25 km/h von Markus Goller. BRD, 2018. Lars Eidinger, Bjarne Mädel, Sandra Hüller, Franka Potente, Alexandra Maria Lara, Jella Haase, Matti Schmidt-Schaller, Jördis Triebel, Wotan Wilke-Möhring

   Jugenderinnerungen in wackligem, rotstichigen Super 8, dazu „Hot Love“ von T. Rex: Tischtennisduelle auf dem Dachboden daheim im Schwarzwald-Kaff, bergrunter brettern mit den Mofas, für die Blitzampel einmal in Pose werfen und das Foto dann als Trophäe übers Bett hängen. Christian und Georg sind unzertrennlich damals. Einige Jahrzehnte später ist die Lage anders: Georg ist am Ort geblieben und hat sich um den verwitweten und schließlich schwerkranken Vater gekümmert und eine Tischlerei betrieben, keine Ehe, keine Kinder. Christian ist in die große weite Welt gezogen, hat in irgendeinem Business viel Kohle gemacht, wohnt jetzt grad in Singapur, hat das Kaff aber noch nie gesehen, auch keine Ehe und auch keine Kinder – oder? Vatterns Beerdigung ist er Anlass ihres Wiedersehens, und das erstem was die beiden nach sehr vielen Jahren er Trennung tun, ist zu raufen und sich im Dreck zu wälzen, weil Georg sauer ist, weil Christian sogar zu diesem Anlass noch zu spät kommt. Später schmilzt das Eis aber doch zwischen ihnen und sie graben plötzlich einen uralten Plan aus, den sie einst mit fünfzehn geschmiedet haben: Auf ihren beiden  Mofas mit 25km/h vom Schwarzwald rauf zur Ostsee, Timmendorfer Strand als Zielpunkt da dann in die Ostsee pinkeln. Zwischendurch gibt’s dann zusätzliche Aufgaben zu erledigen: Sex haben, einmal die Speisekarte beim Griechen rauf und runter futtern, eine schlafende Kuh umwerfen, auf dem Hinterrad 20m bergab, eine Arschbombe – kurz das, was Jungs sich erwartungsgemäß unter „Spaß“ vorstellen. Ausgerechnet der stets und ständig eingespannte und chronisch gestresste Handyjunkie Christian macht spontan den Vorschlag, diese Reise jetzt nach dreißig Jahren nachzuholen, und ehe sie sich’s versehen, sind sie unterwegs, noch in ihren Beerdigungsanzügen, einmal quer durch die Republik. Und wie sich das für ein zünftiges Roadmovie gehört, ist der Weg immer das Ziel, begegnen ihnen zwischendurch jede Menge eigentümlicher Leute, sie machen eindrückliche Erfahrungen, manchmal irrwitzig, manchmal sexy, manchmal auch lebensgefährlich, für jeden Geschmack ist was dabei. Bei alledem jedoch wissen wir ganz genau, dass es für die beiden Brüder eigentlich um eine Reise zu sich selbst geht, dorthin, wo noch etwas ganz Wichtiges unerledigt geblieben ist. Jeder der beiden hat da noch was vor sich: Georg muss sich endlich trauen und die Frau erobern, die er seit Ewigkeiten liebt. Und Christian muss sich endlich trauen und Kontakt zu seinem Sohn Konrad aufnehmen, den er noch nie gesehen hat und der nun schon fünfzehn ist. Der Film hört damit auf, dass beide ihre größten Aufgaben angehen.

   „25 km/h“ ist ein richtiger Männerfilm: Sentimental, derb, albern, manchmal auch nachdenklich, insgesamt einfach schön. Frauen kommen auch reichlich vor, und zwar überaus prominent besetzt, doch die sind eigentlich nur Stationen auf dem Weg, obwohl zwei am Ende übrig bleiben werden, mit denen die Jungs sich arrangieren müssen: Die von fern Angebetete und die Mutter Konrads, die damals in typischer Männerpanik einfach sitzen gelassen wurde. Markus Goller hat das Ganze sehr launig und turbulent inszeniert, hier und da mal ordentlich über die Strenge geschlagen, und natürlich hat es gar keinen Sinn, hier nach Plausibilität zu fragen, wäre auch Quatsch, denn es zählt das Gefühl, das Herz am rechten Fleck, und davon kann hier absolut die Rede sein. Ein gar abenteuerliches Seemannsgarn wird da zusammengesponnen, vermutlich was Jungs sich so erträumen, wenn sie in der Mitte des Lebens nochmal aufbrechen zu unbekannten Ufern, aber die durchgängige Selbstironie bewahrt den Film insgesamt davor, peinlich und doof zu werden. Wichtig ist hier in erster Linie die Chemie zwischen den Brüdern, und Eidinger und Mädel haben das ganz famos hingekriegt, vor allem Eidinger besticht als hinreißender Komödiant, während Mädel ja längst als solcher bekannt ist. Aber auch untereinander arbeiten sie sämtliche Nuancen heraus, anfangs Frust und Wut, später aber auch Liebe und Zuneigung und immer die etwas angespannt diskutierte Frage, wo der andere gerade in seinem Leben steht und ob er all das erreicht hat, was er wirklich wollte. Lebensentwürfe, Lebenslügen auch hier wieder (jaja, wir Deutschen mögen das Schwere…), auch diesmal mit einer gut dosierten Mischung aus leiseren Momenten und burleskem Slapstick, und es spricht wiederum für die Kunst der Darsteller, dass sie beide Domänen perfekt beherrschen. Natürlich müssen auch die sehr illustren Nebendarsteller herausgestellt werden, die sämtlich mit sichtlichem Spaß bei der Sache sind, vor allem wenn sie wie unser aller Wotan als durchgeknallter Kampfcamper so richtig auf die sprichwörtliche Kacke hauen dürfen. Nur als Soundtrack hätt ich mir noch zwei, drei Songs gewünscht, die mir mehr am Herzen liegen, aber okay, Geschmackssache.

 

   Alles in allem ein feiner Spaß mit einigen anrührenden Momenten über Jungs, die in gewisser Hinsicht nie erwachsen werden und die sich nicht zu ernst dabei nehmen. Sehr schön und auch für Frauen genießbar, denke ich… (23.11.)