The Post (Die Verlegerin) von Steven Spielberg. USA, 2017. Meryl Streep, Tom Hanks, Bruce Greenwood, Sarah Paulson, Bob Odenkirk, Tracy Letts, Bradley Whitford, Matthew Rhys, Alison Brie, Carrie Coon, Jesse Plemons
Okay, also erstmal tiiief durchatmen – Meryl Streep und Tom Hanks in einem Film! Das hört sich an wie Höchststrafe, würd ich auch normalerweise nie und nimmer machen, erst recht nicht, wenn Märchenonkel Spielberg an den Reglern sitzt, aber ab und zu haben die Filme dieses Knaben halt die Eigenschaft, ziemlich interessante Sujets zu versprechen, und bei Stichwörtern wie Vietnam, Nixon, Whistleblower, Pressefreiheit, da konnte ich einfach nicht widerstehen. Und ich hab’s auch nicht bereut – der Film ist wirklich sehr ansehnlich, auf jeden Fall einer von Spielbergs besten (was auch immer das bedeuten mag…), und er transportiert mich für zwei Stunden zurück in die frühen 70er, in die Zeit der Umbrüche, der Turbulenzen, des New Hollywood, in die Zeit, da Medien wie Presse oder Kino tatsächlich noch massive gesellschaftliche und politische Relevanz besaßen – jaja, lang ist’s her!
Die ersten fünf Minuten oder so hätte Spielberg sich gern schenken können. Ein kurzes Scharmützel aus dem Vietnamkrieg, das hätte ich wahrlich nicht gebraucht, um ins Thema zu kommen, und wohl auch niemand sonst, denn die enorme Brisanz der Diskussion, die damals jahrelang die US-amerikanische Öffentlichkeit entzündete und prägte, wird uns auch so klar. Wir sehen Daniel Ellsberg vom State Department, entsetzt und ernüchtert von dem, was er an der Front erlebt, verstört und angewidert von der Diskrepanz zwischen dem, was die Soldaten durchmachen müssen und wie es anschließend von ihren Politiklern daheim verkauft wird, von McNamaras Doppelzüngigkeit, allgemein von den ganzen Lügen der Leute rund ums Weiße Haus, die nicht müde werden, die Wichtigkeit und Notwendigkeit dieses „militärischen Engagements“ zu betonen und ebenfalls nicht müde werden, große Fortschritte und Erfolge zu preisen. Ellsberg ist es schließlich, der das Ganze ins Rollen bringt, indem er fünf Jahre nach seiner Rückkehr nach Washington kurzentschlossen ein umfangreiches Dossier an sich nimmt, viele tausend Seiten, die vier Präsidentschaften umfassen und vor allem dokumentieren, dass nie irgendjemand ernsthaft an den Erfolg der Vietnammission geglaubt hat, weder Truman noch Eisenhower noch Kennedy noch Johnson. Sie alle wussten im Grunde ihrer Vernunft, dass das Ganze Wahnsinn, Verschwendung und sinnlos war, und sie betrieben es trotzdem, weil Amerika nach außen nicht sein Gesicht verlieren sollte und sie ihrerseits nach innen ihr Gesicht nicht verlieren wollten. Und Nixon sowieso, und deshalb war der natürlich sehr daran interessiert, dass diese Unterlagen niemals das Gesicht der Öffentlichkeit erblicken würden. Ellsberg aber zieht sich Kopien und spielt sie zunächst der New York Times zu. Nixon ist nicht amüsiert und holt den Hammer raus, verbietet die Veröffentlichung, verweist auf mögliche Gefährdung der nationalen Sicherheit. Und hier kommt die Washington Post ins Spiel, die Post des Titels also. Die hat seit einigen Jahren einen neuen Chef, Katharine Graham, die das Ruder nach dem Freitod ihres Mannes 1963 übernommen hat und der von Anfang an niemand zutraut, dass sie als Frau der Herausforderung gewachsen ist. Sie selbst traut sich das auch nicht so recht zu, aber sie hat diesmal kaum Zeit, darüber nachzudenken, denn ihr Chefredakteur Ben Bradlee hat Wind von den Pentagon-Papieren bekommen und ist nun geradezu besessen davon, sie in die Hände zu kriegen und sie schnurstracks zu veröffentlichen, natürlich auch als Demonstration für die Pressefreiheit. Und natürlich macht ein findiger Redakteur Teile der Papiere bald ausfindig, und damit geht für Katharine ein banger Entscheidungsprozess los: Steht sie hinter Bradlee, riskiert sie womöglich die wirtschaftliche Zukunft der Post, denn die ist gerade an die Börse gegangen, und die Anleger sind natürlich sehr empfindlich, wenn es um politischen Zündstoff geht. Und sie riskiert, sich endgültig innerhalb des Konzerns total zu isolieren, denn so richtig fest hat sie nie im Sattel gesessen. Und