Mackie Messer – Brechts Dreigroschenfilm von Joachim A. Lang. BRD/Belgien, 2018. Lars Eidinger, Hannah Herzsprung, Tobias Moretti, Joachim Król, Robert Stadlober, Claudia Michelsen, Christian Redl, Peri Baumeister, Britta Hammelstein, Maike Droste, Godehard Giese
Also, ob ich diesen Film so richtig gut finde, weiß ich gar nicht, ich glaube eher nicht, dessen ungeachtet kann ich ihm aber nicht absprechen, dass er mich gut zwei Stunden lang angeregt hat, zu Zustimmung ebenso wie zu Widerspruch, in jedem Fall aber zur Auseinandersetzung. Und das ist, wie man weiß, keine Selbstverständlichkeit, im Gegenteil eher schon eine Rarität. Hier geht’s um Kunst, um das Recht des Künstlers an seinem Werk, um das Recht eines anderen daran, um die Autonomie des Werkes und daran, wie es in bestimmtem Kontext rezipiert wird und wie wandelbar es unter Umständen sein kann. Klingt nach Kopfkino – isses auch, obwohl die Macher einigen Aufwand betrieben haben, um es nicht so ausschauen zu lassen.
Als Bertold Brechts „Dreigroschenoper“ Ende der 20er wider jedes Erwarten in Berlin wie eine Bombe einschlägt und die Spaßgesellschaft dieser Zeit Kurt Weills geniale Hits vergnügt mitgröhlt und jede Aufführung zu einem Happening macht, vollzieht der Herr Autor eine veritable Kehrtwendung in der Frage, ob er sein Werk vielleicht zur Verfilmung freigeben werde. War das Filmvolk für ihn stets ein Haufen grenzdebiler Einfaltspinsel, reizt ihn nun auf einmal die Möglichkeit, seine Oper höchstpersönlich und ganz nach eigenem Gusto auf die Leinwand zu bringen. Das Angebot der Nero-Film scheint verlockend, doch je länger die Herren im Gespräch sind, desto klarer wird allen Beteiligten, dass sie wohl kaum zusammen kommen werden, denn Brecht besteht natürlich darauf, dass jedes noch so pikante Detail des Textes übernommen wird, während die Herren von Nero ständig auf die Zensur und den Anstand und überhaupt hinweisen – und letztlich auch darauf, dass sie dem Herrn Brecht ein hübsches Sümmchen für die Filmrechte hingeblättert haben und daraus das recht ableiten, mit dem Stoff nach eigenem Ermessen zu verfahren. Die Sache geht vor Gericht, Brecht verliert den Prozess und zieht sich gekränkt zurück. Parallel dazu durchlebt die Dreigroschenoper immer neue Variationen und Wandelungen, es entspinnt sich ein fließender, übergangsloser Dialog zwischen tatsächlichem Geschehen und den aufgeführten Szenen. Wiederum parallel dazu gibt’s ein paar Schlaglichter aus Brechts Privatleben, der angespannten Beziehung zu Helen Weigel, der Arbeitsbeziehung (die er gern ausbauen würde) zu Elisabeth Hauptmann, der ebenfalls recht angespannten Arbeitsbeziehung zu Lotte Lenya, der ebenfalls recht angespannten Arbeitsbeziehung zu Carola Neher und seiner zunehmend angespannten Lebenssituation im Ganzen, zusammenhängend natürlich mit dem Aufkommen des Faschismus in Gestalt der Schlägertruppen der SA, die die Aufführung immer häufiger stören. Am Schluss machen er und Weigel sich unmittelbar nach dem Reichstagsbrand auf den Weg ins Exil.
Ein Film reich an Themen und Eindrücken, ein Film auch, der offenkundig eine sehr hohe Meinung von sich selbst hat und diese Zufriedenheit durchgängig zum Ausdruck bringt. Manche Momente sind brillant gelungen, andere deutlich weniger, vor allem die Aufführung der Oper selbst, eigentlich eher der Songs. Üppig ausgestattet, randvoll mit Tanz und Turbulenz, entwickeln sie ein sehr eitles Eigenleben, das ich zuletzt als sehr störend empfand und das für mein Empfinden auch reichlich wenig mit dem Brechtschen Theaterbegriff zu tun hat, sondern eher mit einem Regisseur, der sich an seiner eigenen Virtuosität berauscht. Über die Pracht dieser ausführlichen Szenen geraten viele andere, interessantere Themen klar ins Hintertreffen, und so bleibt ein etwas unausgewogener Mix aus Kabinettstückchen und kurzen Einsprengseln, die sich mit jenem berühmten Prozess befassen, über den ich gern mehr erfahren und gewusst hätte. Auch diese Szenen haben einen eher theatralischen, clownesken Zug, was teilweise recht amüsant ist, aber manchmal auch einfach den Blick verstellt. Zudem sehen wir hier einen Bertolt Brecht, der sich hinter Brille und ewiger Zigarre versteckt und der sich nur in druckreifen Sentenzen äußert, wörtlichen Zitaten, wie anfangs stolz vermeldet wird. In Eidingers Version tritt er als blasierter Macho auf, zu dem ich keinerlei Beziehung finden konnte, und ich wage mal zu bezweifeln, dass ein kritisches Porträt des Künstlers auf dem Höhepunkt seines Ruhms beabsichtigt war. Die vielen Frauen an seiner Seite umschwirren ihn zwar unablässig, haben jedoch wenig bis gar kein eigenes Profil, und Robert Stadlobers Kurt Weill hat ebenfalls kaum eine Möglichkeit zur Entfaltung. Angesichts der vielen exzellenten Schauspieler könnte man fast schon ein wenig von Verschwendung sprechen. Eher schon kommen die Figuren aus der Dreigroschenoper zum Zuge, und wenn man den ganzen Pomp mal abzieht, gibt‘s schon einiges zum Genießen, denn was Leute wie Król, Redl, Herzsprung oder Moretti hier abliefern, ist schon sehenswert und absolut großartig und den Kinobesuch an sich schon wert, und selbst die unvermeidliche Claudia Michelsen macht ihren Job anständig. Die besondere Sprengkraft des Stoffs, die völlige Einzigartigkeit der Oper, die den ohnehin bunten Berliner Theaterbetrieb in den späten 20ern nochmal total durchrüttelte, wird in diesen Momenten lebendig und greifbar, auch wenn die Inszenierung wie gesagt für meinen Geschmack viel zu überladen ausgefallen ist.
Am Ende bleibt bei mir der Eindruck eines teilweise sehr anregenden Kinoabends, in dem aber auch recht viel heiße Luft produziert wurde und in dem leider auch nicht jedes spannende Thema auf den Punkt gebracht wurde. Ehrgeizig ist das alles, zweifellos aus dem Rahmen fallend und wie gesagt erstklassig gespielt, zwischendurch aber hatte ich immer mal das Gefühl, dass sich der Eidinger und der Regisseur ziemlich häufig gegenseitig auf die Schulter klopfen… (25.9.)