T2 Trainspotting von Danny Boyle. England, 2017. Ewan McGregor, Robert Carlyle, Johnny Lee Miller, Ewen Bremner, Anjela Nedyalkova, Kevin McKidd, Scot Greenan, Pauline Lynch, James Cosmo, Shirley Henderson, Kelly Macdonald

   Zwanzig Jahre sind verstrichen, seit Mark „Rent Boy“ Edinburgh verließ, im Gepäck zwölftausend Pfund, von denen ihm eigentlich nur viertausend gehören sollten. Viertausend gehörten seinem (Ex-)Kumpel Sick Boy, weitere viertausend seinem (Ex-)Kumpel Franco, und nur seinem dritten Kumpel Spud ließ er dessen Anteil, weil der so ein guter Junge war und obendrein ein hoffnungs- und hilfloser Junkie. Mark hat in Amsterdam gelebt, hat ein bisschen Geschäfte gemacht, doch irgendwie sind die Dinge inklusive Ehe nicht so gut für ihn gelaufen, und wenn er nun also zurück in die alte Heimat kommt, dann ist er schon ziemlich im Arsch. Das ist aber noch gar nichts im Vergleich zu seiner alten Clique: Franco sitzt für insgesamt zwanzig Jahre im Knast. Sick Boy betreibt die verlauste Elendskneipe seines Vaters weiter, und Spud pendelt ständig zwischen Entzug und Rückfall. Seit zwanzig Jahren. Und die Ghettos in Edinburgh sind auch nicht schöner geworden. Immerhin haben sie jetzt in der City eine Straßenbahn. Die alten Kumpels indes reagieren eher reserviert auf Rents Rückkehr. Sick Boy prügelt erstmal auf ihn ein, dann beschließt er, einen besonders fiesen Plan auszuhecken und Rent ordentlich in die Scheiße zu reiten. Franco bricht kurzerhand aus dem Knast aus und für ihn steht fest: Rent muss sterben, muss büßen für den ganzen Mist, den er ihnen eingebrockt hat. Einzig Spud ist eher neutral und guckt nur groß in die Weltgeschichte, aber er ist ja auch zur Hälfte bedröhnt. Zu den recht ramponierten Jungs gesellt sich die junge Bulgarin Veronika, die eigentlich mit Sick Boy eine miese Erpressermasche durchzieht, die aber nun erkennt, dass für sie vielleicht was zu holen ist, wenn sie sich nur immer schön auf die Seite des jeweiligen Gewinners schlägt. Genau daran hält sie sich (immerhin schlägt sie Spud vor, ihn am Profit zu beteiligen), und genau deshalb fliegt sie am Schluss mit fetter Beute im Gepäck heim zu ihrem Kind, während die vier Jungs alle Hände voll zu tun haben, um überhaupt am Leben zu bleiben.

