Sicario: Day of the soldado (Sicario 2) von Stefano Sollima. USA, 2018. Benicio Del Toro, Josh Brolin, Catherine Keener, Isabella Moner, Elijah Rodriguez, Jeffrey Donovan, Christopher Heyerdahl, Manuel Garcia-Rulfo, Matthew Modine
Jaja, das ewige Thema mit den Sequels und die ewige Frage: Brauchen wir die wirklich? Es mag das eine oder andere unter Tausenden geben, die eine positive Antwort rechtfertigen, „Sicario 2“ gehört kurz gesagt nicht dazu. Weder eine überzeugende Fortführung noch eine überzeugende Ergänzung, spinnt der Film irgendeine Story um die beiden männlichen Protagonisten des ersten Films (der weibliche wurde leider leider unter den Tisch gekippt), eine Story, die in sich schlicht und ergreifend nicht stark genug ist, um ein Eigenleben zu entwickeln, das aus dem Schatten des Vorgängers hinausführen könnte.
Der Drogenkrieg an der Grenze Texas-Mexiko ist dermaßen eskaliert, dass auf beiden Seiten endgültig jegliche Ethik, jegliche menschliche Regung eliminiert wurden. Die Kartelle schleusen haufenweise Illegale über die Grenze und machen damit eine Menge Geld, die Amis setzen immer mehr Technik ein, um diesem Strom einigermaßen Herr werden zu können. Wie viele Menschen dabei ihr Leben verlieren, ist den Antagonisten herzlich egal. Dann gibt’s ein paar grässliche Selbstmordattentate in einem Supermarkt, und die US-Regierung ist sofort bei der Hand, den Drogenbossen die Verantwortung zuzuschieben. Ihre Vergeltung: Ein Krieg soll zwischen den Kartellen angezettelt werden, möglichst viele Opfer, möglichst große Instabilität. Die dreizehnjährige Tochter des Clanoberhaupts Reyes wird entführt, und es soll so aussehen, als sei dies eine Aktion einer rivalisierenden Gang. Matt Graver ist als Mann fürs Grobe mit von der Partie, denn der hat sich gerade in Somalia wieder bestens „bewährt“. Matt wiederum holt seinen alten Mitstreiter Alejandro an Bord, der mit Reyes bekanntlich noch eine dicke Rechnung offen hat und der Land und Leute perfekt kennt. In Mexiko allerdings geht was schief, es gibt eine Schießerei und sehr viele Tote, und flugs kneift die Regierung den Schwanz ein und zieht sich aus der Verantwortung zurück. Graver kehrt nach Texas zurück, während Alejandro mit dem Mädchen allein in Mexiko zurückbleibt, und nach dem Willen des Sekretärs des Verteidigungsministeriums sollen beide eliminiert werden, um gefährliche Zeugen der verpatzten Aktion zu vermeiden. Graver befindet sich in einer schlimmen Zwickmühle, denn eigentlich will er Alejandro und Isabella nicht opfern. Er verschafft ihr am Schluss auch tatsächlich einen Platz im Zeugenschutzprogramm, während Alejandro, der eigentlich von einem ehrgeizigen jungen mexikanischen Gangster exekutiert werden sollte, knapp mit dem Leben davonkommt. Ein Jahr später ist er wieder obenauf und kontaktiert just jenen Burschen, um aus ihm den nächsten Sicario zu machen. Womit Teil 3 der Saga vorprogrammiert wäre…
Dieser Schlussakkord ist nur einer von mehreren recht merkwürdigen, für mich unverständlichen Aspekten einer Story, die als Ganzes nicht recht stimmig wirkt. Taylor Sheridan hatte auch das Drehbuch zu „Sicario“ verfasst, und das war ihm deutlich besser gelungen, wohingegen er diesmal eine in vielen Details unglaubwürdige, unentschlossene, halbgare Version abgeliefert hat. Weder die offizielle, die politische Seite der Medaille wird gründlich genug beleuchtet, noch die private, menschliche, und so fallen beide Teile eher auseinander als zusammen. Alejandro bleibt der schweigsame Supermacho, Graver der kampferprobte Zyniker, der plötzlich doch sein Gewissen entdeckt, weder Del Toro noch Brolin werden als Schauspieler gefordert, und um sie herum herrscht die große Leere und sie selbst kommen kaum über die üblichen Machostereotypen hinaus. Ein relativierender Gegenpol wie Kate Macer in Teil eins fehlt spürbar, ich persönlich hatte keine Möglichkeit, emotional an irgendeiner Stelle anzudocken und fühlte mich am Ende auch durch die Vorführung unentwegter, rücksichtsloser Gewalt nicht sonderlich betroffen oder berührt. Das finstere Geschehen spult sich zwei Stunden in angemessenem Tempo ab, doch es gibt keine wirkliche Dramaturgie, keine Spannungsbögen, alles läuft eigentlich ständig auf hohem Adrenalinlevel ab, der unterm Strich aber eher Erschöpfung erzeugt. Ganz anders als im ersten Film fand ich mich merkwürdig unbeteiligt, könnte höchstens von ganz passabler Unterhaltung sprechen, doch das passt irgendwie nicht zu diesem grausamen Thema und reicht mir in diesem Fall sowieso nicht.
