemäß noch nicht so im Rennen, ihr Interesse an Mr. McBurney ist weniger erotischer Natur, es bleiben übrig Edwina und Alicia – die Letztgenannte kriegt ihn ins Bett (behauptet später allerdings, er habe sie gegen ihren Willen überfallen), die Erstgenannte, die ihn in ihrem Zimmer erwartet hatte, wirft ihn enttäuscht und gedemütigt die Treppe hinab. Und dann tritt Miss Farnsworth wieder in Erscheinung, nimmt das Heft in die Hand und leitet die finale Lösungssuche ein…
„The Beguiled“ ist ein Film, der vor allem durch seine Atmosphäre wirkt, und hier liegt für mein Empfinden seine größte Schwäche – er hat es alles in allem zu eilig, bei einer Spieldauer von gerade mal neunzig Minuten fehlt ein wenig die Luft zum Atmen, und gerade weil Coppola so überzeugende Momente gelingen, gerade weil das Ensemble so stark zusammenspielt und gerade weil die Bilder so enorm suggestiv und eindrucksvoll sind, hatte ich auf mehr gehofft, mehr Zeit und Muße, um diese Atmosphäre zu entwickeln und sich vor allem dem Miteinander der Frauen im Pensionat zu widmen. Oder auch dem Thema Bürgerkrieg, denn der ist allenfalls in Form ewigen Kanonendonners in der Ferne präsent oder vielleicht durch die Tatsache, dass unser Corporal die falsche Uniform trägt, nämlich die blaue. Hier vermisse ich schon ein bisschen Substanz und Tiefe, gerade weil die Ansätze so gut und vielversprechend sind. Was ich auch vermisse, und was ich wirklich höchst selten tue, ist der Mut der Regisseurin, eine Schippe mehr Drama draufzupacken. Das Ganze geht am Ende fast schon zu gepflegt und gediegen über die Bühne, unsere morbide Phantasie allerdings wird zwischendurch immer wieder angeregt, noch gemeinere Intrigen gegen den armen Corporal zu befürchten (und sich zugleich auch drauf zu freuen, pervers, wie man ist). Und wenn die Buchvorlage das auch nicht hergeben mag, so hätte sich Coppola genau an dieser Stelle gern davon lösen können…
Alles in allem ein brillant fotografierter und gespielter Film, dem der letzte Pep fehlt, was besonders schade ist, weil er halt seine starken Momente hat, diese jedoch einfach nicht richtig zur Geltung bringt, sich nicht genug Zeit dafür lässt, die sehr gekonnt kreierte Stimmung angemessen zu vertiefen. Jetzt will ich nur zu gern mal wissen, ob dem alten Don Siegel das besser gelungen ist, doch ist sein „The Beguiled“ nicht gerade ein regelmäßiger Gast im deutschen TV-Programm. (1.7.)