Entebbe (7 Tage in Entebbe) von José Padilha. England/USA, 2017. Rosamund Pike, Daniel Brühl, Denis Ménochet, Lior Ashkenazi, Eddie Marsan, Mark Ivanir, Ben Schnetzer, Peter Sullivan, Andrea Deck, Nonso Anozie

   Okay, soviel erstmal vornweg: Wenn man sich anschaut, welch dubiose Produktionen sich in den späten 70ern mit dem Fall Entebbe beschäftigt haben, dann kann man schon froh sein, dass es bei Padilha deutlich seriöser zugegangen ist. Ich meine, Klaus Kinski als Wilfried Böse – geht’s noch??? Was damals als reines Actionspektakel verwurstet wurde, erscheint hier schon abgewogener und komplexer, Padilhas Versuch, die verschiedenen Aspekte der Geschichte zu beleuchten, ist absolut lobenswert, ungeachtet der Frage nach den Qualitäten oder den Schwächen des Films. Und von beidem gäbe es einiges zu erwähnen.

   Die Geschichte an sich ist bekannt – die Entführung einer Air France-Maschine aus Athen Ende Juni 76 durch ein gemischtes Kommando aus palästinensischen und deutschen Terroristen, die Zwischenlandung beim Herrn Gaddafi in Libyen und schließlich das Ziel Entebbe beim Herrn Amin, die sieben Tage in einem verlassenen Terminal am Rande des Flugfeldes, die Freilassung aller nicht-jüdischen Geiseln, die Forderung der Terroristen, inhaftierte Genossen freizulassen, der Entschluss der Israelis, unter keinen Umständen zu verhandeln, sondern ein Kommando zur Befreiung loszuschicken und auch Tote in Kauf zu nehmen, der Militäreinsatz, der Tod sämtlicher Geiselnehmer und zahlreicher ugandischen Soldaten, die Befreiung fast aller Geiseln.

