La La Land von Damien Chazelle. USA, 2016. Ryan Gosling, Emma Stone, John Legend

   Maulend, motzend, mosernd stampfte meine bessere Hälfte aus dem Saal – Betrug, so’n Scheiß, so ein schöner Film und dann so ein doofes Ende. Alle Mädels dieser Welt müssen einfach stark sein bei „La La Land“, denn er gibt ihnen gerade nicht, was sie erwarten und erhoffen, nämlich ein bombastisches, überschwängliches, totales Happy End. Stattdessen ein geradezu ekelhaft erwachsenes Ende – zwei ehemals Liebende, die einander eigentlich ewige Liebe geschworen hatten und die ihre Liebe ihrem jeweiligen Traum opferten – und damit am Ende auch noch im Reinen sind! Ein langer Blick zum Abschied, in dem zunächst immer noch die Chance einer finalen Versöhnung liegt, dann ein erstes leises Lächeln auf seinem Gesicht, dann ein ganz leichtes Nicken, und dann ihre Reaktion, auch ein leichtes, dann breiter werdendes Lächeln, ebenfalls ein Nicken. Sie haben ihren Frieden mit der Situation gefunden, haben ihre Liebe nicht realisieren können, aber das ist nun okay, weil er den Jazzclub besitzt, von dem er immer träumte, und sie eine bekannte Filmschauspielerin mit Mann und Familie ist, so wie sie es sich immer erträumt hatte. Während der letzte Song gespielt wird, ihre Erkennungsmelodie, entsteht vor unseren Augen noch einmal die Vision, wie es hätte werden können für die beiden, wenn alles gut gelaufen wäre: Gemeinsame, geteilte Erfolge, Glück, Bestätigung, all das, was im wahren Leben eben nicht klappte und woran ihre Liebe auch scheiterte. Zuviel Frust, zuviel Unerfülltes, zu viele Rückschläge, und so entscheiden sie sich schließlich ganz ohne viel Aufhebens, getrennte Wege zu gehen, um ihre jeweiligen Träume zu erfüllen, und fünf Jahre später sind sie also dort angelangt und schaffen es tatsächlich, sich zuzulächeln und zufrieden damit zu sein. Statt der großen Romanze ein ernüchternder Abschluss, aber wenn man’s mal mit anderen Augen sieht, ist das vielleicht doch ein Happy End, nur eben für jeden einzelnen und nicht für die beiden als Paar.

   Aber natürlich weckt der Film zuvor diese Erwartungen, denn er beginnt als klassisches Hollywoodmusical – bunt, euphorisch, rücksichtslos kitschig und romantisch. Boy meets Girl in L.A., und zwar in einem L.A., das haargenau dem Vorbild der glamourösen 30er, 40er und 50er nachempfunden ist und das noch immer die Stadt der Träume ist. Die Amis werden diesen Film schon deshalb lieben, weil er in der ersten Hälfte den großen amerikanischen Traum auferstehen lässt, genauso over the top, wie die klassischen Musicals halt immer waren. Der Traum von Berühmtheit und Erfolg, von der einen Chance zum Durchbruch – sie als Schauspielerin, er als ernsthafter Jazzpianist. Das Ganze serviert mit jener unnachahmlichen Mischung aus ungeniert naivem Entertainment und ebenso ungeniert zelebrierter Realitätsübertretung. Das gilt wie gesagt für die erste Hälfte, in der zweiten dann schleichen sich andere Töne ein, ernsthaftere, die Euphorie ist  verflogen, der rosarote Blick getrübt, die Stimmung insgesamt hängt ein bisschen durch, als sie sich von Casting zu Casting quält und mit einem ehrgeizigen Soloprojekt Schiffbruch erleidet, und er parallel dazu einer Funkband beitritt, die ihm zwar nicht die Erfüllung seiner künstlerischen Ambitionen bietet, dafür aber einen sicheren und vor allem gut bezahlten Job, für den er allerdings runde ums Jahr auf Tour oder im Studio ist, folglich abwesend. All diese Misstöne zerren unweigerlich an der Beziehung, die einst unter so zauberhaften Umständen entstand, und so kommt es irgendwann, wie es kommen muss. Indem sich die beiden gegenseitig immer wieder anfeuern, nicht aufzugeben, ihrem Gefühl zu folgen, keine Kompromisse zu machen, befördern sie ungewollt ihr Auseinanderleben, und das ist dann fast schon tragisch.

 

   Chazelle hat das sehr klug und effektvoll inszeniert, berauscht uns zunächst mit tückisch naivem Bombast, um uns dann schön gründlich Schritt für Schritt auf den Boden zurückzuholen. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass der Film plötzlich deprimierend oder niederschmetternd wird, keineswegs, er verbindet lediglich seine liebevolle Hommage an das alte Hollywood und seine Musicals mit einer Liebesgeschichte, die in gewisser Weise den Verlauf der meisten Liebesgeschichten nimmt, wenn der erste Rausch erstmal vorüber ist (sowas können wieder nur Männer denken, ist schon klar…). Und insofern eine erstaunlich ungewöhnliche Liebesgeschichte, weil wir hier mal zwei Liebende haben, die ihre Ambitionen letztlich über ihre Liebe stellen, auch wenn es beiden bitter leid tut. Emma Stone und Ryan Gosling sind ein großartiges Paar, es funkt zwischen ihnen sofort, eine zärtliche Chemie entsteht und macht die Liebe zwischen den beiden total glaubhaft und fühlbar. Als Sänger und Tänzer machen sie eine sehr gute Figur, soviel ich davon verstehe, auf jeden Fall kommen sie sehr charmant und temperamentvoll rüber, trotz Goslings gewohnt leicht melancholischer, introvertierter Haltung. Überhaupt hat mir die Musik ganz ausgezeichnet gefallen, sie wirkt leicht, melodiös, unpathetisch und ein bisschen jazzig, und zu den eher sanften Klängen entfaltet Chazelle eine abwechselnd kunterbunte und auch wieder realitätsnähere Bilderwelt, und nach dem tollen „Whiplash“ erweist er sich auch hier als fabelhaft musikalischer Regisseur, der Dynamik und Poesie locker und souverän verbinden kann. Musicals sind normalerweise wirklich nicht meins, aber „La La Land“ ist wirklich eine schöne, unterhaltsame Angelegenheit, auch für Leute wie mich, denen der amerikanische Traum nichts bedeutet. Und bei den Oscars wird er groß abräumen, darauf möchte ich wetten. (12.1.)