The Girl in the Spider's Web (Verschwörung) von Fede Álvarez. Kanada/BRD/ USA/Schweden, 2018. Claire Foy, Sverrir Gudnasson, Lakeith Stanfield, Sylvia Hoeks, Cameron Britton, Synnøve Macody Lund, Vicky Kriebs, Stephen Merchant, Claes Bang
Ist schon blöd, dass der Stieg Larsson so früh gestorben ist und nicht mehr als freie Bücher fertiggekriegt hat. Denn mit der Lisbeth Salander ist ihm schon ein genialer Coup geglückt, eine wahrhaftige Ikone der modernen Krimiliteratur, stilprägend, kultig, cool. Gern hätte ich ihre Geschichte weiter verfolgt, doch es hat nicht sollen sein. Und das ausgerechnet jetzt, wo der Krimiboom seit mehr als einem Jahrzehnt auf Hochtouren läuft, und kein Ende absehbar ist. Gut, dass es in jeder Ecke einen Schreiberling gibt, der fix andockt an die Vorlage und dann die Geschichten einfach weiterspinnt. Ist ja wurscht, ob der Name, der da immer noch auf den Buchdeckeln zu lesen ist, überhaupt stimmt, Hauptsache, die Kasse klingelt. Das gilt für’s Kino ganz genau so, und da die drei Millenniumromane bereits abgefrühstückt worden sind, kann man direkt dankbar für diesen Schreiberling namens David Lagercrantz sein, der da im Namen Stieg Larssons weiter tätig ist und somit auch das Kino mit neuem Stoff versorgt. Mich hat das eigentlich von vornherein schon nicht sonderlich interessiert, nur die Mitwirkung Claire Foys fand ich spannend, denn die kannte ich bisher nur als zartes Persönchen, das ich nie und immer mit Lisbeth Salander in Verbindung gebracht hätte.
Der vorliegende Film hat meinen (fehlenden) Erwartungen dann im Großen und Ganzen voll entsprochen – ein in Regie und Stil völlig unpersönliches Stück Handwerk, Hightech und Highspeed stehen zwei Stunden lang dermaßen im Vordergrund, dass sämtliche agierende Personen so gut wie überhaupt keinen Entfaltungsraum bekommen. Die Hochgeschwindigkeitsjagd dreht von Anfang bis zum Schluss auf vollen Touren, weder Salander noch Blomqvist noch Berger noch Salanders aus dem Hut gezauberte Schwester Camilla können sich dagegen behaupten, es gibt so gut wie keine Atempause, kein Innehalten, keine Gelegenheit, die Leute, ihre Geschichte und ihre Motive besser kennenzulernen. Diese Taktik dient natürlich in erster Linie dazu, das unglaublich absurde, haarsträubend konstruierte und von vorn bis hinten komplett konfuse Drehbuch irgendwie in den Hintergrund zu rücken, doch gerade dieses Kalkül geht nicht auf. Statt einer Story findet hier eine wirre Anhäufung von Klischees, jedes gängige Actionfranchise wird angezapft, James Bond im Besonderen, es gibt keine Grenzen auf dem Gebiet der Computertechnologie, Salander ist eine Superheldin mit Ecken und Kanten und sogar einer Mission, und wie sie auch geschunden wird, die kommt aus allem halbwegs heile raus, nur die verlorene Schwester, die hat sie nicht retten können vor dem Monstervater, aber die wollte ja auch gar nicht gerettet werden. Dann gibt‘s da noch einen superklugen kleinen Jungen, einen naseweisen NSA-Mann, eine lesbische Säpo-Chefin und Camilla, die aussieht wie ein Bond-Freak und die Sylvia Hoeks wenigstens schön trashig spielen darf mit pervers samtiger Stimme und Radikalchic, während der als Björn Borg noch so fabelhaft besetzte Sverrir Gudnasson einen enttäuschend farblosen, passiven Blomqvist abgibt, der überhaupt keinem Vergleich zu dem fabelhaften Mikael Nykvist standhalten könnte, was aber eben nicht an ihm liegt, sondern daran, dass er vom Buch schlichtweg im Stich gelassen wird und nix zu tun kriegt.
Der MacGuffin ist wie immer schietegal (irgendein Programm, um sich in die internationalen Nuklearprogramme zu hacken oder weiß der Geier was), und eine Dramaturgie wurde erst gar nicht installiert, weil immer alles volle Pulle abgeht. Der Regisseur, der garantiert nicht unter dem Verdacht steht, irgendeine persönliche Note einbringen zu wollen, schielt sehr offensichtlich auf die bereiten, großen Zuschauermassen, doch in unserem Kino hier ist der Film schon in der zweiten Woche im Nachtprogramm verschwunden und damit praktisch tot. Und bei allem Lärm ist er das eigentlich selbst auch, und sogar Claire Foy kann ihn kaum zum Leben erwecken, obwohl sie sich wirklich müht, und den Vergleich zu Noomi Rapace und Rooney Mara durchaus nicht scheuen müsste – wenn sie denn ein adäquates Drehbuch an die Hand bekommen hätte.
Soviel also zum Thema „Popcornkino kann jeder“ – denkste… (28.11.)