The Bookshop (Der Buchladen der Florence Green) von Isabel Coixet. Spanien/England/BRD, 2017. Emily Mortimer, Billy Nighy, Patricia Clarkson, Honor Kneafsey, James Lance

   Irgendwann in den 50ern: Florence Green, Kriegswitwe und seitdem überzeugt alleinstehend, kommt in den kleinen Küstenort Hardbororugh, bezieht dort das älteste Haus am Platz, einen seit langem leerstehenden und langsam aber sicher vergammelnden Kasten namens The Old House, nicht nur um dort zu leben, sondern vor allem, um ihren langgehegten Traum vom eigenen Buchladen zu realisieren. Damit ist sie sogleich in Dorn im Auge der wohlhabenden und einflussreichen Mrs. Gamart, die plötzlich verkündet, im Old House ein lokales Kulturzentrum etablieren zu wollen. Florence lässt sich nicht einschüchtern, öffnet ihren Laden, verzeichnet zunächst gute Einnahmen und macht auch die Bekanntschaft des etwas rätselhaften, verschrobenen Einsiedlers Mr. Brundish, den sie für die Romane Ray Bradburys begeistern kann, und der sie schlussendlich auch ermutigt, das just erschiene „Lolita“ anzubieten, gleichwohl wissend, dass Nabokovs Roman heftig umstritten ist in jener prüden Zeit. Mrs. Gamart und einige Verbündete hintertreiben derweil das Unterfangen, den Buchladen wieder loszuwerden, erstmal ohne Erfolg, doch schließlich hilft ihnen Mrs. Gamarts Neffe auf die Sprünge, denn der sitzt im Parlament und bringt ein dubioses Gesetz durch, das es erlaubt, unter bestimmten Umständen die Räumung alter Gemäuer zu erzwingen. Gegen dieses Gesetz ist Mr. Brundish machtlos, der ein letztes Mal an Mrs. Gamarts common sense appelliert und danach einer Herzattacke erliegt, und auch die couragierte Florence Green selbst ist machtlos und räumt das Feld, während ihre junge Ladenhilfe Christine das alte Haus enttäuscht und wütend in Brand setzt.

 

   Dieser Film hat mir einige Rätsel aufgegeben. Die meisten davon haben mit der Story zu tun und mit den handelnden Personen, genauer gesagt ihren Motiven und Beweggründen, von denen die meisten für mich bis zuletzt im Dunkel blieben, sich mir einfach nicht erschlossen haben. Und das ist einfach nicht gut in einer Geschichte, die im Wesentlichen von den Beweggründen der Handelnden vorangetrieben wird. Vieles andere, also eher kleinere Details, bleibt ebenfalls ominös, so auch die Rezeption des Skandalromans von Nabokov oder das Gefüge des Küstenortes insgesamt, der fast nur von kauzigen, schrägen Leuten bevölkert zu sein scheint. Das größte Rätsel aber dreht sich um die Frage, was Isabel Coixet bewogen haben mag, diesen Film überhaupt zu drehen. Ich habe sie ja noch als Regisseurin sperriger, eigenwilliger und brillanter Dramen in Erinnerung, doch ein Blick auf ihre jüngere Filmographie hätte mich schon warnen müssen, denn ganz offenbar ist die Dame entschlossen zur seichten Muse übergewechselt, und in diese Kategorie gehört „The Bookshop“ allemal. Eigentlich eine waschechte Pilcher-Story, und es finden sich hier auch ein paar nette Landschaftsimpressionen, doch hat sich Coixet letztendlich doch nicht zum Melodrama oder zum Kitschdrama entschließen können. Nicht mal das. Sie lässt zu keiner Zeit erkennen, wer oder was sie an diesem Projekt besonders interessiert hat, inszeniert die Geschichte vielmehr in eigentümlich sprödem, nichtssagendem Tonfall, oft wirkt er regelrecht unbeteiligt, insgesamt sehr modulations- und spannungsarm. Ständig warte ich darauf, dass sich in den Dialogen, den lang ausgedehnten Szenen etwas tut, dass der zentrale Konflikt auf den Punkt gebracht wird, doch nichts regt sich im Grunde, alles bleibt gedämpft, ein wenig leblos. Coixet etabliert Gut und Böse dermaßen steril und stereotyp, dass solch famose Akteure wie Emily Mortimer oder Patricia Clarkson überhaupt keine Chance haben, ein paar Zwischentöne beizusteuern, und Billy Nighy hat im Grunde nicht mehr zu tun, als so distinguiert und mysteriös zu sein wie häufig. Coixet hat vielleicht versucht, platte Effekte konsequent zu meiden, und das hat sie so eifrig betrieben, dass am Schluss fast gar nichts mehr geblieben ist als eine hübsch anzuschauende Hülle, die jedoch weitgehend leer ist. Für jeden erdenklichen Zweck fehlt es diesem Film Schwung und Aussagekraft: Fürs Drama, für die Liebesgeschichte, erst recht für die möglicherweise beabsichtigte Ode an die Literatur und die Freiheit des Geistes. „The Bookshop“ läuft einfach so seine Zeit ab, ziemlich weit entfernt von mir und berührt mich nicht, ärgert mich auch nicht sonderlich, aber das ist ja fast noch schlimmer. Ich komme raus aus dem Kino und weiß schon, dass ich den Film in kürzester Zeit vergessen haben werde, und das bin ich von Isabel Coixet nun wirklich nicht gewohnt, ganz im Gegenteil, bisher haben ihre Filme immer nachgewirkt, haben mich bewegt oder angeregt. Der hier kriegt nix davon zuwege, er ist im Grunde egal, und das finde ich doch ziemlich traurig. (24.5.)