Einsamkeit und Sex und Mitleid von Lars Montag. BRD, 2017. Bernhard Schütz, Rainer Bock, Lilly Wiedemann, Hussein Eliraqui, Katja Bürkle, Eva Löbau, Jan Henrik Stahlberg, Friederike Kempter, Maria Hofstätter, Peter Schneider

   Der Titel ist schon das Witzigste an dem Film. Einsamkeit und Sex? Jede Menge und in jeder Variation. Mitleid? Nö. Nun ist Mitleid an sich ja keine besonders populäre Empfindung, wird immer gleich mit Kleinmachen und Bevormunden gleichgesetzt. Ich würd ich diesem Fall mal die ebenfalls berüchtigte Empathie mit ins Spiel bringen, und genau daran gebricht’s diesem Film komplett, und genau das ist für mich das Problem dabei. Ich jedenfalls habe „Einsamkeit und Sex und Mitleid“ äußerst ungern gesehen, habe mich nach kurzer Zeit bereits unwohl, und nach den quälend langen zwei Stunden regelrecht abgestoßen gefühlt. Falls Autor und Regisseur die beabsichtigt hatten, so sei ihnen zugestanden, dass sie ihr Ziel zu einhundert Prozent erreicht haben.

   Eine Sammlung moderner Stadtneurotiker, die unterschiedliche Geschichten und Schicksale parallel laufen lässt und teilweise auch ineinander flicht. Wir sehen mehr oder minder defekte, gestörte, neurotische, skurrile Gestalten, wir bekommen eine zweistündige Freakshow präsentiert. Egofixierung, Sexfixierung, Ängste, Therapieversuche, religiöser Wahn, unterschiedlichste Methoden des Frustabbaus, und wie der Titel sehr richtig feststellt unterschiedlichste Symptome der Einsamkeit. Die Einsamkeit in der Pubertät, die Einsamkeit nach der Trennung, die Einsamkeit vor der Trennung, die Einsamkeit der Ehefrau, die Einsamkeit des Ehemannes, die Einsamkeit der Polizistin, die Einsamkeit des Marktleiters, die Einsamkeit des angeblich zu Unrecht der sexuellen Belästigung beschuldigten Lehrers, die Einsamkeit der Künstlerin, die Einsamkeit des Teeniemädchens, die Einsamkeit des Teeniearabers, die Einsamkeit des Homosexuellen, das Internet zur Lösung der Probleme, entweder auf dem Weg der sogenannten seriösen Partnersuche oder auch nur der sexuellen Dienstleistung. Ficken, lecken, blasen und anal. Kurze Frage zwischendurch: Soll das vielleicht eine Provokation sein? Wenn ja – wer bitteschön soll denn dadurch provoziert werden und zu welchem Zweck?

 

   Zurück zu meinem Problem von oben: Keine dieser Personen ist auch nur annähernd in der Realität verortet, wir haben es mit Karikaturen und Zerrbildern zu tun. Okay, kann man machen im Rahmen einer vernünftigen Satire. Die aber findet nicht statt, jedenfalls hat sie sich mir nicht mitgeteilt, außer der beschriebenen Provokation, die total ins Leere läuft, findet nichts statt, auch das Ich-Lied, das im Abspann von unseren traurigen Helden zum Besten gegeben wird, bringt mich einem tieferen Sinn dieses Films nicht näher. Er stößt mich ab durch seine Kälte und Arroganz, mit denen er den Figuren begegnet, mit denen er sie bloßstellt, ausstellt, denunziert, der Lächerlichkeit preisgibt. Eine gute Satire geht aber weiter, begnügt sich nicht mit Denunziation, sie muss mich berühren, sie muss trotz allem irgendwie konstruktiv sein. Dieser Episodenreigen hat nichts Konstruktives, er erfreut sich anscheinend an seiner Überlegenheit, mit der er sie Einzelteile arrangiert und verschränkt, gottgleich Schicksale lenkt, mal hierhin, mal dorthin. Schon nach kürzester Zeit spürte ich in mir ein gehöriges Maß an Gleichgültigkeit in Bezug auf den weiteren Verlauf der Handlung, wartete ergeben auf die nächste Eskalation, die nächste peinsame Begebenheit. Wahllos wird ein Extrem aufs andere gehäuft, bis kein Sinn mehr für mögliche Absichten oder Zwischentöne bleibt, selten habe ich einen so durch und durch unsympathischen Film gesehen, und daran können all die vielen guten Schauspieler gar nichts ändern, denn die dürfen hier keine Menschen spielen, sondern Ausstellungsobjekte. Ob ich denn das Buch gelesen hätte, fragte mich mein ewiger Mitstreiter, als wir erleichtert wieder draußen auf der Straße standen. Aus voller Überzeugung konnte ich nein sagen, und dass ich danach diesem Erlebnis sicherlich auch nicht vorhätte. (9.5.)