Mark Felt: The man who brought down the White House (The secret man) von Peter Landesman. USA, 2017. Liam Neeson, Diane Lane, Marton Csokas, Tony Goldwyn, Josh Lucas, Michael C. Hall, Maika Monroe, Tom Sizemore, Bruce Greenwood, Kate Walsh
Mark Felt, das ist Deep Throat, jener berühmte Whistleblower, der sich mit Bob Woodward von der Washington Post gern in einer Tiefgarage zu treffen und dort über Politik zu plaudern pflegte – so wurde uns das jedenfalls im Kino angeboten. Ein erstaunlich gut informierter Mann aus einer offensichtlich sehr gehobenen Position, ein Idealist, der die schmutzigen Machenschaften in Verbindung mit Watergate verabscheute und es wohl als seine patriotische Pflicht betrachtete, der Presse die entsprechenden Informationen zuzuspielen und so dafür zu sorgen, dass die übliche Vertuscherei diesmal nicht erfolgreich sein würde. Deep Throat war der erste, der die Verstrickungen des Weißen Hauses mit allerlei dubiosen oder auch schlichtweg kriminellen Aktionen ans Tagesicht holte und damit in letzter Konsequenz die Abdankung von Tricky Dicky Nixon erwirkte.
Mark Felt, über dreißig Jahre lang treu dem FBI ergeben, Ehemann und Familienvater, der jederzeit bereit war, seiner Berufung alles andere zu opfern. Seine offensichtlich arg gestresste oder psychisch angeschlagene Gattin Audrey hält ihm vor, dass sie niemals irgendwo Wurzeln schlagen, Freundschaften schließen, heimisch werden konnte, weil es sogleich weiterging zur nächsten Station auf Felts Karriereleiter. Er ist dem FBI, seinen Zielen und Methoden zu hundert Prozent treu ergeben, dient loyal unter J. Edgar Hoover, hofft nach dessen Tod 1972, er könne sein Nachfolger werden, nur um dann höchst enttäuscht zur Kenntnis nehmen zu müssen, dass ihm der unsympathische und zweifelhafte Pat Gray vor die Nase gesetzt wird. Doch erst Watergate bringt das Fass zum Überlaufen, all die Lügen und Verschleierungsversuche, all die Manipulationen und Strippenziehereien. Sein geliebtes FBI wird missbraucht, um die Ermittlungen schön in geregelten Bahnen zu halten und sie ja meilenweit vom Oval Office fernzuhalten, alles, woran er glaubte, wird plötzlich in den Schmutz getreten, und so wendet er sich an seine Kontakte bei der Presse, redet mit dem Time Magazine und der Washington Post und setzt jenen Prozess in Gang, der zu Nixons Rücktritt 1973 führte. Parallel dazu gibt’s auch familiäre Probleme, denn seine Tochter Joan ist auf einmal verschwunden, und die Eheleute befürchten schon das Schlimmste. Daddy stöbert sie schließlich in einer Hippiekommune auf und holt sie zurück nach Hause, doch man sieht schon deutlich, dass ihr Verhältnis zu den Eltern, vor allem zu der launischen, distanzierten Mutter schwierig bleiben wird.
Am Ende erfahren wir, dass Felt selbst in dem Mittsiebzigern mit dem Gesetz in Konflikt geriet, als er zugab, schon jahrelang illegale und menschenrechtsverletzende Aktionen gegen die Weathermen und andere unliebsame linke Gruppierungen anordnet zu haben (das Stichwort dazu wäre COINTELPRO), dass er prompt verurteilt und schließlich von Reagan begnadigt wurde. Audrey verübte in den 80ern Selbstmord, und Felt selbst hat sich noch Ewigkeiten geziert, bis 2005, ein paar Jahre vor seinem Tod, bis er dann endlich zugegeben hat, Deep Throat gewesen zu sein.
