D‘àprès une histoire vraie (Nach einer wahren Geschichte) von Roman Polanski. Frankreich/Polen, 2018. Emmanuelle Seigner, Eva Green, Vincent Perez, Josée Dayan, Dominique Pinon
Delphine ist eine sehr erfolgreiche, mit der Zeit aber auch zunehmend erschöpfte Autorin, der zwar regelmäßig die Liebe ihrer Fans zufliegt, die jedoch auf eine waschechte Schreibblockade zusteuert. Sie lernt eine jüngere Frau kennen, die sich schlicht Elle nennt, die vorgibt, selbst zu schreiben, und die sich äußerst zielstrebig in Delphines Leben hineinmanövriert. Das wird ihr sehr leicht gemacht, denn Delphine ist im Gegensatz zu Elle eher scheu und defensiv und verzeiht auch die ersten Übergriffe, und zudem reist ihr Freund François für längere Zeit in die USA, sodass die Bahn praktisch frei ist. Delphine kapiert erst viel zu spät, dass Elle sich systematisch daran macht, sie von der Außenwelt zu isolieren, unter anderem mit Mails an Delphines Freunde, und sich selbst unentbehrlich zu machen. Elles größter Wunsch ist, dass Delphine ein weiteres, ein ganz besonderes Buch schreibt, das sie schon lang in sich trägt, das sie bislang nur noch nicht nach außen lassen konnte. Nach einem unglücklichen (und von Elle maßgeblich verursachten) Treppensturz vor ihrer Pariser Wohnung beschließt Delphine, vorübergehend das Domizil ihres Freundes draußen auf dem Land zu beziehen. Mit Elle natürlich, die sich aufopferungsvoll um die an Krücken gehende Freundin „kümmert“, und in der ländlichen Abgeschiedenheit nimmt das unheilvoll enge Miteinander der beiden Frauen noch bedrohlichere Züge an, vor allem für Delphine, die dann am Schluss aber ihr blaues Wunder erlebt…
So ging es mir auch ein bisschen, als ich etwas verblüfft versuchte, die Einzelteile zu einem halbwegs stimmigen Ganzen zusammen zu puzzeln. Ganz einfach ist das nicht, denn was sich weitgehend wie ein ganz normaler Psychothriller anlässt, mündet in ein merkwürdig ambivalentes Finale: Nachdem sie Delphine monatelang systematisch belagert und schließlich ganz offen terrorisiert und sie schließlich sogar mit Rattengift „behandelt“, schreibt Elle dann in Delphines Namen das besagte Buch, lässt es veröffentlichen, lässt Delphine auch den Ruhm, und das wirkt durchaus so beabsichtigt als eine nachträgliche Hommage an die ältere „Freundin“. Hm. Davor bahnte sich eigentlich das ganz normale Psycho-Ding an: Eifersucht, Kontrolle, ungesunde Nähe, Macht und das Ausgrenzen aller möglichen Rivalen. Und nun erwartet man sie übliche Eskalation, die einfach dazugehört, doch schon hier halten sich Meister Polanski und sein überaus prominenter Co-Autor Olivier Assayas nicht an die Regeln. Was sie ja im Grunde auch ehrt, nur hatte ich hier nicht den Eindruck, als verfolgten die beide einen genialen Alternativplan – es sieht mir viel eher so aus, als hätten sie gar keinen konkreten Plan gehabt, und so plätschert die Story über lange Strecken vor sich hin, und so recht aufregend will sie nicht werden, zumal sie bis auf besagtes Ende ziemlich berechenbar ist. Nun bin ich ganz und gar kein Fan schriller oder gewalttätiger Effekte und brauche sowas auch in einem Psychothriller nicht, doch irgendwie erwarte ich schon, dass ich eine clevere Dramaturgie mit Spannungssteigerung zu sehen kriege, und gerade letzteres ist hier für mein Empfinden Fehlanzeige. Polanski war von jeher der Meister des Unbehagens, der beklemmenden Enge, und einiges von dieser Meisterschaft steckt auch in der Exposition, die musterhaft entwickelt wird, bis sich Elle fest in Delphines Leben installiert hat und ihren zunehmenden Einfluss geltend macht, und genau da dies geschehen ist, geht auch der Geschichte ein wenig die Luft aus. Zwischendurch gibt’s dann ganz plötzlich eine vielversprechende Spur, als Delphine ihrem François am Telefon erklärt, sie wolle die neue Freundin benutzen als Inspirationsquelle für das begonnene Buch, doch schon kurze Zeit später ist davon keine Rede mehr, die Kräfteverhältnisse sind wie zuvor und eine mögliche interessante Variation ist verpufft. Genau wie die Spur der rätselhaften Briefe, die Delphine regelmäßig erhält, drohend, beleidigend, verletzend, deren Urheberschaft aber nie geklärt wird, wenn wir sie nicht Elle in die Schuhe schieben wollen. Und so geht’s die ganze Zeit, sodass sich bei mir trotz der gekonnten Bildgestaltung und den exzellenten beiden Hauptdarstellerinnen nach vielversprechendem Auftakt kaum Spannung einstellen wollte. Da hat der alte Polanski natürlich schon deutlich besseres zuwege gebracht, und so erlebe ich einen weiteren etwas unbefriedigenden Kinoabend, wie schon so häufig in diesem bislang unbefriedigenden Kinojahr… (1.6.)