Besonders enttäuscht war ich von Sollimas Regie, die wenig von seiner gewohnten Handschrift zeigt. Da er mir grundsätzlich ein sehr viel politischerer Regisseur zu sein schien als Denis Villeneuve, hatte ich mich ehrlich gesagt darauf gefreut, dass er nun den zweiten Teil inszeniert und möglichst viele eigene Ansätze hinzugefügt hat. In seinen tollen italienischen Thrillern hat er sich als Filmemacher gezeigt, der hochintensive Gesellschaftsporträts mit kontroversem, provozierendem Gestus verbinden kann, der jede Menge gedankliche Anregungen bietet, ohne sich selbst politisch zu sehr festzulegen. Von alledem ist hier wenig bis nichts geblieben, die US-Produktionsverhältnisse haben ihm fast jegliche Eigenständigkeit ausgetrieben. Überrascht mich irgendwie nicht. „Sicario 2“ ist infolgedessen nicht der erhoffte politisch und sozial explizite, unbequeme Film geworden, wenn man von den wenigen Momenten absieht, in denen die zynische, menschenverachtende, verlogene und feige Haltung der US-Regierung aufs Korn genommen wird. Matthew Modine darf den Obermiesling geben, der jedes Klischee rechtfertigt und der bedenkenlos über Leichen geht, doch kommt das Drehbuch nicht über diesen Punkt hinaus. Das völlige Fehlen jeglicher Moral auf beiden Seiten der Grenze wird nur durch ein paar Sprüche und viele Leichen bezeugt, doch beides gibt‘s heutzutage in so gut wie jedem Actionfilm, also reicht das bei weitem nicht aus. Zumal die mexikanische Seite stark vernachlässigt wird, auch dies wiederum erwartungsgemäß, denn die Amis haben sich von jeher immer nur für sich selbst interessiert. Die ganze Einfallslosigkeit des Projekts wird schon anhand des Sounddesigns offenkundig, das fast eins zu eins vom Vorgänger übernommen wurde. Immerhin wurde wieder jemand aus Island rangezogen, allerdings nicht Jóhann Jóhannsson (der ist ja leider früh in diesem Jahr verstorben), sondern diesmal Hildur Guðnadottír, der offenbar aufgetragen wurde, sich möglichst eng an Jóhannssons faszinierend dunkel grollenden Klängen zu orientieren oder sie am besten gleich eins zu eins zu kopieren, was besonders gegen Schluss augenfällig wird. Fand ich durchgehend ärgerlich und unnötig, den der einmalig intensive Effekt aus dem ersten Film hätte auf keinen Fall wiederholt werden können, ich finde, da hätte man unbedingt neue, eigene Wege gehen müssen, und ich denke mal, dass Guðnadóttir auf jeden Fall das Zeug dazu hat, einen adäquaten Soundtrack abzuliefern. Stattdessen geht man auf Nummer sicher, kopiert einfach und hofft auf diese Weise, möglichst eng an den ersten Film anschließen zu können.
Genau daran krankt „Sicario 2“ fast auf ganzer Linie, am Fehlen eines überzeugenden, eigenständigen Konzepts. Denis Villeneuve hat vor drei Jahren ein eindrucksvolles Meisterstück inszeniert, Stefano Sollima ist von diesem Niveau weit entfernt, hat keinen Zugang gefunden, die Existenz eines Sequels zu rechtfertigen, und ob ich auch noch an einem dritten Teil interessiert bin, würde ich erstmal stark bezweifeln. Am besten geht Sollima ganz schnell zurück nach Italien und macht weiter, wo er aufgehört hat, das war nämlich viel besser und vor allem notwendiger. Unentschiedene Filme wie „Sicario 2“, die sich wirklich kaum vom Durchschnitt abheben, können die Amis auch selbst, ich jedenfalls kann hier nicht sehen, dass die Mitarbeit eines europäischen Regisseurs das Ganze irgendwie bereichert hat. (21.8.)