   Wieder einmal also lernen wir: Wenn’s um Intrigen geht, reicht den Frauen so schnell niemand das Wasser, erst recht nicht all die dumpfen, dummen Kerle, die gerade mal aufrecht gehen können – manchmal. Aber deswegen hab ich mir Trainspotting Teil zwei natürlich nicht angesehen und es spielt auch nur sehr am Rande eine Rolle. Die Idee einer Fortsetzung des alten Kultfilms ist zunächst mal nicht von der Hand zu weisen, und da der geschätzte Mr. Boyle wieder am Ruder war, war die entscheidende Konstante gesichert, denn selbst wenn Mr. Boyle nicht mehr ganz der wilde Mann von einst ist, so ist er doch allemal der einzige, der wirklich autorisiert ist, die rasante Chaosfahrt unserer vier Helden würdig weiterzuführen. Das hat er dann auch in die Tat umgesetzt – T2 ist rasant, irre traurig und irre lustig zugleich, auch wenn er vielleicht nicht mehr die gleiche Relevanz für die Zeit hat wie der erste Trainspottingfilm vor zwanzig Jahren. Wenn ich Boyle überhaupt was vorwerfen würde, dann, dass er diese Ebene klar vernachlässigt hat. Und es wäre schon spannend gewesen, darauf zu gucken, wie die Welt in Leith und drumherum zwanzig Jahre später wirklich aussieht, und wie die vier Jungs dort noch hineinpassen. Rent Boy betet das alte Credo für Veronika zwar noch mal runter („Sag Ja zu…“), doch es fehlt das Update, die Aktualisierung. Die Welt ist zwanzig Jahre älter geworden, doch Spud hängt immer noch halbwegs am Heroin, Sick Boy zieht sich eine Kokslinie nach der anderen rein, Franco vergammelt im Knast und Rent Boy hat seinen tollkühnen Ausbruchsversuch auf lange Sicht auch gegen die Wand gefahren. Nur ihre alte Freundin Diane hat es zur schnieken Anwältin gebracht, die sich aus ihrem alten Milieu definitiv gelöst hat, ihre bemitleidenswerten ehemaligen Kumpel mit diskretem Mitleid ansieht und ihnen immerhin einen kostenlosen juristischen Rat zukommen lässt. Die Jungs hingegen waren nicht imstande, ihr Leben auf der Überholspur, oder anders ausgedrückt geradewegs in den Abgrund, auf eine andere Bahn zu lenken, sie haben immer weiter gemacht, haben oberflächlich versucht, an das Muster bürgerlicher Existenzen anzudocken (von wegen Frau und Familie und so), aber irgendwie tief drinnen sind sie dafür nicht geschaffen, obwohl sie sich im Grunde noch tiefer drinnen allesamt danach sehnen. Das kommt rüber und wird von den vier fabelhaften, schön gealterten Akteuren kongenial vermittelt, was vielleicht ein bisschen fehlt, sind die adäquaten Bilder dazu. Hier bleibt T2  manchmal zu unverbindlich, liefert ein paar nette Postkarten aus Edinburgh, die ich persönlich zwar gern sehe, aber nicht in einem Film wie diesem. Die häufig eingestreuten Zitate aus dem ersten Film machen den Kontrast noch augenfälliger und geben zumindest mir den Eindruck, dass Boyle ein klein wenig zu sehr an der Oberfläche geblieben ist.

 

   Trotzdem ist dies natürlich ein wunderbarer, markerschütternd komischer Film über vier Jungs, die wie so viele andere Jungs nicht so ganz erwachsen geworden sind, nur gibt’s dazu eine deutlich ernstere Dimension, und die wird immer dann sichtbar, wenn die jeweiligen Familien der Helden ins Spiel kommen, also Francos Ehefrau und sein Sohn, der kurz davor ist, ein Studium als Hotelmanager zu beginnen, den Paps auf einen verunglückten Raubzug mitnimmt und der sich schließlich klar und deutlich lossagt von dieser Art von Zukunft. Oder Spuds Ehefrau, die scheinbar immer noch darauf wartet, dass aus ihm ein richtiger Autor wird, der seine vielen kleinen Schnipsel zu einem anständigen Werk zusammensetzen kann. Oder Rents Vater, der das Jugendzimmer seines Sohnes tatsächlich unverändert gelassen hat (inklusive Zugtapete) und ihm erzählt, dass seine Frau und er zwanzig Jahre lang jeden Tag auf eine Nachricht von ihm gewartet haben. Diese Akzente sind immens wichtig im Film, liefern einen ruhigen, nachdenklichen Kontrapunkt zum wüsten und zunehmend unübersichtlichen Treiben der vier und lassen vor allem nie den Eindruck aufkommen, T2 sei einfach nur eine nostalgische Spaßparty geworden. Genau wie der erste Film findet auch dieser eine Balance zwischen Drogenwahn und trister Wirklichkeit, nur hatte ich eben das Gefühl, dass der erste Film ein bisschen präziser in der damaligen Gegenwart verankert war. Aber vielleicht erinnere ich das auch nur falsch, auf jeden Fall werd ich das mal checken und mir den ersten Trainspotting nochmal anschauen. Die Musik damals war auf jeden Fall besser, soviel steht mal fest… (21.2.)