Tomb Raider von Roar Uthaug. England/USA, 2018. Alicia Vikander, Dominic West, Walton Goggins, Daniel Wu, Kristin Scott Thomas, Derek Jacobi, Hannah John-Kamen, Nick Frost

   Lara Croft war für mich bis jetzt immer nur Angelina Jolie – ein aufgepumptes, aufgespritztes Kunstprodukt, eine plumpe Karikatur und natürlich das genaue Gegenteil des Versuchs, einen genuin weiblichen Actionstar zu etablieren. Hier werden lediglich Männerfantasien bedient, alles andere wäre pure Augenwischerei. Das spiegelt sich deutlich in einigen aktuellen Kritiken, die sich doch tatsächlich abfällig über die unzureichenden Kurven der neuen Lara Croft äußern.

   Aber diese neue Lara Croft wird nun von Alicia Vikander gespielt, und damit kriegt die Sache schon eine neue Qualität. Denn im Unterschied zu Jolie ist Vikander eine Schauspielerin und zwar eine enorm gute und dazu eine, die tatsächlich imstande wäre, dem Action-Fantasy-Genre eine andere, eine spezifisch weibliche Dimension zu geben – es sei denn natürlich, man ist weiterhin der Ansicht, diese weibliche Dimension wird vorwiegend von der Oberweite repräsentiert…

   Vikander gibt der Lara Croft einen derart intensiven, unwiderstehlichen Human Touch, dass ich mich von dem Film eigentlich ganz gut unterhalten gefühlt habe, auch wenn ich zugeben muss, dass die Story bei Tageslicht besehen purer Unfug und leider nicht mal besonders originell ist. Vorhersehbar in fast jeder Beziehung, vorangetrieben von jenen Mechanismen, die seit jeher scheinbar unersetzlich und unwidersprochen einzementiert sind im Genre-Kanon. Hat man alles in den Indiana-Jones-Filmen schon gesehen, nur kommt „Tomb Raider“ insgesamt etwas ernster daher, verzichtet auf ironische Brüche (sieht von Nicks Frosts Auftritten ab). Ein bunter, launiger Abenteuerfilm, eine Schatzsuche auf einer vergessenen Insel, eine rätselhafte Göttin, ein tödlicher Fluch, ein Papa mit edlen Absichten und eine Handvoll Finstermänner mit bösen Absichten. Dazwischen ein smartes, drahtiges junges Mädchen, das eine Menge einstecken muss, das ziemlich gut mit Pfeil und Bogen umgeht, auch sehr flott zu Fuß und auf dem Drahtesel unterwegs ist und als Freikletterin eine exzellente Figur macht. Die Erbin eines überaus wohlhabenden, weit verzweigten Konzerns, die aber auf der Erbe nicht viel Wert legt und am Ende erkennen muss, dass es in den bewussten Verzweigungen wohl die eine oder andere dunkle Nische gibt, weshalb sie sich am Schluss auch mit zwei fetten Knarren ausrüstet und damit geradewegs auf eine Fortsetzung hinarbeitet – Hollywood halt.

 

   Von ihr abgesehen wird die Story mehr oder weniger von Abziehbildern bevölkert, Routiniers wie West oder Scott Thomas haben kaum Gelegenheit, ihre Figuren anzufüttern, und so werden die gesamten zwei Stunden tatsächlich von Vikander getragen, die das allerdings mit Bravour leistet. Sie lässt uns mitfiebern und mitleiden, findet auch in atemlosen Actionszenen immer einen kurzen Moment, uns eine Reaktion zu geben, uns mitzunehmen, uns nahe ranzuholen, und das ist schon was Besonderes, was man in Filmen dieser Art nur selten findet. Diese Lara wäre eine ausbaufähige, vielversprechende Serienheldin, doch bräuchte es dazu dringend substantiellere Drehbücher, und genau da liegt der Osterhase im Pfeffer. Für zwei Stunden Popcornmampfen reicht das immer, doch eine so fabelhafte Darstellerin hätte mehr verdient, und vor allem wäre hier tatsächlich das Potential für mehr, für neue Akzente auf ausgelatschtem Terrain. Ob jemand den Schneid hat, wirklich mal in dieser Richtung zu gehen? I doubt it… (29.3.)