Gimme Danger von Jim Jarmusch. USA, 2016.

   Ein Film von Jim Jarmusch über Iggy Pop und die Stooges, aber eigentlich eher über Iggy Pop. Der Titel stammt von einem Song ihrer dritten LP, „Raw Power“ von 1973. Die hat die Band nach fast dreijähriger, vorwiegend drogenbedingter Pause in London aufgenommen, mit einem neuen Leadgitarristen und der Hilfe David Bowies, der den legendären Mix besorgte. Zusammen mit „The Stooges“ von 1969 und „Fun House“ von 1970 bildet die Scheibe den klassischen Kanon einer Band, die als eine der Keimzellen des Punk (oder Garage oder Heavy Metal oder weißdergeier) gilt, und für diejenigen, denen Punk am Herzen liegt, natürlich eine der wichtigsten Bands aller Zeiten ist. So wie für Jim Jarmusch, der erst gar nicht so tut, als habe er hier einen Dokumentarfilm machen wollen, denn das ist „Gimme Danger“ ganz gewiss nicht. Und das ist im Prinzip auch gar nicht so schlecht, denn Jarmusch kümmert sich auch nicht um die herkömmliche Machart, befragt nicht beliebig viele Zeitzeugen und sogenannte Experten, sondern lässt weitgehend Bandmitglieder und vor allem natürlich Iggy selbst zu Wort kommen.

 

   Dies ist also konzeptionell eine Hommage, zusammengeschnipselt aus Interviews, Konzertausschnitten, allerhand anderem zeitgenössischen Material und auch ein paar Zeichentricksequenzen, die das erzählte einfach irgendwie untermalen sollen. Das ist zwar manchmal ganz witzig und unterhaltsam, gibt dem Film für mein Empfinden aber auch manchmal einen etwas manierierten, angestrengt gekünstelten Ton, der zur kargen Musik der Stooges garantiert nicht passt. Fieberhafte Montagen begleiten die Berichte der Bandmitglieder (die zumeist schon länger tot sind, weshalb etliche der Interviews schon vor Jahren geführt wurden – von wem?), so als sei es hip oder nötig gewesen, das Gesagte irgendwie auszuschmücken. Hab ich oft nicht verstanden, denn ich fand das, was die Stooges selbst zu erzählen hatten, schon vielsagend genug. Genauso vielsagend übrigens wie das, was sie nicht erzählen, oder auch was sie gar nicht erst gefragt wurden. Jarmusch ist offensichtlich nicht an einer tiefergehenden Betrachtung interessiert, er bleibt für seine Verhältnisse überraschend konsequent an der Oberfläche. Iggy darf am meisten reden, darf ein paar Anekdoten aus Kindheit und Jugend zum besten geben, so wie in einer ordentlichen Doku halt, doch wird diese Privatschiene später komplett ausgeblendet, und wir erfahren über Iggys weiteres Leben eigentlich nix, ebenso wenig wie über das Leben der anderen Jungs. Na gut, muss ja auch nicht unbedingt sein. Wir hören viele Geschichten über die chaotischen Gründungsjahre der Band in den späten 60ern, über die abenteuerlichen Plattenaufnahmen, die noch viel abenteuerlicheren Konzerte, doch auch dieser Pfad bröckelt zunehmend, es gibt in dem Film nichts Stringentes. Nach „Raw Power“ war ewige Jahre Schluss, und mit Ausnahme einiger ganz flüchtiger Szenen gibt’s auch keinerlei Aufschluss, was in jenen Jahren mit den Jungs war. Die Reunion nach dreißig Jahren wird dann ganz knapp abgehandelt, das Sterben der Ashton-Brüder allemal, sodass ich unterm Strich mit dem Film nicht sonderlich zufrieden bin, denn selbst wenn er, was völlig legitim ist, für sich in Anspruch nimmt, keine „ordentliche“ Dokumentation sein zu wollen, ist er auch nicht viel anderes geworden. Für eine Hommage fehlt mir ein bisschen die Essenz – was hat die Musik der Band ausgemacht, was hat die Jungs bewegt, getrieben, inspiriert, wie war das mit ihrer Chemie, ihrer Banddynamik, was war mit Konflikten, den Rangkämpfen, was war mit den Drogen, die ja offensichtlich eine ganze Menge kaputt gemacht und vermutlich dreien von ihnen das Leben gekostet haben. Jarmusch gibt sich überraschenderweise mit beiläufigen, flüchtigen Aussagen zufrieden, jedenfalls was die wirklich spannenden Aspekte der Geschichte angeht, die eher privaten, persönlichen. Vielleicht möchte er den Künstlern gern ihre Privatsphäre lassen, meinetwegen, aber die Tiraden über Scheißproduzenten und den Scheißbusiness undsoweiter, so berechtigt sie auch sein mögen, hat man ja schon zur Genüge gehört, bringt mich hier aber nicht weiter, bringt mir die Band auch nicht näher. Iggy hat zwar reichlich Zeit und Raum, aber wenn all das, was er hier im abgeklärt-gutmütigen Onkelmodus zu erzählen weiß, auf seine Substanz runterbricht, bleibt so furchtbar viel nicht übrig. Es bleiben also ein paar nostalgische Impressionen einer echt wilden Zeit, hier und da einige Eindrücke einer Band, die spätere Punkbands wie Walt Disney aussehen ließ, und ein paar Blicke in wahrhaft verlebte Gesichter, die vergangene Exzesse erahnen lassen. Und die Behauptung, sie seien die beste und wichtigste Rockband aller Zeiten gewesen. Ich denke mal, wer vorher nicht dieser Meinung war, wird sich durch den Film auch nicht eines anderen besinnen. Immerhin der Film eines echten Musikliebhabers, und das macht mir den Jarmusch grundsätzlich immer wieder sympathisch. (6.5.)