Auf der Suche nach Ingmar Bergman von Margarethe von Trotta. BRD, 2018.
In all den Filmen, die ich schon von der Grethe gesehen habe, und das sind nun doch ein paar, ist mir nie eine Verbindung zu Ingmar Bergman in den Sinn gekommen, weder thematisch noch künstlerisch noch sonstwie. Daher war ich etwas überrascht, von ihr plötzlich zu lesen und zu hören, dass der alte Schwede ihr großer Meister, ihr Über-Vater in Sachen Film ist und dass damals “Das siebente Siegel“ ihr persönlicher Weckruf für die weitere Zukunft war. Ein bisschen zwiegespalten (denn mir gefallen längst nicht alle Filme von der Grethe) aber auch neugierig machte ich mich also ran, widerstehen hätte ich zum einhundertsten Geburtstag des Meisters sowieso nicht können, denn auch für mich als Kinogänger war die Begegnung mit Bergman schließlich die alles entscheidende, die meine Liebe zum Medium endgültig beschließende, und nie werde ich diesen Abend vor mittlerweile dreiunddreißig Jahren vergessen, in München, in einer persönlich ausgesprochen kniffligen Situation, als ich „Abend der Gaukler“ sah, meinen ersten Bergman-Film, damals schon ein über dreißig Jahre alter Klassiker, der sämtliche Zuschauer im Theatina-Kino total und restlos verstummen ließ, eine Wirkung, die ich seitdem wirklich nicht mehr oft in dieser Weise erlebt habe und die fast schon alles über die Kunst dieses Regisseurs aussagt.
Von Trotta hat sich also zwischen Paris, München und Stockholm auf die „Suche“ nach Ingmar Bergman gemacht, was eigentlich etwas irreführend ist, denn suchen muss man den Kerl wirklich nicht, er ist allgegenwärtig in der Filmszene und auf den Insel Farö, wo er sein Leben beendet hat. Sie hat immerhin, und das ist ein großer Pluspunkt des Films, interessante und vom allgemeinen Kanon angenehm abweichende Gesprächspartner aufgetan, also ich meine, Liv Ullman muss natürlich dabei sein, aber al die anderen üblichen Verdächtigen fehlen, dafür kommen Kollegen wie Olivier Assayas, Mia Hansen Løve, Ruben Östlund oder Carlos Saura zu Wort, Jean-Claude Carrière ist dabei, sein Sohn Daniel Bergman hat sich bereit erklärt, sich zu äußern, schwedische Kenner und Biographen wie Stig Björkman ebenso wie einige Schauspieler, die mit ihm gearbeitet haben, also abgesehen von Ullman, schwedische und auch einige deutsche aus seiner Münchner Zeit. Ein paar Filmszenen werden eingebaut, ein paar Archivbilder, etliches aus privateren Beständen, und klugerweise versuchen von Trotta und ihr Co-Autor Felix Moeller (zugleich ihr Sohn) nicht, Anspruch auf ein vollständiges, objektives Porträt zu erheben. Der Künstler Ingmar Bergman steht natürlich im Zentrum, seine Bedeutung, seine Themen, seine Merkmale als Autor und Regisseur, sein Einfluss auf die Filmgeschichte und auch seine durchaus komplizierte Position in Schwenden selbst. Dazu muss ich echt nicht mehr viel sagen, alles ist längst gesagt, und dieser Film hat mir persönlich auch kaum neue Erkenntnisse beschert, fand ich aber auch nicht schlimm. Bemerkenswert immerhin zu erleben, dass auch solche modernen Leute wie Assayas oder Hansen-Løve, die ja auf den ersten Blick herzlich wenig mit Bergman gemeinsam haben, so voller Respekt und Bewunderung von ihm reden. Erhellend ist auf jeden Fall Ruben Östlunds Beitrag, der die innerschwedische Spaltung in das Ingmar-Bergman-Lager und das Bo-Widerberg-Lager beschreibt, eine offenbar mit großem Ernst und großer Verbissenheit betriebene Sache, die keine Kompromisse erlaubt und erst recht keine Übertritte. Ebenso spannend die etwas ausführlicherer Beschäftigung mit Bergmans München-Zeit, vor allem mit den Dreharbeiten zu dem weitgehend in Vergessenheit geratenen Marionetten-Film und einigen Darstellern daraus. Fand ich witzig, solche Leute wie Gaby Dohm oder Rita Russek, die heutzutage längst nur noch in TV-Konfektion zu sehen sind, im Zusammenhang mit Bergmans Universum zu erleben – oder sogar als gute Freundin des alten Herrn. Mit Daniel Bergman spätestens geht’s dann natürlich auch auf die private Schiene, und erwartungsgemäß hört sich all das nicht sonderlich nett an, hier zeigt sich das Porträt eines besessenen und selbstzentrierten Künstlers, der sich immer wesentlich mehr mit seinen Schauspielern beschäftigte als mit seinen zahlreichen Kindern, der sich mehr um sie kümmerte, sich mehr Gedanken über sie machte und sie auch mehr vermisste. Die Kinder, die er ja mit etlichen Ehefrauen hatte, fanden zumeist kaum Zugang zum Vater und hatten auch untereinander kaum Kontakt, trafen aller erstmals zu Opapas sechzigstem aufeinander, was schon einiges über Bergmans Qualitäten als Familienmensch sagt. Auch das ist alles nicht wirklich neu, gewinnt aber durch Daniel Bergmans unverblümten und unmittelbaren Worte eine sehr authentische Qualität.
Von Trottas selbst setzt sich auch regelmäßig ins Bild, schneidet sogar Szenen aus eigenen Filmen oder der Preisverleihung in Venedig rein, ohne dass mir der Grund dafür richtig klar wurde. Es sei denn, sie wollte auf direkte Einflüsse Bergmans aufmerksam machen (der grimmige Priester in „Die bleierne Zeit“ zum Beispiel). Anfangs kam mir das noch wie eine etwas aufdringliche Selbstdarstellung vor, doch später machte ich meinen Frieden damit, denn immerhin präsentiert die Grethe diesen Film auch als ein sehr persönliches Projekt und hat somit auch das Recht, sich selbst zu beteiligen.
Alles in allem ein interessanter Film, weniger weil er die Geschichte neu erfindet, sondern will sein Gegenstand halt so interessant ist und weil er mich daran erinnert, dass Bergman noch immer aktuell ist, auch wenn man das Gefühl hat, er gehöre mittlerweile in eine längst vergangene Epoche. Aber nein, er ist einer der wenigen wirklich Zeitlosen, einer, der überdauern wird, und für mich sowieso immer noch der Größte. (13.7.)