Three billboards outside Ebbing, Missouri von Martin McDonagh. USA, 2017. Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell, Caleb Landry Jones, Kathryn Newton, Nick Searsy, Abbie Cornish, Peter Dinklage, Clarke Peters, Lucas Hedges, John Hawkes

   Diese drei Billboards stehen eigentlich nicht sehr günstig, nämlich an einer halb stillgelegten Straße, die kaum noch einer benutzt, der nach Ebbing rein- oder aus Ebbing raus will. Und doch gibt Mildred sehr viel Geld dafür aus, diese drei Billboards mit Plakaten bekleben zu können. Folgende Sätze gibt sie in Auftrag: „Vergewaltigt, während sie starb“. „Noch immer keine Verhaftung“. Und: „Wie kommt’s Chief Willoughby?“ Dabei geht’s um den brutalen Mord an ihrer Tochter vor einem Jahr, der noch immer nicht aufgeklärt ist, und genau das nimmt sie Chief Willoughby von der örtlichen Polizei übel, denn sie glaubt, er habe sich nicht genug angestrengt. Mit dieser Meinung ist sie allerdings ziemlich allein, denn der Chief ist im Ort hochangesehen, und auch jetzt versucht er wieder, ihr klarzumachen, dass man alles versucht habe, was möglich ist. Mildred glaubt ihm nicht und nun hat sie diese drei Billboards beschriftet, damit jeder lesen kann, dass der grausame Tod ihrer Tochter noch immer nicht gesühnt wurde. Die Sympathie der Leute hat sie allerdings überwiegend gegen sich, denn der Chief ist ein liebevoller Familienvater und außerdem todkrank. Nur ein paar treue Gefährten haben sich auf ihre Seite geschlagen, denn die Polizei von Ebbing ist wirklich nicht gerade sehr vorzeigenswert – im Grunde ein Haufen rassistischer Arschlöcher, die mit großer Vorliebe Schwarze einsperren und foltern. Besonders der Kollege Dixon ist ein übler Zeitgenosse, im Suff zu so gut wie allem fähig, und leider ist er ständig im Suff. Nachdem Willoughby seinem Leben selbst ein Ende gemacht hat, ändert sich aber irgendwas in Dixon. Nicht sofort natürlich – erst wird noch der Billboardvermieter aus dem Fenster geworfen und solche Kleinigkeiten, doch nachdem er erstmal seine Polizeimarke losgeworden ist und er im Diner eine Unterhaltung am Nebentisch mitanhört, dämmert ihm plötzlich, dass er Mildred vielleicht doch Unrecht getan hat und man den Mord an ihrer Tochter sehr wohl aufklären könnte. Er besorgt sich eine DNA-Probe des neuen Verdächtigen, die verläuft zwar im Sande, und doch tun er und Mildred sich zusammen, nehmen eine Flinte mit und wollen rüber nach Idaho, um sich den Knaben vorzuknöpfen, egal ob er’s nun war oder nicht. Gottlob geht ihnen unterwegs die Lust aus…

   Und so mäandert diese kuriose Story durch ihre zwei Stunden, und obwohl sie streckenweise höchst unterhaltsam sind, waren dies dennoch nicht die kürzesten zwei Stunden, die ich je im Kino durchlebt habe. Das liegt eben an diesem Mäandern, daran, dass sich wunderbare Sequenzen abwechseln mit eher weniger gelungenen, und wohl auch, dass sich Martin McDonagh nie richtig für einen thematischen Schwerpunkt entscheiden mochte. Das kann sehr abwechslungsreich und abenteuerlich werden, aber auch manchmal etwas ziellos und willkürlich wirken, je nachdem, wie gut McDonagh die jeweilige Szene gelungen ist, und da habe ich schon eine gewisse Streuung empfunden. Wie übrigens auch in den anderen beiden Filmen, die er geschrieben und/oder inszeniert hat und die ich von ihm kenne. Das Makabre, Brutale wechselt sich ab mit dem Melancholischen, Zärtlichen, und nie weiß man, was als nächstes um die Ecke biegt.

   „Three Billboards“ fängt jedenfalls ganz toll an, als kauzige, verschmitzte, herrlich relaxte Provinzfarce, in die sich alsbald tragische und dunkle Töne mischen. Große Klasse, wie McDonagh sich lustvoll in das archaische Milieu versenkt und sich erstmal Zeit nimmt, um uns Land und Leute vorzustellen. Ich habe mich innerlich so richtig breitgemacht in diesem Kaff und die einleitenden Dispute und Scharmützel genossen. Die Dialoge machen viel Spaß, träge, unflätig und randvoll trockenen Humors. Frances McDormand ist wie geschaffen für die Mildred und bleibt bis zum Schluss unser Dreh- und Angelpunkt, auch wenn ich sie zwischendurch auch mal gar nicht so gut leiden kann, denn ihre rabiate Selbstgerechtigkeit schert sich nicht um Grenzen und Maß, sie attackiert und verletzt gelegentlich auch recht wahllos und ohne Rücksicht auf die Folgen. Ich bin immer hin- und hergerissen in meiner Haltung zu ihr, mal gebe ich ihr aus ganzem Herzen recht, dann wieder habe ich das Gefühl, sie geht zu weit, sie will Rache, egal an wem. Natürlich, und das bringt McDormand toll zur Geltung, ist sie zutiefst verstört, verwundet, und Innern erschüttert, und auch Vergeltung wird sie nicht glücklich machen, nicht erleichtern. Zuletzt erkennt sie das sogar selbst und bricht die gemeinsame Mordmission in Idaho mit Dixon wohl auch ab. Andererseits schlägt unser Herz für sie, wenn sie den trägen Polizeiapparat herausfordert, provoziert, angreift, all die gleichgültigen Herren, denen ihr Verlust zwar irgendwie leid tut, die aber wirklich nicht den größten Einsatz bei der Suche nach dem Schuldigen zeigen. Sogar der Scheißpfarrer auf der Kanzel weist Mildred zurecht, stellt sich öffentlich auf die Seite der Obrigkeit, wo seine Agenda doch eine andere sein sollte. Die erste Hälfte des Films ist von diesem Konflikt bestimmt und daher deutlich kohärenter als die zweite, denn nach Willoughbys Tod franst die Story doch deutlich aus und verliert ihren Fokus. Mit Dixon rückt ein äußerst erratischer Charakter ins Zentrum der Geschichte, und ich für meinen Teil hatte anfangs Probleme, mich für ihn zu interessieren geschweige denn zu erwärmen. Das Duett Mildred – Willoughby war jedenfalls um vieles interessanter und witziger, und ich wäre froh gewesen, wenn es uns die gesamte Zeit über begleitet hätte.

 

   Und natürlich weht auch der Geist der Coens durch den Film, nicht nur wegen McDormand, sondern auch wegen der Mischung aus cool-nerdigem Witz und brachialen Gewaltausbrüchen. Das ist grundsätzlich erstmal nicht so mein Fall, aber McDonagh federt das Ganze gottseidank wirklich mit schön viel Humor und dem notwendigen Human Touch ab, sodass ich diesmal nicht die gleichen Einwände habe wie bei einigen der Coen-Filme. Aber da die Amis eben schon ihre Spezialisten auf dem Gebiet haben, kann McDonagh wegen mir gern wieder rüber auf die Grüne Insel kommen, wohin er gehört, denn Rauchzeichen aus Irland wären dringend mal wieder vonnöten. Aber das ist ein anderes Thema… (29.1.)