Auerhaus von Neele Leana Vollmar. BRD, 2018. Damian Hardung, Max von der Groeben, Luna Wedler, Devrim Lingnau, Ada Philine Stappenbeck, Sven Schelker, Hans Löw, Anja Schneider, Milan Peschel
Auerhaus bezieht sich wohl auf dieses Scheißlied von Madness, das ich noch nie ausstehen konnte und das mir in den, was Musik im Allgemeinen betrifft, ohnehin elenden 80ern regelmäßig die Petersilie verhagelt hat. Natürlich kommt es auch hier zum Einsatz, aber das passt irgendwie auch, denn es geht auch um das Elend der 80er, genauer gesagt der 80er in der Provinz, also noch eine Stufe schlimmer. In den 80er groß werden zu müssen war ohnehin kein leichtes Brot, aber draußen auf dem Lande – Höchststrafe! Ani diFranco sang „Coming of age during the plague of Reagan and Bush“ – hierzulande könnte man was singen von „Coming of age during the plague of Genscher and Kohl“ – hört sich auch nicht fröhlicher an, gelt…
Unsere „Helden“ also teilen das unselige Schicksal, in den 80ern groß werden zu müssen, dazu noch in der süddeutschen Pampa. Irgendwo am Straßenrand steht einsam ein schüchternes Plakat mit „Atomkraft nein danke“ drauf, in den Konsumläden und Postämtern hängen die restlichen Terroristenfahndungsplakate, und aus den Boxen ertönen, tja, eben Madness und Konsorten. Höppner erzählt die Geschichte seiner Clique und wie sein bester Freund Frieder nach vielen Anläufen schließlich doch zu Tode kam. Die Neigung zum Suizid hatte er schon lange, nur hatte es bislang nicht geklappt. Er landet vorübergehend in der örtlichen Klapsmühle, wo es ihm naturgemäß nicht besser geht, wo er aber die mannigfaltigen Wirkungen von Psychopharmaka zu erforschen lernt und immerhin auf die blasse blonde Pauline trifft, die sich als Pyromanin versucht hat. Für Höppner ist dies eine fremde Welt, die er ehrlich gesagt hauptsächlich deshalb aufsucht, weil der kluge Frieder ihn durchs Abi ziehen muss, denn in ein paar Fächern klappt’s partout nicht bei ihm. Er ist bloß ein smarter, fescher, etwas introvertierter und ansonsten ganz normaler Junge, der unter dem depperten neuen Freund seiner Mutter leidet, sich dafür aber Vera geangelt hat, das hübscheste Mädchen an der Schule, und für ihn das hübscheste Mädchen überhaupt. So ganz hat er die Sache aber nicht unter Kontrolle, denn Vera ist durchaus frei und offen für anderes, und außer Abhängen in der lokalen Eisdiele und gelegentlich mal Knutschen am Badesee läuft noch nicht viel zwischen ihnen. Die Vierte im Bunde wird ganz unerwartet Cäcilia, Klassenbeste, Streberin, Mobbingopfer und Geigenspielerin, die eigentlich nicht so dem coolen Haufen passt, die aber trotzdem mit dabei ist, als die Kids ein leerstehendes Haus beziehen, das früher von Frieders Familie bewohnt wurde. Zum einen wollen sie auf Frieder besser aufpassen und rund um die Uhr bei ihm sein, zum anderen wollen sie wohl vor allem raus von zuhaus, denn das ist für sie zumeist nur trüb und öd. Das Zusammenleben erweist sich dann aber doch nicht als so unkompliziert wie erhofft, im Gegenteil. Cäcilia wirft ein Auge auf Höppner, was Veras Eifersucht hervorruft. Vera und Höppner andererseits kriegen es auch nicht recht geregelt, obwohl Mama Höppner dem Sprössling eine Packung Kondome mit auf den Weg gibt. Frieders Verhalten ist erratisch und unberechenbar, sodass alle ständig unter Strom stehen. Dann kriegt Höppner auch noch den Musterungsbescheid ins Haus und muss sich nun entscheiden, ob er bleiben und schlimmstenfalls dienen oder lieber nach Berlin ausreißen will. Pauline wird Teil der kleinen Kommune, und eines Tages stößt der schillernde Harry dazu, ein alter Freund Frieders, und Höppner sieht sofort, dass er Vera an ihn verlieren wird, und genau so kommt es dann auch. Davor und danach gibt’s wilde Partys, einen umgelegten Weihnachtsbaum, etliche Missstimmungen, ein paar nette Momente, aber als dann Frieder letztlich doch „erfolgreich“ ist, weiß man schon, dass diese WG nicht halten wird. Harry kriegt Knast wegen Drogenhandel, Höppner kriegt sein Auto und fährt gen Berlin, und so ist der Spaß dann vorbei.
Obwohl – Spaß ist hier allgemein recht dünn gesät, die Atmosphäre wirkt alles in allem eigenartig trübe, gedrückt, schwer. Die Zeit im Auerhaus sei die beste seines Lebens gewesen, sagt Frieder seinem Freund kurz vor seinem Ableben, doch irgendwie erschließt sich mir das nicht, das heißt, ich kann im Film nicht recht erkennen, worin die Chemie der Hausbewohner eigentlich besteht. Spannungen und Beklommenheit überwiegen, vielleicht im Wissen um die ständige Möglichkeit, dass Frieder wieder einen seiner Kamikazeversuche lanciert. Es fehlen Momente der Leichtigkeit, der Freude, auch der Liebe, alles bleibt schwerfällig, unausgesprochen. Und auch ein bisschen oberflächlich, jedenfalls für meinen Geschmack, denn so richtig nahe kam ich an die Kids nicht heran, sie sind mir bis zuletzt eher fremd geblieben. Was macht die Beziehung zwischen Höppner und Vera aus? Was macht die Beziehung zwischen Höppner und Frieder aus? Wie um alles in der Welt kommt ein Nerd wie Cäcilie in diese Clique? Sind Pauline und Harry jemals mehr als nur schräge Randfiguren? All dies bleibt mir zu vage, zu flüchtig, andererseits aber bietet der Film dann zu wenig anderes, um von dieser Schwäche abzulenken - er ist weder sonderlich unterhaltsam noch sonderlich „tiefsinnig“. Er ist auch nicht seicht, keine Frage, biedert sich dem Publikum zu keiner Zeit an, nervt auch nie mit ausgelatschten Klischees, doch auf der anderen Seite hab ich mich am Schluss gefragt, was er uns dann sagen und zeigen will. Was bis zu einem gewissen Grad entschädigt, ist die toll rekapitulierte Atmosphäre, die effektvoll matten Bilder und vor allem die wirklich hervorragenden Schauspieler, die ihren Rollen wenigstens ein wenig Charakter verliehen können.
Mal wieder eine Frage der Erwartungen vermutlich. Ich hatte auf einen etwas temperamentvolleren, schöneren Jugendfilm gehofft und nicht mit diesem eher matten, fast nüchternen Gruppen- und Zeitporträt gerechnet. Sicherlich kein Mainstreamprodukt, aber trotzdem keines, für das ich mich besonders erwärmen konnte. (12.12.)