   Was macht Padilha gut? Er inszeniert überraschend unspektakulär und unpathetisch, verzichtet auf das große Spektakel, das sich natürlich gerade am Schluss angeboten hätte, als die israelischen Einheiten anrücken und den Flughafen sozusagen im Handstreich nehmen, er erzeugt dennoch durch seinen gewohnt dynamischen, intensiven Stil durchgehend sehr viel Spannung, eben auch ohne große Effekte, und er gibt uns ein Gefühl für das Drama, das sich an den unterschiedlichen Schauplätzen abspielt, indem er hin- und herschneidet zwischen Entebbe und Tel Aviv, wo einerseits die Terroristen mit sich und ihrer Mission ringen und so andererseits die verantwortlichen israelischen Politiker mit einer Entscheidung ringen. Ministerpräsident Rabin will eigentlich lieber verhandeln, weil ihm klar ist, dass dieser Krieg niemals ohne Verhandlungen beendet werden kann, während Verteidigungsminister Peres nach gängigem Muster vorgehen, also nicht verhandeln und lieber die Waffen sprechen lassen will. Die herrschende Doktrin lautet ja, niemals mit Terroristen zu sprechen, nach innen und außen Stärke zu demonstrieren, koste es, was es wolle. Rabin erinnert ihn an vergangene Fehlschläge, doch letztlich ahnt er, dass ein Abweichen von der Staatsräson auch ihn selbst in Schwierigkeiten bringen wird und so stimmt er Peres zu und schickt die Truppen los. Mindestens genauso spannend und interessant ist die Situation der Flugzeugentführer. Dort versammeln sich einige Aktivisten der PFLP, die natürlich genau wissen, wofür sie kämpfen, und die beiden Deutschen Brigitte Kuhlmann und Wilfried Böse, Mitglieder der „Revolutionären Zellen“, einer RAF-nahen Gruppierung aus Frankfurt, die ein Training im Jemen genossen haben und sich nun ihren palästinensischen „Genossen“ anschließen, und die eigentlich gar nicht so genau wissen, wofür sie in diesem Fall kämpfen. Kuhlmann verschanzt sich weitgehend hinter radikalen Parolen, gibt sich herrisch und autoritär, fühlt sich schuldig am Tod Ulrike Meinhofs kurz zuvor. Böse erscheint zunehmend verunsichert, was die „Mission“ angeht, zumal die Maßnahme, die jüdischen Passagiere zu „selektieren“ dem Vorgehen der Nazis im Krieg ähnelt, und auch aus den Reihen der Passagiere mehr und mehr der Vorwurf laut wird, hier werden Nazi-Methoden angewendet. Als er dann noch auf dem Unterarm einer Passagierin die eintätowierte Häftlingsnummer aus einem KZ sieht, ist seine Überzeugung zerbrochen, und so verzichtet er auch darauf, während der Erstürmung durch die die Israelis Geiseln zu töten, wozu er durchaus Zeit gehabt hätte. Von Anfang an sind sich die Terroristen untereinander nicht einig, wie vorgegangen werden soll. Die Palästinenser halten die Deutschen für Salonradikale, die keine Ahnung von den wahren Verhältnissen haben, die Deutschen ihrerseits halten den Palästinensern faschistoide Methoden vor. Kuhlmann und Böse sind auf ihre Art kennzeichnend für die Orientierungslosigkeit und den blinden Dogmatismus des BRD-Terrorismus, der sich bestens darauf versteht, Parolen zu zitieren, der sich irgendwie radikalisiert und ein Feindbild entwirft, der sich aber letztlich in der Wahl seiner Mittel und seiner Allianzen katastrophale, fast schon lachhafte Fehlurteile geleistet hat, vor allem die Verbindung mit den palästinensischen Freiheitskämpfern, die es nun mal hauptsächlich auf die Juden abgesehen hatten, war politisch betrachtet grotesk und völlig widersinnig, wie es Wilfried Böse ja auch erkennt. Padilha gelingen immerhin einige griffige Szenen, in denen er dieses Dilemma aufgreift und zu vertiefen versucht, nur…

   …und damit komme ich zur hauptsächlichen Schwäche des Films, tut er dies entschieden zu kurz und zu knapp, hätte entweder seine gut hundert Minuten besser nutzen oder sie am besten gleich durch fünfzehn oder zwanzig weitere ergänzen sollen im Dienste einer gründlicheren Schilderung. Die hat zumindest mir gefehlt in vielen Teilen, gerade wenn es um die unterschiedlichen Motivlagen der Terroristen geht, im Besonderen die palästinensischen, die im Vergleich zu Kuhlmann und Böse doch deutlich zu kurz kommen. Dass die Opferperspektive vernachlässigt wird, wie manche Kritiker mäkelten, finde ich vertretbar, denn um die geht es hier ganz einfach nicht. Aber ich möchte doch mal annehmen, dass Leute wie Kuhlmann und Böse mehr ausmacht als nur politische Parolen, und andererseits wäre ich sehr daran interessiert gewesen, etwas mehr über die Situation in Israel zu erfahren, die offensichtliche Konkurrenz zwischen Rabin und Peres, auch im Hinblick auf vergangene Erfolge und Misserfolge.

 

   Vieles wird also angerissen und halbwegs formuliert, zu wenig aber für meinen Geschmack ausreichend vertieft, und so erreicht Padilhas Film nicht ganz das Niveau, das er hätte erreichen können. Wie gesagt, himmelweit entfernt von den Haudraufprodukten der späten 70er, aber dennoch habe ich zum Thema Terrorismus bereits einige überzeugendere Filme gesehen in den letzten Jahren, „Carlos“ oder „Wer wenn nicht wir“, um nur zwei zu nennen, und an die reicht „7 Tage in Entebbe“ trotz starker Schauspieler und guter Regie nicht heran. (4.5.)