Dinky Sinky von Mireille Klein. BRD, 2016. Katrin Röver, Till Firit, Ulrike Willenbacher, Michael Wittenborn, Katharina Hauter, Nora Buzalka, Daniel Flieger

   Die letzte Szene hat Symbolcharakter, sagt im Bild mehr als viele Worte. Mitten im München-Marathon unterquert Frida plötzlich die rot-weiße Bande und biegt ab, steigt einfach aus, läuft ihren eigenen Weg weiter. Wohin, weiß sie wahrscheinlich selbst nicht, und diese Ratlosigkeit überträgt sich auch ein bisschen auf mich. Tja, was nun? Wie soll’s weitergehen mit der Frida, der ich nun neunzig geschlagene Minuten zugesehen habe, wie sie sich Stück für Stück aus ihrem gesamten Leben rausgekickt hat. Eine Midlife-Crisis, wie es ausschaut, die jeden Kerl blass werden lässt vor Neid. Gründlich und destruktiv und leider auch nicht sooo lustig. Genau das hatte ich aber erwartet, also jetzt keinen durchgängig lustigen Film, doch wenigstens einen, der ernst und lustig besser mischt. Das gelingt Mireille Klein ihrem Film für meinen Geschmack nicht ganz so gut, und so blieb mir zumindest ein etwas trübseliger Nachgeschmack in den Kleidern hängen, und das ist ein Gefühl, das ich diesmal gar nicht haben wollte.

   Und dabei gibt’s hier auch viele richtig gute Sachen. Die Geschichte zum Beispiel und die Figuren sind so richtig schön tief im Alltäglichen verwurzelt mit lediglich einigen leicht skurrilen Ausreißern, die genau dieses Normale sanft ironisch kommentieren. Leider kommt uns diese Ironie mit zunehmender Dauer immer mehr abhanden bis hin zu dem etwas abrupten Ausklang – wohlgemerkt, ich bin absolut kein Fan von großem Happy End und bevorzuge deutlich Filme wie diesen, die sich vom allmächtigen Wohlfühlschema entschlossen absetzen, hätte aber der Frida wenigstens den einen kleinen Hoffnungsschimmer gegönnt – und mir auch…

   Diese Frida ist eine hübsche blonde Sportlehrerin Mitte dreißig, lebt in München zusammen mit ihrem Freund Tobias, und es ist Sommer, und irgendwie könnte eigentlich alles gut sein, wenn da nicht dieser drängende, obsessive Kinderwunsch wäre, der Frida quält und der partout nicht in Erfüllung gehen will. Tobias hat schon ne ganze Menge mitgemacht, jahrelanges Vögeln nach Plan zum Beispiel, und dem Doktor fällt auch nicht viel ein, wenn man nicht zu den etwas extremeren Befruchtungsmaßnahmen übergehen will, Und darüber wird die Beziehung zerbrechen – Tobias möchte lieber mal eine Pause machen, Frida will im Gegenteil jetzt aufs Ganze gehen, und schließlich schleicht Tobias sich nach Männerart mehr oder minder wortlos aus der Affäre, zieht einfach auf und bescheidet Frida lediglich mit der Auskunft, er wolle nicht länger ihr Zuchthengst sein. Fridas Entschlossenheit nimmt immer wahnhaftere Züge an und isoliert sie zunehmend von ihrer Umwelt. Sie versucht‘s mit Online-Dating, doch erwartungsgemäß ohne Erfolg. Mit fast böswilliger Konsequenz werden all ihre Freundinnen Stück für Stück schwanger, und für Frida bleibt nur die Rolle der eifrigen Beraterin. Überall Fruchtbarkeit und Nestbau, sogar die Mama angelt sich einen neuen Lover, die aber vor allem dumme, großspurige Sprüche auf Lager hat. Dann geht alles ganz schnell: Frida muss die Wohnung aufgeben, die Mama will ihr kein Geld für die Samenbank in Holland geben, in der Schule kommt’s zur Katastrophe, als den Schülerinnen ihr Kalender in die Hände fällt, in dem sie penibel Buch führt über die Fruchtbarkeitszyklen der Mädchen, und zu allem Überfluss hat Tobias bald ne Neue und die wird natürlich prompt auch nicht trächtig. Tja, schlimmer kann es eigentlich nicht mehr kommen, und so erscheint Fridas finales Ausscheren beim Marathon tatsächlich als sinnfälliges Bild dafür, dass sie nun ganz neu anfangen, alles hinter sich lassen muss.

 

   Katrin Röver spielt die Frida wirklich klasse, und trotz all ihrer durchaus unangenehmen Momente mag ich sie irgendwie, was zunächst ein Verdienst Rövers ist, aber auch der Regie, die sie bis zuletzt nie fallen lässt, auch wenn sie uns manchmal ganz schön auf den Senkel geht mit ihrer Fixierung. Im Grunde ist sie eine ganz normale Stadtneurotikerin aus dem Hier und Jetzt, mal liebenswert und verletzlich und mal verbissen und zickig, und genauso menschlich und jederzeit wiedererkennbar sind auch ihre Mitmenschen, der Freund, die Freundinnen, die Mama, der Kollege an der Schule, die Schülerinnen, und an sich ist es Mireille Klein schon gut gelungen, Fridas allmählichen Realitätsverlust in prägnanten und manchmal recht schmerzhaften Szenen einzufangen. Wie ihr das eigene Leben komplett wegrutscht, wie ihre ganze Vision von Mutter sein, Familie, Beruf und so weiter am Ende komplett den Bach hinuntergegangen ist, das wird schon ganz gekonnt im Drehbuch skizziert, und ganz abgesehen davon, dass mir persönlich dieser monomanische Wunsch nach Nachwuchs ziemlich fremd ist, kann ich hier und da wirklich mit Frida mitfühlen. Und trotzdem fehlt mir was und das ist ganz einfach zwischendurch mal ein wenig mehr Spaß, ein wenig mehr Witz, etwas, das den unaufhaltsamen Niedergang der armen Frida ein wenig abfedert. Aber es findet sich rein gar nichts in dieser Münchener Low-Fi-Produktion, und wenn die Frida am Schluss einfach aus unserem Blickfeld verschwindet und niemand eine blasse Ahnung hat, wie es mit ihr weitergehen wird, ob sie beispielsweise ablassen wird von ihrer Obsession oder ob sie sie auf die eine oder andere Weise noch weiter trieben wird, dann macht sich bei mir eine unangenehme kleine Leere breit, und die hat der im Grunde ganz gut gemachte und vor allem sehr gut gespielte Film nicht recht verdient. (15.2.)