Hidden Figures von Theodore Melfi. USA, 2016. Taraji P. Henson, Octavia Spencer, Janelle Monáe, Kevin Costner, Kirsten Dunst, Mahershala Ali, Jim Parsons

   Manchmal sind das Anliegen eines Films, seine Absichten, seine Aussage, so gut und richtig, dass man gern über das eine oder andere hinwegsieht. Genauso geht’s mir mit „Hidden Figures“. Der hat sein Herz dermaßen auf dem richtigen Fleck, dass ich gern bereit bin, mit dem ganzen Hollywood-Beiwerk zu leben, oder ich sag mal eher, mit fast allem davon. Denn dies ist ohne Frage zu hundert Prozent ein Hollywood-Produkt mit allem, was dazu gehört, und das heißt für mich automatisch, dass ich mich mit einigen Dingen grundsätzlich schwer tue. Die Gefühligkeit, der Patriotismus, Hans Zimmer, um das mal kurz vorweg auf den Punkt zu bringen. Aber mal der Reihe nach:

   Die Story beginnt in Virginia anno 1961, also eigentlich im Mittelalter. Rassentrennung ist hier wie selbstverständlich verankert, Schulen, Busse, Jobs, Toiletten undsoweiter. Auch der ehrgeizige Mr. Kennedy, der sich gerade für den Präsidentenjob bewirbt, würde daran nichts ändern können, soviel ist klar. Aber das sind ja auch nur die Probleme der Schwarzen – die Weißen hatten damals ganz andere Sorgen: Wer gewinnt den Wettlauf im All, wer kriegt als erstes eine bemannte Sonde da rauf, der umkreist als erster die Erde, wer ist der erste auf dem Mond. Echt irre wichtige, existentielle Fragen also… Die NASA bastelt und tüftelt fieberhaft, die bösen Kommunisten scheinen schneller zu sein, die Verantwortlichen in Washington raufen sich die Haare und befürchten schon, eine Atombombe könne ihnen auf den Kopf fallen. In einem Forschungszentrum in Virginia gibt’s eine Rechenabteilung nur für schwarze Ladies, die fernab und sorgsam abgeschirmt den Weißen zuarbeiten. Drei davon lernen wir kennen, drei sehr kluge Köpfe, brillante Mathematikerinnen bzw. Ingenieurinnen. Katherine, Dorothy, Mary. Mary wird als erste Farbige einen Ingenieursabschluss an einer weißen Hochschule machen. Dorothy wird als erste Farbige zum Superviser befördert und maßgeblich an der Handhabung der neu entwickelten IBM-Rechenmaschine beteiligt sein. Und Katherine wird als erste und einzige farbige Frau direkt an den Berechnungen für diverse Raumfahrtprogramme beteiligt sein, nicht nur das, sondern sie wird ganz wesentliche Arbeit leisten und mit dafür sorgen, dass die erste bemannte Mission 1961 erfolgreich zuende gebracht werden kann. Zwischendurch gibt‘s noch ein bisschen privaten Familien- und Eheklüngel, doch der juckt im Grunde niemanden (soll uns zeigen, dass die drei auch ganz normale Frauen sind, schon klar). Wichtig ist hier aber nur die eine Frage: Wie überwindet man als schwarze Frau Vorurteile, Barrieren, Schranken, die eigentlich unüberwindbar weil fest in der US-amerikanischen Gesellschaft und in ihrem Selbstverständnis verwurzelt sind? Schwarz war ja schon schlimm genug und ein todsicheres K.o.