Hereditary von Ari Aster. USA, 2018. Toni Collette, Alex Wolf, Gabriel Byrne, Milly Shapiro, Ann Dowd

   Horrorfilme (wenn ich überhaupt mal einen ansehe) messe ich irgendwie mit anderen Maßstäben als andere Filme. Zwangsläufig. Logik, Realitätsnähe, Wahrscheinlichkeit – alles Kriterien, die beim Horrorfilm nicht so zum Tragen kommen, auch nicht müssen, denn ein Horrorfilm spricht andere Ebenen an, schon klar. Aber – ein bisschen, wenigstens ein bisschen Sinn sollte die Story doch ergeben, und wenn selbst das nicht der Fall ist, muss der Film schon dermaßen gut gemacht sein, dass ich vor lauter Hosenflattern auf gar nix anderes mehr achte. Siehe zum Beispiel „A quiet place“ aus diesem Jahr, geradezu ein Paradebeispiel für diesen Effekt.

     Auf „Hereditary“ trifft leider nichts von dem zu, was einen guten Horrorfilm für mich ausmacht – schade. Ich hab mich zugegeben von vielen vielversprechenden Rezensionen verleiten lassen und dann zwei lange Stunden im Mitternachtskino vergeudet, nur um am Ende festzustellen: Das war wohl nix. So einfach ist das. „Herediatry“ ist in meinen Augen fast komplett misslungener Murks, da können mich all die euphorischen Meinungen nicht umstimmen.

   Eine ansprechende Ausgangslage ist dabei durchaus gegeben: Nach Grandma Grahams Tod kommt allmählich eine unheilvolle Erblinie im weiblichen Zweig der Familie zum Vorschein: Oma irre, Mama Annie zumindest ziemlich schräg, und Enkelin Charly ist auch nicht recht von dieser Welt, macht komische Geräusche, malt komische Dinge, und schon ein Blick in ihr merkwürdig verformtes Gesicht lässt Düsteres ahnen. So ein bisschen im Stil von „Der Exorzist“ oder so. Dann aber haut sich Charly nach zwanzig Minuten ungefähr ihre Rübe in voller Fahrt an einem Telegrafenpfosten weg, und plötzlich sitz ich da und frage mich, okaaaay, in welche Richtung wird sich diese Story jetzt wohl wenden, wo die gruseligste Person weit und breit nicht mehr da ist? Und eine Stunde später ertappe ich mich bei derselben Frage, bin kein bisschen schlauer geworden, nur deutlich genervter. Der ganze Film zerfasert total, die endlosen ominösen Andeutungen laufen ins Nichts, einzelne Themen tauchen mal kurz auf und verschwinden dann im Nirgendwo, und gegen Ende nimmt der ganze Quatsch dann eindeutig groteske bis lachhafte Züge an. Toni Collette, die sich bis dahin wirklich sehr eindrucksvoll bemüht, eine Mutter am Rande des Wahnsinns so intensiv wie möglich zu porträtieren und deren entfesselte Mimik sicherlich die einzigen Momente wahren Horrors erzeugt, hat einen Abgang weit jenseits unfreiwilliger Komik, und die letzte Szene mit den Satanisten in der Holzbude kann nur als Hommage an Polanskis „Rosemary‘s Baby“ gesehen werden, nur hat sie nicht diese Wirkungskraft des alten Klassikers. Weil zuvor alles längst in wilder Konfusion kaputtgemacht worden ist und weil die Geschichte um Okkultismus und Spiritismus überhaupt keinen überzeugenden Fokus findet. Alles, was zum Geisterfilm gehört, wird aufgeboten, aber mir kam das eher sinnfrei denn spannend vor – und gruselig fand ich‘s irgendwo auch nicht, und das ist ja wohl das Mindeste, was ich von einem solchen Film erwarten kann. Und mein Mitgänger und ich waren wirklich wild entschlossen, uns gruseln zu lassen mitten in der Nacht. Oder doch – eine Sache hat mich wirklich verstört, und das ist der Abspann, zu dem Judy Collins „Both sides now“ trällert und ich mich fragen muss, wer jetzt zuviel Peyote eingeschmissen hat, ich oder die Macher des Films…

 

   Also, nichts und niemand kann mich davon überzeugend, dass „Hereditary“ Teil des neugeborenen US-Horrorfilms ist. Und wenn doch, so wird es damit nicht weit her sein, da müssen schon deutlich bessere Filme kommen. Ich weiß allerdings nichts, ob ich Lust habe, das auch noch am eigenen Leibe zu probieren… (7.7.)