Denial (Verleugnung) von Mick Jackson. England/USA, 2016. Rachel Weisz, Tom Wilkinson, Timothy Spall, Andrew Scott, Caren Pistorius, Jack Lowden
Die juristische Auseinandersetzung zwischen dem britischen „Historiker“ David Irving und der US-amerikanischen Historikern Deborah Lipstadt, die sich ab Mitte der 90er über dreieinhalb Jahre bis ins Jahr 2000 hinzog und in einem klaren Urteil zugunsten Lipstadts und des Penguin-Verlags endete. Ein wahrhaft schillerndes Kontrahentenduo: Der exzentrische Brite, der sich mit seinen absurden hitlerfreundlichen Theorien immer mehr ins öffentliche und erst recht wissenschaftliche Abseits manövrierte und schließlich in aller Offenheit zum Holocaustleugner und damit zum Idol verschiedener Neonazigruppierungen wurde, und die engagierte, temperamentvolle amerikanische Jüdin mit einem naturgemäß äußerst starken Bewusstsein für den Holocaust und seine Opfer und dem festen Vorsatz, mit einem faschistischen Schwachkopf wie Irving nicht auch nur ein Wort zu reden, geschweige denn sich auf eine wie auch immer geartete Diskussion einzulassen. Irving scheint schließlich mehr aus gekränkter Eitelkeit in die Offensive zu gehen und Anzeige wegen Verleumdung anzustrengen. Er tut dies in Großbritannien, was für Lipstadt bedeutet, dass sie die Richtigkeit ihrer Behauptungen nachweisen muss und nicht umgekehrt. Sie nimmt sich den prominenten Anwalt Julius, der unter anderem Lady Dis Scheidung gemanagt hat, und der wiederum holt den routinierten Richard Rempton als sogenannten plädierenden Anwalt mit ins Boot. Dazu ein ganzes Team junger, ehrgeiziger Juristen, gegen die Irving ganz allein antritt, denn er vertritt seinen Fall vor Gericht höchstpersönlich ohne jede Hilfe. Rempton und Julius haben alle Hände voll zu tun, vor allem zunächst mal damit, die aufgebrachte Lipstadt von ihrer Strategie zu überzeugen, die besagt: Lipstadt wird nicht selbst vor Gericht aussagen, und es werden auch keine Auschwitz-Überlebenden gehört werden. Ihr Argument, man würde diese Menschen ansonsten der zynischen und erniedrigenden Befragung durch Irving aussetzen, ist sehr stichhaltig, und schließlich gibt Lipstadt zähneknirschend nach. Das Team reist nach Auschwitz, um vor Ort zu recherchieren, und Rempton vertieft sich intensiv in Irvings Veröffentlichungen und appelliert an Lipstadt, den Fall nicht zu einer Generalverhandlung zum Holocaust zu machen, sondern sachlich und auf Irving konzentriert zu bleiben, und er hat recht damit, wie sich am Schluss herausstellt. Im Laufe der Verhandlung kann er Irvings groteske Argumente entlarven und demontieren, und er kann den anfangs zögerlichen Richter vor allem davon überzeugen, dass Irving nicht etwa aus Dummheit oder aus wahrem Glauben handelte, sondern vorsätzlich und böswillig. Das ist der Knackpunkt, und damit ist der Prozess schlussendlich gewonnen.
Klassisches Schauspielerkino, möchte ich meinen, tolle Leistungen von tollen Leuten wie Rachel Weisz (die ich echt lange nicht mehr im Kino gesehen habe) und Tom Wilkinson (den man zum Glück sehr regelmäßig im Kino sehen kann), während der vortreffliche Timothy Spall vielleicht hier und da ein wenig zu weit in Richtung Karikatur driftet, was nicht heißt, dass sein verschmitztes, schräges Psychogramm nicht trotzdem Spaß macht. Die Fronten sind klar abgesteckt, unsere Sympathien eindeutig verteilt, was in diesem Fall natürlich völlig richtig ist, denn wenn es um solch faschistoiden Dreck geht wie der, den Irving abgesondert hat, dann sind keine Grauzonen angebracht. Ein gerissener Manipulator, der mit den Medien spielt und jede sich bietende Gelegenheit nutzt, um seine infamen, absolut herabwürdigenden, rassistischen, sexistischen und allgemein widerwärtigen Thesen auszuposaunen, und natürlich müssen sich die Medien ganz klar vorwerfen lassen, einem solchen Verbrecher kritik- und verantwortungslos eine Plattform geboten zu haben – Pressefreiheit und Informationspflicht, schon klar. Irving macht sich dies zunutze, und es dauert langem bis Lipstadt sich damit abfindet und darauf vertraut, dass ihr Anwaltsteam auf lange Sicht die Oberhand behalten wird. Ihr Ringen um eine Vorgehensweise, mit der sie leben kann, sind eigentlich die spannendsten Momente dieses Films, weil sie das besondere Dilemma dieser Situation deutlich machen. Nicht der feixende Nazi Irving ist unter Zugzwang, sondern die Jüdin Lipstadt, die plötzlich beweisen muss, dass es in Auschwitz Gaskammern gab und dass in diesen Gaskammern Menschen ermordet wurden. Eine grauenhafte, fast perverse Paradoxie, geschuldet dem britischen Rechtssystem, das Irving ähnlich für seine Zwecke nutzen will wie die eifrigen Medien. Andere interessante Momente sind natürlich die Szenen aus dem Prozess und die sehr atmosphärisch und eindringlich gefilmten Momente der Auschwitzreise, die Lipstadt sehr tief bewegt und trifft , während Rempton scheinbar kühl und distanziert bleibt, was den ersten Konflikt zwischen den beiden provoziert, der erst nach ein paar ernsthaften Gesprächen und ein paar Flaschen guten Rotweins halbwegs beigelegt werden kann. Weisz und Wilkinson sind ganz fabelhaft zusammen und sorgen für eine Intensität, die der Regisseur Mick Jackson nicht durchgehend herzustellen imstande ist. Er selbst bringt sich eigentlich kaum ein, der Film bleibt künstlerisch eher unauffällig, um es mal so zu sagen, also konventionell und wenig aufregend, wenn man vom Inhalt absieht. Der ist aber so interessant, dass ich natürlich gern und gespannt zugesehen habe, zumal ich von David Irving und seinen grotesken Verirrungen bislang nur sehr oberflächlich gehört hatte. Es ergibt sich ein Plädoyer für Zivilcourage und Streitkultur, denn wie die Anwälte Lipstadt anfangs darlegen, hätte sie es ebensogut auf einen Vergleich hinauslaufen lassen und sich jede Menge Zeit und Stress ersparen können, zumal es da auch noch wiederholte Drohungen von finsteren Nazimännern in London gibt. Doch Lipstadt ist entschlossen, Irving mit seinem kriminellen Blödsinn nicht durchkommen zu lassen und sie erreicht schließlich ihr Ziel, ihn vor aller Welt als Lügner und Faschisten bloßzustellen, weshalb sich all die Mühe und all die Auseinandersetzungen schließlich gelohnt haben. Dass Buch und Regie voll und ganz auf Lipstadts Seite stehen, ist selbstverständlich und kommt sehr klar zum Ausdruck. Von einem so brillanten Autor wie David Hare hätte ich allerdings hier und da vielleicht noch ein bisschen mehr Pep erwartet.
Also, alles in allem kommt „Denial“ inszenatorisch ein bisschen bieder daher, doch die nach wie vor äußerst brisante Story und die große Klasse der Schauspieler machen es wett. Passt schon. (13.4.)