Abgeschnitten von Christian Alvart. BRD, 2018. Moritz Bleibtreu, Jasna Fritzi Bauer, Lars Eidinger, Fahri Yardim, Enno Hesse, Barbara Prakopenka, Urs Jucker

   Okay, ich geb’s zu – ich bin kein Fan von Sebastian Fitzek und seiner gesamten Zunft jener Thrillerautoren, die vor allem mit einer ebenso lebhaften wie total kranken Fantasie „gesegnet“ und immer nur auf den nächsten Knalleffekt aus sind. Je sadistischer und kranker, desto besser, das war nie meins und wird’s auch nicht werden. Andererseits mach ich immer gern mal einen Versuch mit deutschem Genrekino, und dachte so bei mir, meine bessere Hälfte und ich könnten auf diese Weise einen netten, aufregenden Nachmittag im Kino verbringen, doch selbst sie als begeisterte Fitzek-Leserin musste schlussendlich zugeben, dass das wohl nicht geklappt hat. Ob es sich hier um eine werkgetreue Verfilmung handelt, ist mir dabei komplett piepenhagen, weil mir das Werk an sich auch piepenhagen ist, aber ich kann schon beurteilen, ob dies ein schöner spannender Unterhaltungsfilm ist, und da muss ich sagen: Nö.

   Dass hier die Ekelschraube immer ein paar Umdrehungen weiter angezogen wurde, als gemeinhin notwendig gewesen wäre, finde ich nicht mal so sonderlich problematisch, das ist einfach nur alberne Effekthascherei, genauso, wie Fitzek sie auch praktiziert. Dass mir die ewige Mär vom sadistischen Serienmörder, der seine Morde trotz seines Wahnsinns genialisch und mit irrem Aufwand plant, langsam sonstwo steht, ist keine Frage, würde mich aber auch nicht schocken, wenn der Film denn wenigstens spannend wäre. Und dass mir die ewige Mär vom zu allem entschlossenen Rachemörder, der seinen blutigen Feldzug trotz seiner Verzweiflung genialisch und mit irrem Aufwand betreibt, langsam auch sonstwo steht, ist ebenfalls keine Frage, aber auch hier hätte ich durchaus ein Einsehen, wenn der Film denn spannend wäre.  Aber, und das ist das Problem, dieser Film ist nicht spannend, zu keiner Zeit und in keiner seiner einhundertdreißig absurd langen Minuten. Und dabei gibt er sich soooo viel Mühe: Jump scares in Hülle und Fülle, aufgeschnittene Leichen in Schlachthausquantität, blitzende Messerchen, unentwegt tutende und klingelnde und quäkende Handys, „schlaue“ Parallelmontagen, die uns Dummköpfe ordentlich ins Boxhorn jagen sollen, coole Bluffs und „überraschende“ Wendungen, die der Story angeblich einen immer neuen Twist geben. Christian Alvart ist ein mit vielen Wassern gewaschener Genreregisseur und weiß ganz genau, was das Publikum erwartet und braucht, und wie ein braver Schalterbeamter liefert er zuverlässig alles ab, so zuverlässig, dass ich ebensogut mit einer Liste dasitzen und einen Punkt nach dem anderen abhaken könnte, und am Ende wäre alles gewissenhaft abgearbeitet. Hier ist wirklich nichts neu, nichts originell, aber selbst das hätte mich nicht entscheidend gestört, wenn ich mich dabei gut unterhalten hätte.

   Was mir wirklich entscheidend gestört hat, und zwar von Anfang bis Ende, ist das vollkommene Fehlen jeglicher Plausibilität. Damit meine ich auf keinen Fall Realitätsnähe, denn von einem Psychothriller im Hollywoodformat erwartet ich sowas grundsätzlich erstmal nicht. Damit meine ich, dass ich zur Handlung und vor allem den handelnden Personen einen gewissen Bezug herstellen kann, mitfiebern, mitfühlen kann, kurz genau jene Bindung entwickele, die ich brauche, um einen solchen Film spannend zu finden. Keine einzelne der hier auftretenden Personen jedoch ist in irgendeiner Weise plausibel, sie alle sind zumeist extrem klischeehafte oder aus dem typischen Thrilleruniversum geklonte Funktionsträger, die an keiner Stelle im Geringsten an der Wirklichkeit andocken. Das geht für mich nicht. (Ich bin übrigens auch kein Marvel-Fan…) Hochrangige Darsteller wie Bleibtreu oder Eidinger können sich abrackern, wie sie wollen, sie können ihre Figuren niemals zum Leben erwecken, weil da überhaupt kein Leben in ihnen ist. Jasna Fritzi Bauer muss sich mit einem total abstrusen Part herumschlagen, Fahri Yardim gibt den unvermeidlichen „witzigen“ Sidekick, alles wie vom Reißbrett, alles komplett schematisch, und wenn ich’s nicht besser wüsste, hätte ich den Verdacht haben können, dass Till Schweiger seine Finger im Spiel hatte, denn der konstruiert sich ja auch immer seine ganz eigene Parallelwelt, in dem die Mechanismen auf wundersame Weise und nur seinen Regeln gehorchend ineinander greifen. So wie hier.

 

   Es lohnt sich echt nicht, alles aufzuzählen, was mich hier genervt hat, den ganzen wirren Hokuspokus, das aufgeblasene Getöse, die billige Computeroptik, denn ich will auf keinen Fall nochmal zwei Stunden mit diesem Film zubringen. Die ersten haben wir vollauf gereicht und mir zumindest die eine Sicherheit beschert, dass ich nämlich zukünftig auch im Kino und nicht nur im Buchhandel einen großen Bogen um den Namen Fitzek machen werde… (12.10.)