Tulip fever (Tulpenfieber) von Justin Chadwick. England/USA, 2017. Alicia Vikander, Dane De Haan, Holliday Grainger, Christoph Waltz, Judi Dench, Tom Hollander, Jack O’Connell, Zach Galifianakis, Cara Delevingne, Matthew Morrison

   Tulpenfieber herrschte im Amsterdam der dreißiger Jahre 17. Jahrhunderts. Die Preise für die Blume mit ihren extravaganten Färbungen explodierten, Glücksritter, Spekulanten, Börsianer boten und feilschten um die Wette, eine Art Goldrausch brach los, Vermögen wurden binnen Sekunden gemacht, Vermögen in ebensolcher Zeit wieder verzockt, und als der freie Tulpenhandel schließlich von der Obrigkeit mittels festgesetzter Preise unterbunden wurde, platzte die ganze Blase, wie so viele nach ihr und hinterließ nichts als zerstörte Existenzen, wie so viele nach ihr. Jemand interessiert?

   Gottseidank ist dieses Tulpenfieber aber nur Hintergrund für ein ganz normales Liebesdrama, das sich so oder so ähnlich auch zu jeder beliebigen anderen Zeit hätte zutragen können. Das Waisenmädchen Sophia wird von dem wohlhabenden Kaufmann Cornelis aus dem Kloster St. Ursula freigekauft und in einem goldenen Käfig gehalten, in dem ihr einziger Zweck ist, dem Herrn, der bereits eine ganze Familie verloren hat, einen männlichen Nachkommen zu bescheren. Obwohl er Nacht für Nacht seinen kleinen Soldaten in Schwung zu bringen versucht, klappt das mit der Empfängnis aber nicht so recht, ganz anders bei dem Hausmädchen Maria, mit dem Sophia freundschaftlich verbunden ist und das uns diese Geschichte erzählt. Maria liebt den Fischhändler William, wird ruckzuck schwanger und gerät in Schwierigkeiten, als ich Liebster plötzlich abgetaucht zu sein scheint und unauffindbar ist. Auch Sophie gerät in Schwierigkeiten, als Cornelis den jungen Porträtmaler Jan Van Loos engagiert, sich und die Gattin zu verewigen, denn – Überraschung – zwischen Maler und Modell entbrennt alsbald eine leidenschaftliche Liebe, in der Sophia all das erlebt, was ihr Cornelis mit seinem kleinen wackeren Soldaten bislang vorenthielt. Las Sophia von Marias Schwangerschaft erfährt, ersinnt sie einen Plan: Sie spielt fortan die Schwangere, das Kind als ihres ausgegeben werden und Maria soll weiterhin bei ihnen leben, ihrem Kind nahe sein und es aufziehen dürfen. Dieser Plan läuft zunächst leidlich gut, ändert sich dann aber nochmals, als Jan auch vom Tulpenfieber erfasst wird, plötzlich einen tollkühnen Deal in Aussicht hat und Sophia überreden kann, mit ihm durchzubrennen nach Ostindien (ein Hoch auf die Kolonien…). Sophia macht zunächst mit, stirbt scheinbar bei der Geburt (es wird sowieso nur eine Tochter…), lässt sich im geschlossenen Sarg aus dem, Haus tragen, doch dann kriegt sie doch das heulende Elend und begreift, was sie ihrem völlig erschütterten Gatten damit angetan hat. Doch sie muss erkennen, dass sie das Geschehene nicht einfach rückgängig machen kann und landet nach einiger Verzweiflung wieder dort, wo sie angefangen hat, nämlich bei den Ursulinen. Und auch sonst wird alles gut: William taucht wieder auf, und Marias erzählt Cornelios die ganze Wahrheit. Dieser schenkt dem jungen Paar daraufhin sein Haus und wandert nach Ostindien aus, wo er eine neue Familie gründet. Maria und William gehen tatkräftig daran, das Haus nach Cornelis‘ Wunsch mit Leben zu erfüllen und sind bald zu acht. Und Jan kommt glimpflich aus der Tulpensache raus, wird wieder Maler und kriegt schließlich den Auftrag, im Ursulinenkloster ein Fresko auszumalen. Und nun darf man dreimal raten, wen er dort im Nonnenkostüm wiedersieht...

   Au Backe, noch mehr Pilcher geht nicht, oder? Ist schon komisch, den Namen Tom Stoppards in Verbindung mit dem Drehbuch zu erblicken, aber scheinbar war der Mann wild entschlossen, mal so richtig auf die Sahne zu hauen und kein Klischee liegen zu lassen. Er (und die Autorin des Romans, den ich ganz sicher niemals lesen werde) tischt uns hier eine Erzählung auf, die wir Punkt für Punkt im Voraus buchstabieren können, nur hätte ich persönlich vielleicht nicht mit einem solch totalen Happy End gerechnet, sondern das eine oder andere tragische Opfer erwartet – Sophia stürzt sich in Tränen aufgelöst in einen schmuddeligen Amsterdamer Kanal oder wenigstens in die schäumende Nordsee oder so. Aber so tut der Film am Ende niemandem weh, will er auch gar nicht, sondern unterhält uns mit allerlei erotischen Ränken und wenigstens der einen oder anderen etwas spitzer formulierten Szene aus dem Eheleben der armen Sophia. Die Konstellation „reicher älterer Mann kauft sich junges Mädchen zwecks Nachwuchszeugung“ ist weder neu noch wird sie hier sonderlich aufregend durchgespielt, sie bekommt erst den entscheidenden Twist, als Cornelis erfährt, auf welch infame Weise er betrogen wurde und sich unsere Gefühle für ihn plötzlich wandeln. Parallel dazu ergeht es Sophia ganz ähnlich, und so wird es nix mit der amour fou, die uns zuvor versprochen wurde. Dass Cornelis, gänzlich erschüttert durch die Ereignisse, sich plötzlich zum generösen und ganz uneigennützigen Schenker wandelt, ist vielleicht nicht gerade die glaubwürdigste Entwicklung hier, aber an dem Punkt habe ich wahrscheinlich schon aufgehört, über Glaubwürdigkeit nachzudenken. Der Film dekliniert die gängigen Regeln des Liebesfilms so schematisch, dass es wirklich nur diese eine eben beschriebene Überraschung gibt und sonst keine. Justin Chadwick tritt als Regisseur kaum in Erscheinung, er würde eher zu der altmodischen Bezeichnung des „Spielleiters“ passen, der die Figuren in Bewegung hält und dafür sorgt, dass die Ausstattung passt. Das tut sie dann auch, der Film ist optisch okay, wenn auch weit davon entfernt, irgendwie eigenwillig oder gar originell zu sein. Der beste Grund, ihn zu sehen, sind für mich die Schauspieler, und die sind wirklich sehenswert. Die Alicia liebt und leidet einmal mehr höchst fotogen und bringt ihre unwiderstehliche Ausstrahlung bestens zur Geltung, Christoph Waltz hat mir diesmal wirklich gut gefallen, weil er einmal nicht Christoph Waltz sein muss und seine gewohnten Ticks einfach außen vor lässt, und tolle Darsteller wie Tom Hollander oder Judi Dench bringen Schwung in ihre kleinen aber hübsch ausgemalten Rollen.

 

   Alles in allem eine Historienschmonzette, die akkurat in die Schublade mit anderen Historienschmonzetten passt, und die ich mir ehrlich gesagt nur wegen der Alicia angeguckt habe, und vielleicht findet die ja auch mal wieder raus aus den ollen Kostümen und macht einfach was Gegenwärtiges… (29.8.)