-Kriterium für weite Bereiche des öffentlichen Lebens, aber schwarz und Frau – das ging gar nicht. Hier haben wir also drei schwarze Frauen Anfang der 60er, die nicht gewillt sind, sich mit ihrem zugewiesenen Platz abzufinden, zumal die ganz genau wissen, dass sie etwas Wichtiges beitragen können. Beharrlichkeit und Geduld sind gefragt und vor allem die Bereitschaft, die endlose Reihe von Demütigungen und Erniedrigungen zu ertragen, die eine schwarze Frau im Amerika dieser Zeit zu ertragen hatte – was heißt schon in dieser Zeit, das geht ja im Grunde noch bis heute so. Mary kämpft also darum, Zugang zur Uni der Weißen zu bekommen und muss dazu einem alten Richter um den Bart gehen. Dorothy kämpft darum, die ihr angemessene Position des Superviser zu bekommen und muss sich dazu ständig mit der schmallippigen Ms. Mitchell auseinandersetzen, die ihr versichert, sie habe eigentlich gar nichts gegen Schwarze. Und Katherine, deren Geschichte den Großteil der Erzählung füllt, kämpft darum, die ihr zustehende Anerkennung zu bekommen und in die heiligen Hallen eingelassen zu werden, um die für ihre Berechnungen notwendigen Informationen direkt aus erster Hand zu bekommen. An ihrem Beispiel wird der systemische Rassismus in all seinen hässlichen Details demonstriert, vor allem die vielen kleinen Schikanen, denen sie tagtäglich ausgesetzt wird. Über diese Schikanen machen sich ihre weißen männlichen Kollegen gar keine Gedanken, weil sie längst schon normal sind, gang und gäbe, und die überraschten Blicke, die Katherines einziger öffentlicher Wutausbruch auslöst, legen den Gedanken nahe, dass diese Jungs sich vermutlich niemals in die Situation einer schwarzen Frau hineinversetzen könnten (oder wollten). Ob es nun um grobe Verletzungen oder feine Nadelstiche geht, die drei schwarzen Frauen müssen sich immer an mehreren Fronten gleichzeitig abarbeiten, und dass ihnen dennoch so großartige Leistungen gelungen sind, lässt sie umso respekteinflößender erscheinen. Diesen Respekt zollt ihnen auch der Film, und das ist schon eine ehrenwerte Geste. Die übliche Mischung aus publikumswirksam aufbereitetem Humor und Drama und gelungen nachempfundenem Zeitkolorit tut ihr übriges, um „Hidden Figures“ effektvoll und allgemein konsensfähig rüberzubringen, und so soll es ja auch sein. Dass auch diesmal keine einzige kritische Frage über Sinn und Unsinn der grotesken, Milliarden verschlingenden Space Race zu hören ist, war zu erwarten. Auch unsere drei schwarzen Heldinnen stellen sich eifrig und total loyal in den Dienst einer Sache, die durch und durch weiß war und mit ihnen und ihren Lebensumständen nicht das Geringste zu tun hatte. Hier kommt dann der oben schon mal erwähnte Patriotismus durch, der offensichtlich über alle Rassengrenzen hinaus reicht und unsere amerikanischen Freunde immer wieder zu neuen Höchstleistungen animiert. Ich meine, Katherine, Dorothy und Mary hatten ja auch fuck you sagen und nicht für die weißen NASA-Heinis und ihren Kalten Krieg arbeiten können, und zwar mit voller Berechtigung, wie ich finde, denn es gab und gibt hier unten auf der Erde wahrhaftig genug Probleme zu lösen.

 

   Aber gut, ich persönlich kann halt mit diesem ganzen Raumfahrtquatsch nix anfangen, habe noch nie irgendeinen Sinn drin gesehen, weshalb ich mich von dieser Seite her mit diesem Film nicht identifizieren könnte. Aber er macht eben ein paar klare Aussagen zum Thema Rassismus und Diskriminierung, und das gibt ihm dann schon wieder ein gewisses Gewicht, und in den USA muss man solche Aussagen einfach auf diese Weise verpacken, sonst kriegt’s wieder nur eine Minderheit mit. Ach ja, wer es wissen will: Regisseur und Autorin und vier von fünf Produzenten dieses Films sind weiß… (17.2.)