Tiger Girl von Jakob Lass. BRD, 2016. Ella Rumpf, Maria Dragus, Enno Trebs, Orce Feldschau, Swiss, Benjamin Lutzke, Franz Rogowski, Lana Cooper

   Witzige Mixtur – German Mumblecore meets Riot Grrrls oder so ähnlich. Eine moderne Variante zum Thema „Gute Mädchen kommen in den Himmel…“ undsoweiter. Wüst, launisch, laut, auch ein bisschen provokativ, alles andere also als ein hübscher Teeniefilm, den man mal so locker wegkonsumiert. Das ist klasse und das ehrt ihn, trotzdem aber war ich mir zwischendurch auch nicht immer ganz sicher, was er mir eigentlich sagen will.

   Weil Maggie den Sprung über den Bock nicht packt und herb auf die Fresse knallt, ist ihre Aufnahme zur Polizeischule durch und sie muss sich was anderes suchen. Sie bleibt in der Gegend und nimmt an einem Kurs für angehende Sicherheitskräfte teil – da sitzen nur schwer tätowierte Jungs rum, und der Kursleiter hat das blonde Mädchen irgendwie auch von Anfang an auf dem Kieker. Eines Abends vermasselt ihr eine dämliche Taxifahrerin ein Date mit einem schnieken Typen von der Polizeischule, doch kurz drauf wird sie in der U-Bahnstation von drei besoffenen Idioten bedrängt, und plötzlich steht die Taxifahrerin da und haut Maggie raus – buchstäblich. Diese Frau nennt sich Tiger, haust in einem alten Wohnmobil und hängt mit Drogenfuzzis rum, die heimlich einen Dachboden belegt haben. Maggie und Tiger freunden sich an und ziehen nun zusammen um die Häuser und machen Maggies erste Einsatzorte als Securityfrau unsicher. Maggie heißt jetzt Vanilla und sie himmelt Tiger an. Denn Tiger ist toll – furchtlos, wild, frei und stark, und das kriegt jeder zu spüren, der sich mit ihr anlegt. Die beiden haben eine tolle Zeit und viel Spaß auf Kosten der Spießer, doch irgendwann ist der Spaß dann ein wenig vorbei: Tigers Jungs auf dem Dachboden fliegen auf, die Clique zerbricht, Vanilla fährt ihren Lehrgang mutwillig geradewegs vor die Wand, und überhaupt entfremden sich die beiden Mädchen, weil Vanilla Tigers Lebensmotto auf die Spitze treibt und einfach keine Grenzen mehr akzeptiert. Erschrocken erkennt sie, was sie selbst da losgetreten hat, doch am Ende finden die beiden wohl wieder zusammen, und diesmal ist es Vanilla, die Tiger aus der Klemme hilft.

 

   Die Position des Regisseurs Jakob Lass ist ein wenig schwer zu orten – das macht einerseits den Reiz des Films aus, doch andererseits fehlt mir was, denn ich hätte gern gesehen, wo und wie er dazu steht. Er serviert uns Tigers und Vanillas Geschichte als lärmende Achterbahnfahrt mit improvisiert wirkenden Szenen, flotten Schnitten und stilisierter Action, und zwischendurch scheint durchaus so etwas wie Ironie durchzublicken, doch bleiben die Mädels im Zentrum des Geschehens denkbar ambivalent. Das ist okay. Ich verstehe ihren Freiheitsdrang, ihre unbändige Lust nach Unabhängigkeit und Adrenalinkicks, auch ihre Verachtung für das piefige Establishment und die noch piefigere Männerdenke. Ich verstehe weniger ihre Faszination für Gewalt, die Tiger durchaus ausstrahlt, und die sich bös ins Gegenteil verkehrt, als Vanilla die Sicherungen durchknallen und sie einfach eine Frau auf offener Straße umhaut und das auch noch geil findet. Tigers Befremden ist auch mein Befremden, obwohl es genau Tigers rebellische, herausfordernde Attitüde war, die Vanilla inspirierte, nur mit dem Unterschied, dass irgendwo in Tiger eine Grenze eingebaut ist, die Vanilla offensichtlich nicht gesehen hat. „Tiger Girl“ hat ein paar sehr mitreißende Momente, auch ein paar sehr komische Momente und schließlich einige bitter wahre Momente, all diese jeweils sehr überzeugend in Szene gesetzt, doch er hat leider auch einige Leerstellen, die ich aus unnötig empfunden habe, beispielsweise Tigers rumhängen mit den Säureköpfen. Und letztlich ist mir eben nicht ganz klar geworden, ob Jakob Lass eher auf ein schick gestyltes, satirisch überdrehtes Großstadtporträt hinauswollte, oder vielleicht auf eine Art Comic Strip oder doch auf eine ernsthaftere Betrachtung unserer modernen Ego- und Gewaltkultur (die hier bei weitem nicht nur von Tiger und Vanilla repräsentiert wird). Sein Film hat von allem ein bisschen, und wahrscheinlich muss ich das so akzeptieren, dass er sich nicht festlegen lässt, ist ja schließlich auch eine Qualität. Eine andere, ganz unumstrittene Qualität ist die Leistung der beiden Hauptdarstellerinnen Ella Rumpf und Maria Dragus, die man nur als famos bezeichnen kann, vital, schillernd, vielgestaltig, mutig. Zwei, die auf jeden Fall aus dem Rahmen üblicher Frauengestalten im deutschen Film herausfallen, was ja auch für den Film im Ganzen gilt. Sehenswert finde ich ihn in jedem Fall, diskussionswürdig gleichermaßen, ob nun rundherum gelungen, da bin ich mir nicht so sicher. Aber gut zu sehen, dass es auch hierzulande ein paar Filmemacher mit sehr eigenen Auffassungen und Methoden gibt, und noch besser, dass solch ein Film dann auch mal im Kino landet. (11.4.)