The Dinner von Oren Moverman. USA, 2017. Steve Coogan, Laura Linney, Richard Gere, Rebecca Hall, Chloë Sevigny, Charlie Plummer, Seamus-Davey Fitzpatrick, Miles J. Harvey
Mit “The Dinner” ist Oren Moverman ein wahres Meisterstück gelungen – meine ich ganz ehrlich! Nicht nur hat er mir die zwei längsten und unwohlsten Kinostunden seit Ewigkeiten beschert, er hat es wirklich geschafft, mich tief im Innern zu treffen und zwar so, dass ich zwischendurch tatsächlich versucht war, rauszurennen, meine Ohren schalldicht zu verriegeln, die Leinwand einzutreten, irgendwas zu unternehmen, dass ich all diese Arschlöcher und ihr wahnwitziges Geschwätz nicht mehr ertragen muss. Falls er diesen Effekt erzielen wollte, so hat er das ohne Frage perfekt geschafft.
Das mit den Arschlöchern ist eins von vielen Problemen, die ich mit „The Dinner“ habe – man kriegt nämlich tatsächlich nur Arschlöcher zu sehen, und wenn das schon so ist, so muss der Regisseur dringend dafür sorgen, dass man ihnen weiter zuschauen und ihnen nicht nur die Visage polieren möchte. Er könnte seine angestrebt beißende Sozialsatire beispielsweise mit ein wenig Humor versetzen, der uns irgendeine Brücke baut. Das hat Moverman wiederum versäumt, und so zieht sich die Geschichte quälend lang dahin.
Eine Geschichte, die obendrein miserabel konstruiert ist, und das ist das zweite große Problem. Die Rahmenstory über das titelgebende Dinner zweier Ehepaare, die angeblich etwas Wichtiges miteinander besprechen müssen, wird alle Nasenlang durchbrochen von Rückblenden, die zumeist weder spannend noch sinngebend sind, vor allem die endlose Exkursion der beiden konflikthaft miteinander verbundenen Brüder zum Mahnmal von Gettysburg, deren Bedeutung für den Film im Ganzen sich mir einfach nicht erschließen wollte. Außer vielleicht zu unterstreichen, dass Paul Geschichtslehrer ist, falls das jemanden juckt. Mich hat’s übrigens nicht gejuckt…
Das dritte Problem würde ich vielleicht mit „Hysterie und Geschwätzigkeit“ umschreiben wollen, denn beides zeichnet diesen Film vorrangig aus. Das schier pausenlose Geschwafel sämtlicher Protagonisten ist mir nach einiger Zeit dermaßen an die Nerven gegangen, dass ich kaum noch zuhören mochte oder konnte – was natürlich fatal für einen Film ist, der sicherlich eine Absicht verfolgt. Einfältigkeit, Egoismus, Verlogenheit, Gewalttätigkeit, Paranoia – all diese liebgewonnenen Begleiter unserer westlichen Zivilisation sollen angeprangert werden, doch geht Overman durchgehend und ausschließlich mit dem Holzhammer zu Werke, entwertet damit jede satirische Überspitzung und wirft großzügig mit psychologischen und gesellschaftlichen Klischees um sich: Der berechnende Politiker, der nur an sein Amt denkt, der seelisch derangierte Intellektuelle, die entschlossene Mama, die mit allen Mitteln für das Wohl ihres Sohnemanns kämpfen will, die verbitterte Zweitfrau, die früher oder später die Rechnung für all ihre Entbehrungen präsentiert. Und als Sahnehäubchen die total verkorksten Kids, die aus reinem Spaß an der Freud eine Obdachlose misshandeln und schließlich anzünden und töten, ihre grausame Untat natürlich filmen, was ihnen zum Verhängnis wird, weil der Dritte im Bunde, der sich vorzeitig aus dem Staub gemacht hatte, das zynische Machwerk ins Netz stellt.
Das vierte Problem schließlich liegt darin, dass Overman irgendwie nie richtig zum Punkt kommt, obwohl er jede Menge heiße Luft um die Ecke schaufelt. Seine Absichten, seine Themen verschwinden immer wieder aus dem Blickfeld, weil er das Dinner einfach nie richtig in Gang kommen lässt, kein Gespräch dahin führt, wo es erst interessant wird. Unweigerlich laufen ein oder gleich mehrere Familienmitglieder raus, wo sich das Ganze dann sofort in weitere Dialoge verästelt und verzettelt, oder wir werden mit einer weiteren Rückblende beglückt, statt ein einziges Mal die Möglichkeit zu haben, uns in die Situation einzufühlen, den Protagonisten etwas näher zu kommen oder vielleicht gar eine Idee davon zu kriegen, weshalb das Verhältnis der beiden Brüder so immens problembeladen ist oder weshalb Paul zu einem solch weinerlichen, vollkommen unausstehlichen Misanthropen werden konnte.
Und all das bei einem solch hochkarätigen Darstellerquartett, das nun wirklich imstand wäre, so gut wie jeden Film zu tragen und akzeptabel über die Runden zu bringen. Hier scheitern sie, ersaufen in schrillen Klischees und banalen, getragenen Dialogen, die mich wirklich zwischendurch an die Grenzen meiner Aufnahmebereitschaft gebracht haben, arbeiten sich an undankbaren Rollen ab, gerade jemand wie Steve Coogan, der schon solch fabelhafte Auftritte hatte. Naja, Haken dran, ein durch und durch unerfreulicher, schwer erträglicher Film, zudem noch überlang, der meine Erwartungen in keiner Weise erfüllen konnte. (28.6.)