Wildes Herz von Charly Hübner und Sebastian Schulz. BRD, 2018.

   Feine Sahne Fischfilet heißt die Band, um die es hier geht. Szenekennern und Punkfans ist sie mit Sicherheit längst ein Begriff, ich bin auf diesem Gebiet bislang ziemlich brach, und daher war mir gerade mal der Name von fern bekannt. Aber eine Punkband aus dem hintersten Mecklenburg, die sich lautstark gegen rechts engagiert, das ist doch mal was, und das ist allemal Stoff für einen interessanten Dokumentarfilm.

   Interessant ist dieser Film allemal geworden, wenn auch genau genommen keine Doku über die Band im Ganzen, sondern eher über ihren Frontmann/Sänger/Texter Jan „Monchi“ Gorkow. Das ist eine Entscheidung der Filmemacher und auch kein Problem, denn es war bestimmt die richtige Entscheidung.

   Anfänglich geht’s noch recht konventionell und etwas brav zu, die Eltern und die Lehrerin kommen zu Wort und geben uns eine Vorstellung von dem überbordend energiegeladenen Unruhestifter als Kind. Spannend wird’s erst, als Monchi Kontakt aufnimmt zur umgebenden Gesellschaft, und wenn man in einem Kaff an der Peene zwischen Demmin und Anklam, das heißt knapp vor dem Ende der Welt aufwächst kann das schon mal problematisch werden, erst recht dann, wenn man sich nicht so ohne weiteres in das allgemeine Gefüge integriert. Das Herz dort hinten schlägt vornehmlich rechts, daran besteht kein Zweifel, und Monchi scheint sich zunächst genau in diese Richtung zu entwickeln, indem er der Rostocker Ultra-Szene beitritt, die für ihre gewalttätigen Krawalle ebenso bekannt ist wie für die martialische Diktion. Gorkow ist ein freundliches, jungenhaftes Riesenbaby, jemand, der offen und viel erzählt und der auch bereitwillig über Brüche, Irrtümer und Missverständnisse Auskunft gibt. Genau das macht den Film dann interessant, zumal Charly Hübner und Sebastian Schulz ihm hinreichend Raum zur Reflexion geben. Da ist dann von der Gefahr die Rede, plötzlich doch in die Nähe des rechten Mobs zu driften, ganz gegen jede eigene Überzeugung, zum ersten durch die Rostocker Ultras, und auch später mit der Band, deren effektvoller, eingängiger, gradliniger Mitsingpunk auch rechtes Gesocks anzog, zumal die Texte anfangs durchaus in beide Richtungen gedeutet werden konnten und oft genug zu Randale aufriefen. Irgendwann kriegte Monchi das mit und erkannte, dass er deutlicher Farbe bekennen musste, und so kam es dann in den späteren Songs – klare Kante gegen die Armleuchter von rechts, gegen Polizeiwillkür, gegen Fremdenfeindlichkeit und gegen Feigheit. Und so bildete sich dann die treue Fangemeinschaft und das Image der politisch aufrechten Kämpfer – und so kam es auch zu Konflikten mit dem Staatsschutz, der ja immer ganz besonders sensibel für linkradikales Lied- und Gedankengut ist (im Gegensatz zu den Kollegen von rechts, wie allgemein bekannt) und die Band ins Visier nahm in Hinblick auf Anstiftung zu Gewalt und Aufruhr. Das mag lächerlich und grotesk erscheinen, gerade wenn man das letzte Jahrzehnt heranzieht und sich anschaut, aus welcher Richtung die Bedrohung kommt, doch erstens weiß man halt, dass man in Deutschland auf dem rechten Auge nach wie vor ein wenig blind ist, und dann zeichnen sich einige von Gorkows Texten auch durch eine ungute Ambivalenz aus, die eben vielerlei Interpretationen erlauben. Auch dies bekennt er und analysiert er, und das macht ihn schon ziemlich sympathisch, und das ändert dennoch nichts an seinen Grundüberzeugungen, denen er verpflichtet bleibt und die er auf Konzerten und in seinen Songs klar und deutlich vertritt.

 

   Die Sympathie der beiden Filmemacher ist ihm gewiss, das spürt man und das macht ihn gleichzeitig zu einem Statement für sich genommen, abgesehen von dem, was Gorkow und seine Jungs zu sagen haben. In wenigen, dafür aber sehr prägnanten Szenen wird die Provinztristesse mitsamt ihrer bedrückenden Rechts-Affinität umrissen, und man kann sich sehr leicht vorstellen, wie es sein muss, in dieser Umgebung linke und kämpferische Überzeugungen offensiv zu vertreten, das AfD vermutlich nur nicht zweitstärkste Fraktion ist, wie landesweit, sondern eher die stärkste und auf eine entsprechend breite Zustimmungsbasis bauen kann. Monchi bekennt sich zur antifaschistischen Bewegung, sowieso, das ist klar, aber auch die Filmemacher bekennen sich dazu, haben ein empathisches und solidarisches Porträt gemacht, das eben auch ein Porträt dieses Winkels fern im Osten ist, und ein Film, der in dieser Weise Stellung bezieht, ist mir per se sympathisch, auch wenn die Musik, so ne Art Toten Hosen mit Trompeten und etwas Ska-Feeling, nicht so mein Ding ist. Hier zählt die Gesinnung, und die passt. (17.4.)