Their finest (Ihre beste Stunde) von Lone Scherfig. England, 2016. Gemma Arterton, Sam Claflin, Bill Nighy, Jack Huston, Jake Lacy, Claudia Jessie, Rachael Stirling, Paul Ritter, Helen McCrory, Eddie Marsan, Richard E. Grant
London 1940. Wie in allen anderen betroffenen Ländern auch, wird die Filmindustrie weitgehend vom Ministerium für Information kontrolliert in dem Bestreben, entweder publikumswirksame Durchhaltemelodramen zu produzieren oder aber vermittels kurzer Beiträge zwischen Wochenschau und Hauptfilm diejenigen, die ihr Leben sowieso nicht schon für King & Country hergeben, zu animieren, auch ihren Beitrag zu leisten, vorzugsweise natürlich in der Rüstungsindustrie. Catrin aus Wales, die in London in wilder Ehe mit dem Maler Ellis lebt, ist als Autorin in dieser Branche beschäftigt und erhält eines Tages das Angebot, an einem größeren Prestigeprojekt mitzuwirken, um die etwas müde gewordene Propagandamaschine wieder etwas in Schwung zu bringen. Es soll ein Melodrama um Dünkirchen und die Rettung britischer Soldaten auf dem Rückzug durch Zivilboote werden, und Cate lässt sich von der Geschichte zweier Zwillingsschwestern inspirieren, die mit ihrer Nussschale angeblich Heldentaten vollbrachten. Leider erweist sich die Realität vor Ort als weniger glamourös, doch Cates Kollege Buckley belehrt sie, dass sowas in der Filmbranche noch nie ein Problem war und man die Wahrheit durchaus zugunsten einer guten Story frisieren könne. Buckley benimmt sich auch sonst wenig galant ihr gegenüber doch irgendwie findet sie ihn auch interessant, und da Ellis und sie zunehmend ihre jeweils eigenen Weg gehen, ist die Bahn nach den brancheüblichen Zickereien und Missverständnissen schließlich frei für die beiden. Beruflich hat Cate sich durchgesetzt, hat es auch geschafft, wenigstens ein paar weibliche Akzente in dem fertigen Film unterzubringen, doch kann sie sich an dem großen Erfolg in den Londoner Kinos nicht erfreuen, denn bei Dreharbeiten verunglückt Buckley tödlich, und Cate braucht einige Zeit, um sich wieder zu fangen. Dann setzt sie sich wieder an ihre Schreibmaschine in der Drehbuchabteilung und widmet sich dem neuesten Projekt zum Thema Flakhelfer.
Lone Scherfig ist richtig gut in sowas – romantische Geschichten mit dem einen oder anderen originellen Twist, und zwischen dem heimischen Dänemark und internationalen Gefilden hat sie schon den einen oder anderen wirklich netten Film gemacht, keiner nochmal so schön wie ihre „Italienisch für Anfänger“, aber vor allem der in den 60er Jahren angesiedelte „An education“ hatte genau die Stärken wie „The finest“ auch – präzise Zeit- und Milieubeschreibungen, gefühlvolle Inszenierung, die immer auf der richtigen Seite vom Kitsch bleibt, und einen sehr schönen Umgang mit den Figuren, zärtlich, humorvoll, sympathisierend, aber gerade mit jener Prise Ironie, die solche Filme davor bewahrt, allzu gefühlsduselig zu sein. Diesmal sind‘s also die 40er, ist es der Krieg, die Bombenangriffe, die Zerstörung, die Verluste und die Angst, zugleich das Sichzusammenraufen der Einwohner und auch der patriotische Eifer, mit dem Politik und Medien bestrebt sind, die heftig gebeutelte Bevölkerung bei der Stange zu halten. Vor allem diese Bemühungen werden hier doch zur Zielscheibe einiger hübsch spöttischer Szenen, und da wir es hier mit einer durchaus selbstbewussten Filmemacherin zu tun haben, finden auch Frauenfragen Zeit und Raum in diesem mit zwei Stunden insgesamt doch etwas lang geratenen Film. Scherfig inszeniert mit sehr viel Liebe zum Detail und mit Fingerspitzengefühl, doch sie erzählt auch viel Geschichte, und zwischen Cates privatem Leben mit Ellis und ihrer beruflichen Existenz zwischen Schreibstube und Dreharbeiten in Devon muss entsprechend Zeit aufwenden, um all das auch vernünftig unter einen Hut zu kriegen. Dann sind da noch das Hickhack mit Buckley, die divenhaften Launen der Altstars Hilliard (eine ideale Rolle für Bill Nighy) und die ewigen Interventionen des Ministeriums, das zu guter Letzt auch noch auf den Trichter kommt, den Film auf die Bedürfnisse des amerikanischen Publikums zuschneiden zu wollen, weshalb ein lachhaft unbegabter blonder Hüne aufkreuzt und nun irgendwie noch in die Story eingebunden werden muss. Das ist sehr unterhaltsam und komisch und wechselt sich ab mit ein paar Betrachtungen zum Thema Frauen im Krieg, auch mit Hilfe der offenkundig lesbischen Ministeriumsmitarbeiterin, doch kann Scherfig gerade auf diesem Gebiet nicht so punkten, wie sie es vielleicht im Sinn gehabt hatte, weil sich drumherum zu viel abspielt und man sicherlich nicht über die Zweistundenmarke hinausgehen wollte. Die sehr witzig nachgespielten Szenen aus dem entstehenden Film sorgen dann mal wieder für beste Unterhaltung, während uns der tragische Tod Buckleys doch ein wenig unerwartet trifft und dem Film gegen Ende einen Durchhänger beschert, denn die vor Trauer gelähmte Cate fand ich persönlich in diesem Kontext ebenso wenig interessant wie die wackere Kriegsbraut Cate, die sich schlussendlich wieder ans Werk macht, um dem Ministerium einen neuerlichen Durchhalteschinken zu bescheren. Hier fehlt es Scherfig ein wenig an der nötigen Distanz, es sei denn, sie lässt ihren Film absichtlich ins Fahrwasser gängiger Melodramen einmünden, was angesichts der deutlich besseren Teile davor einigermaßen verschenkt wäre. Aber die guten Schauspieler und die vielen sehr gelungen einzelnen Momente sorgen insgesamt doch für eine hübsche, nostalgische und gelegentlich auch sehr witzige Romanze, die ich mir im Rahmen des deutlich abflauenden Sommerprogramms gern gefallen lasse. (13.7.)