The shape of water von Guillermo del Toro. USA, 2017. Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, Octavia Spencer, Doug Jones, Michael Stuhlbarg

   Eigentlich hätte der Film unbedingt schon zur Weihnachtszeit in die Kinos kommen müssen, den wann sonst wirkt der Zauber eines Fantasymärchens so intensiv – siehe Herr der Ringe oder Harry Potter, die ja nicht ohne Grund zumeist zu jener Zeit anliefen. Del Toro ist mal wieder in die Vollen gegangen, was sonst könnten wir auch von ihm erwarten, und hat uns ein Märchen, eine Romanze, eine Hommage an die Gruselfilme aus der guten alten Technicolor-Zeit und eine Kalte-Kriegs-Schauermär aufgetischt und das liebevoll nostalgische Gericht mit einigen garstigen Kostproben seiner ganz speziellen Vorstellung von Knochenbrecher-Ekel-Splatter versalzen. Also, dies ist ganz sicher nix für die Kleinen, und auch die erwachsenen Zuschauer um mich herum zuckten hier und da verstört zusammen, vor allem in Richtung Finale, wenn del Toro mal wieder arg auf die Sahne haut, zu arg für meinen Geschmack, hätte sicher nicht sein müssen.

  Aber sonst ist das schon ganz nett, was uns der del Toro in zwei üppigen, bunten, aufregenden, kitschigen Stunden präsentiert. Die Liebesgeschichte vom stummen Putzmädchen Eliza (ja, aber nicht Doolittle sondern Esposito…) und dem geheimnisvollen Amphibienmann, der von einer Expedition im Amazonasgebiet gefangen wurde und nun zu Forschungszwecken missbraucht wird. Und eben auch als Manövriermasse zwischen Amis und Russen, denn die haben einen Spion in das Forschungslabor eingeschleust, ja nicht zu verpassen, welche Schweinereien die Yankees diesmal wieder im Schilde führen. Der befehlshabende Armeegeneral befiehlt dem Sicherheitschef Strickland, die Experimente an dem Wesen zackig durchzuführen und es danach zu beseitigen. Als Eliza davon Wind bekommt, entführt sie mithilfe ihres alten Nachbarn Giles und ihrer Kollegin Delilah den Amphibienmann und steckt ihn kurzerhand daheim in ihre Badewanne. Dort kommen sich die beiden bald näher, und Eliza findet heraus, dass das Wesen tatsächlich ein richtiger Mann ist… Strickland läuft derweil Amok und geht bis zum Äußersten, um das Wesen wieder in seine Gewalt zu bekommen, umso mehr, als er mittlerweile den russischen Spion entlarvt hat. In einem wüsten Finale fließt haufenweise Blut, doch dann stellt sich heraus, wieso der Amphibienmann daheim wie eine Gottheit verehrt wurde – er hat nämlich auch Zauberheilkräfte, und die wendet er schließlich auch bei Eliza an, und so werden die beiden glücklich bis ans Ende ihrer Tage leben – vielleicht sogar unter Wasser…?

   Del Toro ist wie man oft genug gesehen hat nicht gerade ein Meister/Freund der zarten Töne, er liebt es kräftig und intensiv, und das ist in diesem Fall auch gar nicht verkehrt. Ein Film, der so ungeniert mit Klischees, Motiven und Nostalgie spielt, darf ruhig übertreiben und karikieren, zumal wenn das dann im Rahmen einer durchaus liebevollen Hommage geschieht. Sogar das Musical darf nicht fehlen, wen Eliza und Amphibienmann zwischendurch gänzlich aus der Story ausbrechen und sich kurzzeitig in prächtigen Dekors in Schwarzweiß dem Gesang und dem Tanz hingeben, alles okay, denn dieser Film erhebt natürlich in keinem Moment irgendeinen Anspruch auf sowas wie Realitätsnähe oder gar Logik oder sonstige Albernheiten, er will schwelgen und unterhalten und beides tut er reichlich. Del Toro plündert alte Schubläden aus den 50ern und 60ern, und das gilt auch für die Personen, die er lediglich als Stereotypen angelegt hat, was im Rahmen der gesamten Konzeption völlig folgerichtig ist. Er sammelt Versatzstücke aus den damals populären Genres (Romanze, Grusel, Musical, Verschwörung), reichert sie, wenn auch nur flüchtig und eher angedeutet,  mit einigen Aspekten an, die seinerzeit noch nicht so populär waren (Rassenfrage, sexuelle Diskriminierung) und macht daraus eine bunte Wundertüte, die er mit der ihm eigenen fast kindlichen, die Magie der technischen Möglichkeiten in vollen Zügen genießenden Freude üppig dekoriert und ausstattet, und ich könnte sie wie gesagt noch uneingeschränkter genießen, wenn da nicht diese hässliche Seite in ihm wäre, die es gern mal blutig und sadistisch mag. Die ist mir ja auch schon einst in „Pans Labyrinth“ ein wenig sauer aufgestoßen, und gerade im Zusammenspiel des Schönen und des Schrecklichen haben diese beiden Filme einiges gemeinsam, auch wenn „Pan“ deutlich tiefer schürft und alles in allem noch deutlich tragischer und düsterer ist.

   Auf jeden Fall aber gibt es hier viele wunderbare Schauspieler, die sich mit spürbarer Lust in das abenteuerliche Geschehen stürzen. Sally Hawkins ist mal wieder nur bezaubernd und schafft es, vollkommen alterslos wie eine wahrhafte Märchenerscheinung daherzukommen. Michael Shannon ist der fiebernde, faulende, fanatische Teufel in Menschengestalt, ein rassistischer, sexistischer Miesling, genauso grausam und furchterregend wie Sergi Lopez im Pan, nur nicht so kalt und ruhig, sondern wild und voller Aggression. Richard Jenkins und Octavia Spencer sind großartige Sidekicks, die die Nebenfiguren mit viel Leben und Persönlichkeit füllen, und Doug Jones ist einmal mehr ideal als das mythische Wesen, halb Mensch, halb Monster, nur diesmal weit weniger feindselig als im Pan.

 

   Und so ist aus alledem ein schöner Ausflug in die Fantasie für lange Winterabende geworden, vielleicht qualitativ am ehesten mit „Crimson Peak“ zu vergleichen und allemal sehr viel besser als der zwischenzeitliche Tiefschlag mit „Pacific Rom“. Wie Tarantino ist auch del Toro ein Kinojunkie, der gern eine Brücke schlägt zwischen klassischen Motiven und moderner Darstellung. Nur dass er mir im Vergleich natürlich hundertmal sympathischer ist… (19.2.)