Okay, also ein kontroverser, komplexer Charakter, dieser Mark Felt, und natürlich der mit Abstand spannendste Aspekt des Films, der sich nicht immer entscheiden kann, ob er nun eher Politthriller oder doch lieber Charakterstudie sein will. Wenn man ihn schon mit Pakulas Klassiker von vor vierzig Jahren vergleicht, und das ist aufgrund seines bedächtigen Tempos und des eher introvertierten Temperaments durchaus naheliegend, so muss man doch feststellen, dass ihm der Spannungsbogen fehlt, weil er immer wieder auf Nebengleise ausweicht, und vielleicht auch viel lieber gar kein Verschwörungsfilm wäre. Hätte ich auch kein Problem damit, zumal es den ultimativen Watergate-Film eben schon gibt, und die FBI-Perspektive durchaus spannende Einsichten verspricht. Ich gerate hier aber an eine Person, die ich einfach nicht verstehe, deren Motivation mir letztlich verschlossen bleibt. Was genau hat Felt angetrieben, wenn man ihm edle Motive unterstellen möchte? Ist er ein empörter Patriot, ein gekränkter Funktionär, ein aufrechter Liberaler, ein prinzipientreuer Idealist oder was? Die letztgenannten zwei würde ich spontan ausschließen, denn wer jahrzehntelang J. Edgar Hoover als dritter Mann im Staate die Stange gehalten hat, mit dem stimmt was nicht, oder aber der ist von der Sache ziemlich überzeugt und ein Mann mit striktem Blick auf das eigene Fortkommen. Gekränkt ist er natürlich, weil er nicht Hoovers Nachfolger wird, obwohl er’s seiner Meinung nach verdient gehabt hätte. Und empört ist er anscheinend, weil sein verehrtes FBI von charakterlosen Schweinehunden so gemein in den Dreck gezogen wird, und das auch noch für die Wiederwahl eines Präsidenten, der eh nie sein bester Freund war. Und genau hier krieg ich Schwierigkeiten und denke mir, der Knabe hat echt eine Schraube locker – ich meine, wir reden hier vom FBI, jener Organisation, die Hoover zu einem fast allmächtigen Staat im Staate aufbaute, und die jeden nur erdenklichen Dreck am Stecken hatte, höchstens noch übertroffen von der CIA. Felt aber zeigt eine Hingabe, der zuliebe er alles andere bedenkenlos zurückstellt, und wie man später sieht, hat er mit Watergate ja nicht mit seinen eigenen Machenschaften aufgehört. Also einer, der mindestens zweierlei Maß anlegt, der unter Hoover jede mögliche Schweinerei mitgemacht und selbst initiiert hat und sich nun plötzlich als Moralapostel aufspielt, als ein aufrechter Verfechter von Anstand und Tugend. Oder hab ich da was missverstanden??? Leider hilft mir Liam Neesons Darstellung nicht viel weiter, denn der steht fast nur wie eine Statue im Bild, ein stets tief nachdenklicher Mann mit sehr ernstem Blick, der die Appelle seiner entkräfteten, desillusionierten Ehefrau überhört und den eigentlich nur seine Tochter etwas außer Fassung bringen kann. Ein echter amerikanischer Held, klar, kernig, furchtlos, aber in diesem Kontext für meinen Geschmack irgendwie nicht das Richtige. Denn den Streiter für Wahrheit und Gerechtigkeit nehme ich ihm schlicht und ergreifend nicht ab, dazu ist er viel zu sehr ein FBI-Mann. Oder aber Mark Felt ist die paradoxeste Figur, die ich mir vorstellen kann. Das Ganze ist mir zwar nicht ganz einleuchtend, aber auf diese Weise bringt mich der Film durchaus dazu, mich mit ihm auseinanderzusetzen.
Landesmans Regie hilft übrigens auch nicht, denn der verhält sich zu Neesons Mark Felt genauso indifferent wie zu der an sich sehr interessanten Figur der Audrey. Diane Lane hat in dieser Kinoversion des Films (anscheinend gibt’s zahlreiche weitere mit ihr gedrehte Szenen, die leider geschnitten wurden) kaum eine Chance, ihrer Rolle ein Profil zu geben, und dabei hätte sie wunderbar als relativierendes Gegengewicht zu dem stoischen, heroischen Gatten fungieren können. Natürlich sind auch viele Szenen spannend und interessant, zum Beispiel Felts Gespräch mit dem Mann vom Time Magazine, in dem sich langsam aber sicher wie wahren Dimensionen des Skandals aufbauen. Für ein wirklich angemessenes Porträt scheint mir der Film letztlich aber zu eindimensional und vage. Da sind die ganzen komischen Vögel, die sich im und um das Weiße Haus herum tummelten, fast interessanter als der Protagonist, der sich diesen Haufen stets mit fast indigniertem Abscheu betrachtet – obwohl er selbst hundertprozentig dazugehört und die Behörde an sich bis dato noch nie in Frage gestellt hatte.
Also alles in allem vielleicht gar kein besonders gelungener Film, aber dennoch einer, der mich beschäftigt und sei es nur in Form von Widerspruch. Ist ja auch eine Qualität. (6.11.)