Hell or high water von David Mackenzie. USA, 2016. Chris Pine, Ben Foster, Jeff Bridges, Gil Birmingham, Marin Ireland
Man erkennt diesen einzigartigen, düster-intensiven Violinklang sofort, bringt ihn mit den Bildern in Verbindung und weiß: Yep, wir sind in Nick-Cave-und-Warren-Ellis-Country, und das kann überall sein, nicht nur im weiten Australien. Dies ist eine echte Männerballade, melancholisch, gewalttätig, fatalistisch, unpathetisch, oder wenn doch Pathos vorkommen sollte, dann eben auf Männerart.
Ein moderner Western meinetwegen, jedenfalls eine Story, die man sich leicht im alten Western vorstellen kann, und die mit sehr viel Gefühl für Bilder und Atmosphäre ins West Texas von heute übertragen würde. Dieses West Texas ist bei Gott der absolute fucking Arsch der Welt, und so sind auch die Leute, die das Unglück haben, dort leben zu müssen. Wie zum Beispiel unsere zwei Protagonisten, zwei Brüder, der eine ein Freak, der just zehn Jahre hinter Gittern zubrachte, weil er seinen Vater, ein versoffenes, brutales Miststück tötete, der andere eigentlich ein Guter, der aber wirtschaftlich Schiffbruch erlitt, daraufhin von Frau und Kindern verlassen wurde, und nun einen Weg finden muss, um die erdrückenden Hypotheken, die auf dem elterlichen Haus liegen, einzulösen und endlich schuldenfrei zu sein. Er beschließt, sich die Kohle dort zu holen, wo sie regelmäßig verschwindet, bei der Bank nämlich, die ihm einst Kredit gab und ihn nun seit Jahren erbarmungslos auspresst, und er engagiert sein wildes Brüderlein, ihm dabei zu helfen. Er ist das Mastermind, der Planer, sein Bruder der Mann fürs Grobe. Die beiden knacken erstmal zwei kleine Filialen, was ziemlich reibungslos abläuft, und alles könnte so weiter gehen, wenn nicht der alte Texas Ranger Hamilton, der unmittelbar vor der Rente steht, auf die angesetzt worden wäre. Zusammen mit seinem Partner, einem Indianer-Mexikaner-Mischling, macht er sich auf ihre Fährte durch die Provinz, und früher oder später muss es zum Zusammenstoß kommen.
Wie gesagt, ziemlich schicksalsergeben das Ganze, man ahnt früh, dass die Geschichte nicht für alle Mitspieler gut ausgehen kann, besonders der böse Bruder Tanner steuert zielsicher auf ein gewaltsames Ende hin, so suizidal und unkontrolliert wie er zu Werke geht, hat er längst mit seinem, Leben abgeschlossen, will nur noch dem Bruder zu einer besseren Zukunft verhelfen. Und der ist offenbar auch entschlossen, sie sich zu nehmen, nachdem er durch Tanners Opfer davongekommen war und nicht mehr verdächtigt wurde, außer von Hamilton. Auf dem Land seiner Eltern wird kräftig nach Öl gebohrt, und da ist für ihn also eine Menge Geld drin, das er vor allem seinen Kindern zugutekommen lassen will, damit es ihnen einmal besser gehen wird als ihm selbst. Dem mittlerweile ausrangierten Hamilton, der nicht locker lässt und ihn nochmals aufsucht, um ihn zu provozieren und zu stellen, erklärt er seine Geschichte und die seiner Vorfahren: Hunger und Not zogen sich durch jede Generation, die Banken haben stets gnadenlos Profit gezogen aus dieser Not, wie auch der Not vieler anderer Familien in diesem erbärmlichen Landesteil, das große Geld, das die Öl- und Gasförderung einbrachte, haben die Leute vor Ort nie gesehen, und so sieht
Marcus es schließlich als sein Recht an, sich zu wehren, sich zu nehmen, was ihm zusteht.
Dieses Drama spielt sich ab in einer sehr effektvoll fotografierten Ödnis, einer monotonen flachen Landschaft mit großen Bohrfeldern, endlosen Elendssiedlungen am Straßenrand, Müllhalden, Blechhütten oder Trailer Parks, ein paar miesen Kleinstädten mittendrin und Leuten, denen man das Elend deutlich ansieht. Ein jeder ist hier bewaffnet und wild entschlossen, davon Gebrauch zu machen, sodass Marcus und Tanner alsbald auf heftigen Widerstand stoßen und entgegen ihrer ursprünglichen Absicht selbst schießen müssen, und schon ist ein typisch US-amerikanischer Gewaltkreislauf in Gang gesetzt. Tanner scheint nur auf diese Gelegenheit gewartet zu haben, während Marcus eigentlich keine Gewalt anwesenden will, doch spätestens nachdem Hamilton seinen Bruder erschossen hat, verlassen ihn jegliche Skrupel und er zeigt sich nun entschlossen, sein Eigentum zu verteidigen, und wenn es auf eine nochmalige Konfrontation mit Hamilton hinauslaufen sollte. David Mackenzie hat das Milieu als gleichberechtigten Mitspieler voll integriert, hat nicht nur die erprobten Kollegen Cave und Ellis aufspielen lassen, sondern allgemein einen sehr hörbaren countryesken Soundtrack aufgeboten, und er hat vor allem das grimmige Geschehen mit einer tüchtigen Portion Humor aufgelockert, denn was sich an Dialogen zwischen Hamilton und seinem stoischen Partner entwickelt, ist schon sehr köstlich und überaus witzig. Gottseidank aber nicht auf die Tarantino-Art, sondern wirklich witzig, und hier muss auch keiner Angst haben, dass jede Minute eine üble Sado-Orgie vom Stapel läuft. Ein karger, tougher Spätwestern, wenn man so will, mit authentischem Personal, ein paar klassischen inhaltlichen Zutaten und starker Atmosphäre. Absolut ehrenwert, vor allem wenn man bedenkt, dass der Regisseur aus Schottland stammt, und mit West Texas ursprünglich wohl nicht so viel am Hut hat. (17.1.)