sie riskiert den Ruf des Blattes, das sie eigentlich vom Ruch der Provinzzeitung befreien möchte. Und sie riskiert die langjährige enge Freundschaft mit Robert McNamara, dem es natürlich gehörig an den Kragen ginge, wenn die Papers veröffentlich werden würden. Andererseits ist ihr nur zu klar, worum es Bradlee geht und worauf er so vehement und unerbittlich pocht: Die Freiheit der Meinungsäußerung und der Berichterstattung allgemein, und in diesem Fall im Besonderen die Pflicht der Presse, all die seit Jahrzehnten währenden Lügen und Verschleierungen und Schönrednereien der verschiedenen Regierungen bekannt zu machen und den Leuten zu erläutern, wie lang und wie gründlich sie von ihren Präsidenten seit Truman beschissen wurden und noch immer werden. Ein intensives Ziehen und Zerren geht los, Anwälte werden eingeschaltet, Nixon droht und grummelt, Bradlee insistiert, die Mahner und Zauderer mahnen und zaudern – und schließlich legt sich Katharina fest: Wir bringen die Geschichte, wir drucken sie. Was folgt, ist unvermeidlich, nämlich eine hochemotionale und bedeutsame Gerichtsverhandlung, an deren Ende es ein klares Urteil zu ihren Gunsten gibt, zugunsten der Times und der Post nämlich. Tja, und dann kam Watergate, aber das ist eine andere Geschichte…
Ganz zuletzt gehen dann doch die Emotionen durch Mr. Spielberg, und er lässt sich zu einer kurzen flammenden Liebeserklärung an America, Land of the Free, hinreißen, aber innerhalb von zwei Stunden kann man das verkraften, zumal es ansonsten erfreulich wenig Pathos gibt, dafür sehr viel Spannung auf verschiedenen Ebenen. Sowohl Grahams innere Kämpfe als auch die nach außen werden gründlich und eindringlich präsentiert, und dazu gehört auch ein kurzes aber bissiges Schlaglicht auf die sogenannte politische Kultur jener Jahre, und die sah es nun mal nicht vor, dass Frauen irgendwie dazugehörten. Es gibt eine schön prägnante Dinnerszene, die das ganze Elend umreißt: Sobald einer der Herren ein im weitesten Sinne politisches Thema auf den Tisch bringt, erheben sich sämtliche Ladies wie auf ein geheimes Signal und wissen, dass ihr Platz von an im Salon nebenan ist – und Katharina geht wie selbstverständlich mit. Mit diesen Strukturen muss sie sich jahrelang herumschlagen, und es dauert tatsächlich bis hierher, bis sie sich endlich traut, ein einziges Mal autoritär zu sein und ihre Widersacher in die Schranken zu weisen, einfach aufgrund ihrer hierarchischen Position. Zunächst scheint sie erschrocken über sich selbst, doch dann erkennt sie, dass die Männer nur diese Sprache verstehen und sich letztlich unterordnen. Das halb überraschte und halb zufriedene leichte Lächeln danach kann Meryl Streep wohl noch im Schlaf produzieren, so gekonnt untrainiert sieht es bei ihr aus. Spielberg schafft es sehr gut, die wesentlichen Konfliktlinien und Themen überaus pointiert zu umreißen und dicht an ihnen dranzubleiben ohne viel Brimborium, anders als die besagten ersten fünf Minuten befürchten ließen. Da dacht ich schon, oh shit, das wird ein neuer Private Ryan oder so. Das ist gottseidank nicht der Fall, denn dies ist ein sehr konzentrierter, dichter, sehr gut geschriebener Politthriller ohne große Effekthascherei und unnötiges Actiongedöns, dafür mit gutem Gefühl für die Relevanz der Angelegenheit und für eine klare politische Aussage, die, das muss jetzt eigentlich nicht noch dazu gesagt werden, im Trump-Amerika so maßgebend ist wie lange nicht. Das Duo Streep-Hanks ist routiniert und uneitel genug, um sich dem Gesamtkonzept völlig unterzuordnen und keine Solonummer draus machen zu wollen. Hier spielt ein gut besetztes Team mit zwei Stars, die diesmal gar nicht so sehr auffallen. Naja, haben sie ja auch nicht mehr nötig, gelt. Insgesamt ein wirklich guter US-Film, wie es häufig vorkommt, wenn es um solche Belange geht, wenn es den engagierteren US-Filmemachern an ihren liberalen Stolz geht, an ihre nationale Identität. Kritische Patrioten nennt man die, oder? Mir ist ihre Sichtweise zwar in vieler Hinsicht ziemlich fremd, aber die Filme, die regelmäßig dabei rauskommen, die gefallen mir trotzdem, denn die haben wenigstens mal was zu sagen… (22.2.)