Juliet, naked von Jesse Peretz. USA/England, 2018. Rose Byrne, Ethan Hawke, Chris O’Dowd, Azhy Robertson, Lily Brazier, Ayoola Smart, Denise Gough
Annie und Duncan fristen eine recht freudlose, nach fünfzehn Jahren längst in Alltäglichkeit abgesoffene Beziehung in einem englischen Küstenstädtchen. Ihr Frust führt vor allem darauf zurück, dass er einen obskuren, seit vielen Jahren abgetauchten US-Indierocksänger namens Tucker Crowe glühend verehrt und ihm und der Online-Fangemeinde weitaus mehr Enthusiasmus und Gefühl widmet als ihr. Völlig zufällig gerät sie eines schönen Tages ohne Duncans Wissen in einen Chat-Kontakt mit Tucker, und als der mit seinem kleinen Sohn kurze Zeit später in London auftaucht, stellt sich schnell heraus, dass die beiden auch über den unverbindlichen Rahmen hinaus viel Sympathie füreinander haben. Nun bringt aber auch Tucker eine Menge Familien- und Beziehungsballast mit sich, und so finden die beiden für den Moment nicht zusammen, obwohl Duncan den Weg praktisch frei macht, indem er sich kurzfristig mit einer Kollegin an der Uni einlässt. Der Moment scheint vorüber, doch immerhin schafft es Annie endlich, sich aus der Kleinstadtenge zu lösen, nach London zu ziehen und dort neu anzufangen. Und ein Jahr später trifft sie dort auch Tucker wieder…
Keine Frage, es gibt bessere Stories von Nick Hornby und auf jeden Fall auch bessere Verfilmungen eines seiner Werke. Dies ist eine hübsch altmodische romantische Komödie im Stil und Geist der 90er, sehr vorhersehbar in allem, vielleicht hier und da mit ein paar leisen Haken und Ösen versehen, doch vor allem was die Inszenierung betrifft deutlich hinter den besten Hornby-Filmen zurück, einfach weil der Regisseur Jesse Peretz selten das richtige Timing findet und etliche Hänger und Leerstellen erzeugt, die die Stimmung immer wieder runterfahren. Der Versuch, verschiedene Lebensentwürfe mitsamt enttäuschten Hoffnungen und Erwartungen gegeneinander zu halten und daraus eine nach vorn schauende Perspektive zu entwickeln, ist nicht ganz leicht umzusetzen und endet oft in Albernheit oder Wehleidigkeit, und zu diesem Thema kenne ich eine Menge viel besserer und auch unterhaltsamerer Filme. Was „Juliet, naked“ für mich einnehmen könnte, sind einerseits die wirklich sympathischen Akteure und andererseits Nick Hornbys ewiges Lieblingsthema, nämlich die Liebe zur Musik, besser gesagt die Liebe der Männer zur Musik und der unlösbare Konflikt, den die Frauen deswegen haben. Denn die werden natürlich nie begreifen, wieso die Männer bei entsprechender Musik so völlig aus sich herausgehen und plötzlich Gefühle offenbaren, die sie ihnen gegenüber niemals zu zeigen imstande wären. Und wie sollte man(n) ihnen das auch halbwegs plausibel erklären? Hornby hat es immer geschafft, das Närrische, das Einfältige, das Autistische an diesem Hobby zu beschreiben, ohne die Jungs zu denunzieren und komplett lächerlich zu machen. Denn er selbst gehört natürlich auch dazu, wohl wissend, wieviel Schaden und Kummer damit manchmal angerichtet wird. Im Falle Duncans ist das nicht ganz leicht, denn seine Verehrung für Tucker Crowe nimmt schon religiöse Züge an, und jeder wird nachvollziehen können, dass sich seine Freundin früher oder später krass vernachlässigt fühlen muss. Als Duncan dann unter eher unglücklichen Umständen auf sein großes Idol trifft und ihn mit seiner Schwärmerei konfrontiert, erntet er nur Unverständnis, Ablehnung und beißenden Hohn, was für kurze Zeit eine ganz andere Note in den Film bringt, die dann aber schnell wieder vom Wohlfühlmoment überdeckt wird. Ich weiß nicht, wie Hornby damit in seinem Roman umgeht, weil ich ihn nicht kenne, aber der Film begnügt sich damit, etliche Probleme aus dem Zwischenmenschlichen anzureißen und dann stehenzulassen bzw. in Beliebigkeit auszuschleichen. Es soll halt eine Komödie bleiben, schon klar.
Also, insgesamt eher leichter, gefälliger Stoff, nicht sehr pointiert inszeniert, sehr schön gespielt allerdings und mit einem netten Soundtrack unterlegt, der seinen Höhepunkt in Ethan Hawkes gefühlvoller Version von „Waterloo Sunset“ findet. Da bin ich für zwei Minuten mal ganz bei Nick Hornby und vergesse einfach den Rest drumherum. (20.11.)