Get out von Jordan Peele. USA, 2016. Daniel Kaluuya, Allison Williams, Lil Rel Howery, Bradley Whitford, Catherine Keener, Caleb Landry Jones, Betty Gabriel, Marcus Henderson

   “Rat mal, wer zum Essen kommt” für uns harte Coolkids von heute. Das ist echt eine gute Idee, eine rabenschwarze, abgründige Rassismusgeschichte im Thrillergewand zu präsentieren, und das ist in diesem Fall nicht nur eine gute Idee geblieben, es ist auch ein richtig guter Film geworden. Er treibt die Dinge auf die Spitze und macht sie dadurch kenntlich, er bietet beste Unterhaltung für die Nerven und das Hirn.

   Chris und Rose fahren raus aufs Land, weil Rose ihn den Eltern endlich vorstellen will. Was sie ihnen noch nicht erzählt hat: Chris ist schwarz. Aber das macht nichts, beruhigt sie ihn, ihre Eltern seien keine Rassisten. Chris wird denn auch freundlich aufgenommen. Papa Dean ist Neurochirurg mit eigenem OP-Saal im Keller (!). Mama Missy ist Psychiaterin mit einem besonderen Faible für Hypnose (!!). Brother Jeremy ist ein etwas wilder Typ mit einem Faible für Provokation. Nur Rose ist ein ganz liebes All-American-Girl, das absolut kein Wässerchen trüben kann. Das erste gemeinsame Dinner kriegt Chris aber noch ganz gut hin, auch das am nächsten Tag die große jährliche Party mit Freunden und Nachbarn stattfinden wird, schockt ihn zunächst nicht. Was ihn allerdings ein wenig irritiert, ist das eigenartige, undurchsichtige Verhalten der beiden schwarzen Hausdiener Georgina und Walter, die dem Anwesen dann doch das Flair einer alten Südstaatenvilla verleihen. Am späten Abend geht Chris noch im Garten eine rauchen, sieht dabei Georgia bei eigenartigen Tätigkeiten in ihrem Zimmer und sieht auch Walter beim Sprinttraining, das fast bedrohliche Dimensionen hat. Dann gerät er in die Fänge Missys, die ihn in ihren Praxisraum lockt und ihn zu einer Hypnosesitzung überreden kann - mit fatalen Langzeitfolgen, wie sich noch erweisen wird. Denn Chris hat eine Achillesferse, ein Trauma in seiner Vergangenheit, und Missy steuert zielsicher darauf zu, und was eine einfache Teetasse und ein einfacher Teelöffel so alles anrichten können, sehen wir hier und gegen Ende auch noch mal. Chris kriegt langsam aber sicher Muffensausen und drängt Rose während der Party am kommenden Tag, nach Hause zu fahren, denn er trifft unter den Gästen einen weiteren Schwarzen, der sich mehr als merkwürdig verhält, und ein Telefonat mit seinem besten Kumpel Rod daheim überzeugt ihn endgültig, dass hier irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung ist. Chris und Rose packen ihre Sachen, doch dann findet Chris einen Karton voller Fotos, und nun geht ihm erst recht ein Licht auf. Und dann ist auch die Zeit gekommen, da nicht mehr Worte allein helfen, nun lässt man Taten sprechen, und dies ist ein Film ab 16, und das versteht man gegen Schluss dann auch…

 

   Immerhin erspart uns der Film ein durchaus mögliches ultraböses Ende und lässt den halbtoten Chris von seinem, Kumpel Rod retten, nachdem er eine ziemlich breite Blutspur hinter sich hergezogen hat. Diese Eskalation ist schon ziemlich hässlich, aber in diesem Falle sehr folgerichtig, denn was sich zuvor in der perfiden, beißend scharfen Storys aufgebaut hat, muss sich fast zwangsläufig in äußerster Gewalt entladen. Chris gerät in eine Gesellschaft, die in gewisser Hinsicht aus der Zeit gefallen ist, sich andererseits aber auch modernster Methoden bedient, um das Erstrebte zu erreichen, nämlich so etwas wie ewige Jugend, ewige Fitness, Potenz, Kraft. Man entführt junge, starke Schwarze, pflanzt ihnen das Gehirn, also eher die Seele der bedürftigen Weißen ein, und erschafft so ein Wesen, in dem Identität der Weißen im Körper der Schwarzen weiterlebt. Wüster Trash, grimmig konsequent zu Ende gedacht und sozusagen die ultimative Form rassistischer Gesinnung, der Ausbeutung und Erniedrigung der Schwarzen durch die Weißen. Wir kapieren es natürlich nach den ersten Gesprächen – je häufiger die honorigen weißen Bürgersleut da von Toleranz und Offenheit salbadern, desto augenfälliger wird ihr Rassismus und desto lauter läuten Chris‘ innere Alarmglocken. Rose ist die Honigfalle, die sich im Internet über geeignete Objekte informiert, vorzugsweise starke oder kluge schwarze Männer, Sportler oder Leute wie den vielversprechenden Fotografen Chris, dessen Augen der erblindete Galeriebesitzer begehrt. Und aus dem freundlich verliebten Mädchen wird gegen Ende die eiskalte Fanatikerin, die besessen ist von der Mission der Familie Armitage, eine Art kranke Sekte, und damit käme ein weiterer archetypischer Zug der US-amerikanischen Gesellschaft zum Tragen. Die Mission, das höhere Ziel, der deutlich religiöse, fanatische Anstrich dieser perversen Gemeinschaft, der im Horrorgenre sehr beliebte Kontrast von scheinbar friedlich-ländlichem Zusammenleben an der Oberfläche und finstersten Abgründen darunter. Texas Chainsaw meets Frankenstein und ein bisschen Walking Dead ist auch mit von der Partie, gerade wenn man Figuren wie Georgia oder Walter bedenkt, die oft wie ferngesteuert oder benommen durch die Gegend wandeln und mit mechanisch entrücktem Grinsen Rede und Antwort stehen. Wie gesagt, die gesamte Konstruktion ist sehr trashig, aber in dieser Umsetzung ziemlich überzeugend, toll gespielt und extrem spannend und dicht inszeniert. Die Spannung steigt ständig, unsereins achtet ja sehr auf vorausdeutende Motive bei solchen Filmen, um irgendwie erahnen zu können, was kommen könnte, und es ist immer wieder ein Vergnügen, auf welche Weise diese Erwartungen dann bestätigt oder angenehm überrascht werden. Tolles Kino, das dem diesjährigen, bereits sehr eindrucksvollen Kanon schwarzer Filme ein weiteres Exemplar und vor allem eine ganz neue Nuance hinzufügt. (10.5.)