The big sick von Michael Showalter. USA, 2017. Kumail Nanjiani, Zoe Kazan, Holly Hunter, Ray Romano, Adeel Akhtar, Anupam Kher, Zenobia Shroff, Bo Burnham, Aidy Bryant
Wenn es nicht mehrmals im Film gesagt worden wäre, und wenn ich nicht die vertraute Skyline vermisst hätte, ich hätte geschworen, dass dies ein New-York-Film ist, weil er bis ins Detail wirklich ganz genau so aussieht. Aber nun ist dies ein Chicago-Film, und mir ist dabei aufgefallen, wie selten die große Stadt am Lake Michigan eigentlich im Film zu sehen ist, jedenfalls seit die Ära der Gangsterfilme vorbei ist. Aber hier sehen wir, dass auch Chicago ganz authentisches New-York-Potential zu bieten, hat, sprich Stadtneurotiker, Multkulti-Flair, Künstlerszene und alles, was dazugehört. Vielleicht ließe sich über kurz oder lang das ewige Monopol ein bisschen aufweichen…
Dies ist die Story von Kumail und Emily. Kumail ist ein ehrgeiziger, aber bislang nicht sonderlich erfolgreicher Stand-Up Comedian pakistanischer Herkunft, und Emily ist eine blonde junge Amerikanerin, die Psychotherapeutin werden möchte. Kumail stammt aus einer Familie, die die traditionellen Werte ihrer Heimat in allen Ehren hält, weshalb Mama alle Nasenlang eine potentielle Braut ins Haus schleppt, weil Ehen in diesem Kulturkreis bekanntlich arrangiert werden und der größte Wunsch der Eltern darin besteht, dass Kumail wie schon sein älterer Bruder eine Muslimin ehelicht, ein Mädchen aus Pakistan. Emily selbstverständlich ist von solchen Dingen meilenweit entfernt, eine ganz normale moderne Frau der westlichen Hemisphäre, die immerhin schon eine ganz frühe College-Ehe hinter sich gebracht hat. Die beiden treffen bei einem seiner Auftritte aufeinander und landen ziemlich zügig im Bett, sind sich beide jedoch total einig, dass es bei diesem einen Mal bleiben soll, weil sie beide momentan keine Zeit für eine feste Sache haben. Tja, zu unserer größten Überraschung bleibt‘s aber natürlich nicht bei dem einen Mal, und auf einmal sind sie doch ein Paar, wobei sie es bislang vermeiden, die Eltern mit ins Spiel zu bringen, vor allem Kumail muss die Beziehung zuhause geheim halten und macht immer noch gute Miene, wenn Mama eine neue Kandidatin aufgabelt. Bis Emily eines Tages dahinterkommt und verletzt und wütend abrauscht. Kurz danach kriegt der perplexe Kumail einen Anruf von Emilys bester Freundin, die ihm erzählt, dass sie im Krankenhaus liegt und vielleicht etwas Gesellschaft vertragen könnte. Es stellt sich aber schnell heraus, dass die Sache ganz und gar nicht harmlos ist, im Gegenteil – Emily muss ins künstliche Koma versetzt werden, und ihre Eltern werden heranzitiert, weil es auf einmal um Leben und Tod geht, zumal niemand genau weiß, was sie eigentlich hat. Kumail wird bei Mom and Dad zunächst überaus kühl aufgenommen, denn Emily hatte ihnen von dem Reinfall berichtet, doch je länger sich die quälende Ungewissheit hinzieht und je mehr Zeit die drei miteinander verbringen, desto näher kommen sie sich dann doch. Die Ärzte finden schließlich doch heraus, wie Emily geholfen werden kann, doch als sie aufwacht, reagiert sie auf Kumail keineswegs so dankbar und positiv, wie er gehofft hatte. Es ist tatsächlich erst ein Radikalschnitt mit dem Elternhaus in Form eines Umzugs nach New York vonnöten, um die Sache wieder ins Lot zu bringen. Im Abspann sehen wir dann noch ein paar Bilder der realen Kumail und Emily, denn die gibt‘s wirklich und die haben hier ihre eigene Geschichte aufgeschrieben, Kumail spielt sogar noch sich selbst.
Ein extrem persönliches Projekt also, und das hat sowohl Vor- als auch Nachteile, finde ich, und beide Pole sind auf das gleiche Phänomen zurückzuführen. Kumail und Emily erzählen ihre eigene Geschichte, fast unvermeidlich tun sie dies ohne große Distanz, dafür aber mit sehr viel Gefühl und vor allem großer Liebe zum Detail. So haben sie sich satte zwei Stunden Zeit dafür genommen, einfach weil es ihnen so am Herzen liegt. Für meinen Geschmack ist das locker eine Viertelstunde zuviel, denn so schön und charmant viele Szenen geworden sind, gerade weil sie unerhört plastisch und tief empfunden wirken, so ausladend sind andere Sequenzen geworden, vor allem Emilys rätselhafte, bedrohliche Erkrankung nimmt viel zuviel Raum ein und bremst den Erzählfluss komplett aus. Ich habe kein Problem damit, wenn eine romantische Liebesgeschichte auch mal ein dramatisches Intermezzo hat – viele arbeiten ja mit solchen Mitteln -, konnte mich hier aber des Eindrucks nicht erwehren, die beiden Beteiligten wollten sich mithilfe ihres Films noch mal ein bisschen selbst therapieren. All das war mir persönlich deutlich zu lang und breit und hat mich leider gestört. Leider, weil der Rest der Geschichte überwiegend enorm unterhaltsam und stellenweise auch sehr lustig ist. Ein oft an Woody Allen erinnernder Wortwitz und vor allem die deutlich spürbare Liebe zu allen Figuren machen viele Szenen ebenso amüsant wie liebevoll und zärtlich, und es macht schon Spaß, zuzusehen, wie Kumail versucht, den Spagat zwischen traditionsverhafteter familiärer Erwartung und seinen eigenen Emanzipationsbemühungen in der neuen Welt hinzukriegen. Die Erzählung folgt weitgehend ihm, Emily bleibt uns eher fern, erst als ihre Eltern auftauchen, zwei wunderbar schräge Typen, die dem Film einen deutlichen Kick geben, bekommt ihre Person zumindest indirekt etwas mehr Profil. Ansonsten sehen wir Kumail in seiner WG mit einem noch erfolgloseren Kollegen, wir sehen ihn im Kreis seiner Mitstreiter, bei seinen Auftritten, wo alle sich abrackern, um einen Platz in der Endausscheidung für einen sehr begehrten Wettbewerb in Montreal zu ergattern, wir sehen ihn vor allem im Kreis seiner Familie, und das ist schon sehr komisch und liebenswürdig gemacht – immer klingelt’s mittendrin an der Tür, immer steht Mama mit vermeintlich erstaunter Miene auf und fragt, na so was, wer mag das denn sein, um kurz darauf mit einer weiteren Heiratsaspirantin zurückzukommen, die gerade zufällig in der Gegend war, und immer spielt Kumail das Spiel gutmütig und geduldig mit und versenkt dann abends ein weiteres Foto in seiner Kiste, wo schon ganz viele andere liegen – bis Emily sie eines Tages entdeckt und das Unheil seinen Lauf nimmt.
Schauspielerisch ist das ganz wunderbar, die beiden Hauptdarsteller spielen sehr charmant zusammen, aber auch die kleinste Nebenrolle ist klasse besetzt, und das macht schon etwas aus in einem Film, der mir über weite Strecken sehr gut, in einigen Teilen aber eben nicht ganz so gut gefallen hat. Hier wäre weniger doch mehr gewesen… (21.11.)