Love & Friendship von Whit Stillman. Irland/Frankreich/Niederlande, 2016. Kate Beckinsale, Xavier Samuel, Morfydd Clark, Chloë Sevigny, Tom Bennett, Emma Greenwell, James Fleet, Jemma Redgrave, Justin Edwards, Jenn Murray, Stephen Fry
Wie schön, dass es sie noch gibt, die weitgehend unbekannten Frühwerke Jane Austens, einige nicht vollendet, einige nicht veröffentlicht, und ganz abgesehen von ihrem faktischen literarischen Wert eignen sie sich alle vorzüglich fürs Kino, wo ihre gesamten Hauptwerke ja bereits rauf und runter die Kassen haben klingeln lassen. Jetzt hat’s also „Lady Susan“ erwischt, einen kurzen frühen Roman, circa anderthalb bis zwei Jahrzehnte vor ihren Hauptwerken entstanden, aber das merkt man überhaupt nicht, denn die Themen sind fast dieselben, das Personal sowieso, und im Kino wird fast automatisch daraus ein höchst vergnüglicher, flotter Kostümfilm mit den sprichwörtlichen geschliffenen Dialogen und der typisch Austenschen Satire zum Thema Geschlechterrollen.
Whit Stillman, den ich bislang überhaupt nur einmal vor Ewigkeiten als Regisseur von „The last days of Disco“ wahrgenommen habe, hat einen prima Job gemacht, genau wie all seine Vorgänger, nicht nur als Regisseur, sondern auch als Drehbuchautor, hat einen zügigen, geistreichen, spritzigen Gesellschaftsfilm inszeniert, der all den übrigen Austen-Verfilmungen in gar nichts nachsteht.
Kate Beckinsale hat die sexy Latexklamotten kurzfristig abgestreift, sich mal wieder in gediegenes georgianisches Gewand kleiden lassen und absolviert einen brillanten Auftritt als Lady Susan, verwitwet, Mutter einer heranwachsenden Tochter in heiratsfähigem Alter, eine Frau von leicht anrüchigem Ruf in der sogenannten Gesellschaft, bekannt und berüchtigt für ihr berechnendes, verschlagenes Wesen. Davon legt diese Geschichte denn auch eindrucksvoll Zeugnis ab. Lady Susans Plan ist ebenso simpel wie dringend: Sie muss für sich und ihre Frederica jeweils einen Mann finden, eine gute Partie für die Ehe. Wie sie schließlich ihr Ziel auf ganzer Linie erreicht, ist ein Triumph weiblicher Intrigenkunst und männlicher Einfältigkeit. Lady Susan nistet sich zunächst mal im Haus ihres Bruders und der von vornherein misstrauischen Schwägerin Catherine ein, wickelt deren jungen Bruder Reginald problemlos um den Finger und dirigiert ihn zielsicher in die Arme ihrer Tochter, um sich selbst zeitgleich einen hoffnungslosen Dummkopf namens Sir James, für den sie nicht das geringste empfindet, der ihr aber jenen sicheren Background bietet, den sie braucht, und außerdem hält sie sich den smarten Lord Manwaring als Hausfreund, denn hinter dem ist sie eigentlich die ganze Zeit über her.
Skandalös: Eine Frau ist erst einmal nichts ohne einen Mann, und eine Frau hat in Liebesdingen nicht aktiv zu sein, hat erst recht und unter gar keinen Umständen untreu zu sein, dieses Recht haben nur die Männer, weil es irgendwie in ihrer Natur verankert ist und daher ganz anders beurteilt wird. Lady Susan ist eben deshalb so skandalös, weil sie aus ihren egozentrischen Ränken irgendwie gar kein Geheimnis macht und dennoch damit durchkommt. Alle wissen, dass sie falsch spielt und immer nur auf ihren Vorteil bedacht ist, doch niemand ist imstande, ihr Einhalt zu gebieten, sie schlängelt sich elegant und gewieft durch jede Situation, befreit sich aus jeder Peinlichkeit und lässt auch unverhohlene Anfeindungen und Angriffe geschmeidig an sich abperlen. Eine tolle Rolle, nicht ganz so liebenswürdig wie andere Austen-Heldinnen, aber sehr entwaffnend, sehr weiblich und sehr präsent. Beckinsale plappert fast die ganze Zeit, und Stillman hat als Skriptautor wirklich ganze Arbeit geleistet und ihren Redefluss immer im Griff, lässt ihn ganz im Dienste ihrer Sache stehen, und es ist schon ein großer Spaß mit zu erleben, wie sie früher oder später immer die Kurve kriegt und ihr Ziel direkt in Angriff nimmt, oder wie sie sich mal wieder aus eine prekären Lage rettet, ihrem Gegenüber auch mal ohne rot zu werden bedenkenlos nach dem Mund redet, dabei aber immer ihre Interessen fest im Visier hat. Sie kennt die Männer, weiß um ihre Trägheit, ihre Dummheit, weiß um die Wirkung ihrer eigenen Schönheit und wie leicht es für sie ist, die Herren nach ihrem Gusto zu manipulieren. Sicherlich ist dies einer der witzigsten Jane-Austen-Filme, sicher auch einer der kurzweiligsten, was aber auch daran liegt, dass er recht kurz ist. Und komischerweise hatte ich diesmal das ganz seltene Gefühl, er sei schon zu früh zu Ende, irgendetwas hätte noch kommen müssen, eine letzte Pointe, eine letzte Wendung, aber offensichtlich ist Lady Susan zufrieden mit dem, was sie erreicht hat, sprich der Tochter unter der Haube, dem gutsituierten Volltrottel als Ehegatten und dem begehrten Herzensbrecher als potentiellen Liebhaber, auch noch ein gern gesehener Dauergast im Haus des arglosen gehörnten Sir James, in der Hinterhand. Stillman beendet den Film recht abrupt, was möglicherweise dem Kurzroman entspricht, in sich aber schon konsequent ist, denn epischen Atem strebt er sowieso nicht an. Seine Erzählweise ist pointiert, kompakt und bündig, fast im Stil eines Theaterstücks, für breite Stimmungsbilder oder Kostümfeste hat er weder Zeit noch Interesse. Der Film wirkt weniger bieder und altbacken als viele andere britische Literaturfilme, er wirkt frecher und moderner, und macht wirklich sehr viel Spaß. Und nun, nachdem sie diesen Job mit Bravour erledigt hat, kann die Kate meinethalben auch wieder das kleine Schwarze anziehen und auf Vampirjagd gehen oder was auch immer… (5.1.)