Ben is back von Peter Hedges. USA, 2018. Julia Roberts, Lucas Hedges, Kathryn Newton, Courtney B. Vance, David Zaldivar, Rachel Bay Jones, Michael Esper

  Ben ist wieder da, steht am Weihnachtsmorgen ganz überraschend vor dem Haus. Mutter Holly kämpft mit ihren Gefühlen, ist dann aber entschlossen, alles ganz toll zu finden. Stiefvater Neil, Hollys zweiter Ehemann ist beunruhigt, weil Ben sich frühzeitig aus der Entzugsklinik entlassen hat, obwohl etwas anderes vereinbart worden war. Schwester Ivy ist in Panik. Nur die beiden Kleinen, Hollys und Neils Kinder, sind begeistert, dass der große Bruder wieder mir ihnen spielt. Neil will ihn erst wieder in die Klinik zurückschicken, überlegt es sich dann aber anders. Holly stellt für Bens Aufenthalt harte Regeln auf, versteckt alle Medikamente und Wertgegenstände, schwört die Familie aber darauf ein, gemeinsam ein schönes Fest zu feiern. Nur Ivy bleibt auf Distanz, und wir sehen im Folgenden, wie vorsichtig und ängstlich der erwachsene Teil der Familie mit der Situation umgeht. Ben will nochmal in die Stadt, um Geschenke für die Kleinen zu holen, und Holly begleitet ihn auf Schritt und Tritt, dennoch sieht er von fern ein paar Leute aus seiner Szene, und es ist klar, dass sich schnell herumsprechen wird, dass er gerade wieder raus ist. Er geht zur Selbsthilfegruppe und erzählt dort, dass er jetzt seit 77 Tagen clean ist und seiner Familie, speziell seiner Mom eine harte Zeit zugemutet hat und dass er sich für den Tod seiner Freundin Maggie verantwortlich sieht, weil er sie an die Nadel gebracht hat. Abends im Gottesdienst treffen sie auf Maggies Mom, und Holly versucht, sie zu trösten. Bei der Rückkehr nach Hause stellen sie fest, dass jemand eingebrochen ist, und Holly, Nel und Ivy wissen sofort, dass das etwas mit Bens Rückkehr zu tun haben muss. Ihr Hund Ponce ist verschwunden, und Ben und Holly fahren los, um ihn zu suchen. Es muss jemand aus der Szene sein, also klappern die beiden ein paar einschlägige Adressen ab, und Holly erfährt noch ein paar schlimme Details, die sie vorher noch nicht wusste, beispielsweise, dann Ben sich für einen Ex-Lehrer prostituiert hat, um an dessen Medikamente ranzukommen. Ben kriegt schließlich raus, dass Ponce bei seinem Ex-Dealer ist, für den er jetzt noch ein Kuriergeschäft übernehmen muss. Holly verliert ihn aus den Augen, bekommt von Maggies Mom deren Wagen und ein paar Medikamente für Erste Hilfe bei Überdosis und fährt verzweifelt durch die Gegend, kann mit Ivys Hilfe sein Handy orten, doch Ben hat sich nach erledigtem Geschäft doch wieder einen Schuss gesetzt, und Holly findet ihn leblos in einer Scheune, wo sie ihn wiederbeleben kann.

   Ein ganz intensives Familiendrama, zusammengedampft auf einen einzigen Tag und eine Nacht, vergleichsweise zurückhaltend in seinen Mitteln und Methoden und dennoch natürlich sehr stark in seiner Wirkung. Wie kaum ein anderer Film, den ich kenne, macht er deutlich, wie irrsinnig zerstörerisch Drogensucht ist, und zwar nicht nur für den Süchtigen selbst, sondern für sein gesamtes Umfeld. Die Trennlinie zwischen vermeintlichem Frieden und totaler Katastrophe ist hauchzart, alle gehen wie auf Eiern und ganz dünnem Eis, und auch nach jahrelanger bitterer Erfahrung haben die Betroffenen immer noch nicht ganz verstanden, dass man einem Süchtigen, auch wenn er längere Zeit clean ist, offenbar niemals vertrauen, niemals glauben und erst recht niemals eine Entscheidung überlassen darf. Neil lässt sich von Bens gutem Eindruck täuschen und erlaubt ihm, für eine Nacht bei ihnen zu bleiben, obwohl irgendwas in ihm größere Zweifel hat und obwohl er schon zwei Hypotheken aufs Haus aufnehmen musste, um Bens wiederholte Entzugsversuche zu bezahlen. Holly schwankt zwischen hysterischer Freude und pragmatischen Überlegungen, weil sie wieder und wieder leidvoll erfahren hat, was Drogensucht bedeuten kann. Ivy besonders stark, die Szenen mit ihr sind mir besonders nahe gegangen – ihr Blick, ihre verkrampfte Körperhaltung, die Art, wie sie Ben sofort wegen jeder Kleinigkeit angeht, all das erzählt eine böse Geschichte, ohne dass wir explizit mehr darüber zu wissen brauchen. Sie ist die jüngere Schwester, die neben Holly am längsten mit Bens Sucht leben musste, die sich abgestrampelt hat, in der Schule büffelt wie verrückt, und die dennoch immer zurückstehen wird, niemals halb so viel Aufmerksamkeit und Fürsorge kriegen wird wie ihr Junkiebruder, den sie natürlich auf der anderen Seite auch liebt. Sie steht daneben und wartet nur auf das Eintreffen der nächsten Katastrophe, während die beiden kleinen Halbgeschwister mit fast schmerzhaft anzusehender Unbefangenheit mit Ben im Schnee tollen. Mir haben die Leider zu kurzen und zu wenigen) Szenen mit dem Familienkollektiv deshalb deutlich am besten gefallen, weil sie einfach ungeheuer stark sind und zeigen, wie eine ganze Familie co-abhängig wird und was das im Detail für sie bedeutet – Drogenverstecke im Haus auf dem Dachboden, schnell alle Wertsachen wegräumen, damit Ben sie nicht klauen kann, ständig zu befürchtende Einbrüche der Junkiefreunde Bens, von der absolut zermürbenden Angst um Bens Leben mal ganz abgesehen. Hollys und Bens Suche nach Ponce nimmt sehr viel Raum ein, zu viel für meinen Geschmack, aber es gibt zwischendurch immerhin ein paar sehr eindrucksvolle Momente, in denen Ben seiner Mutter klarzumachen versucht, dass sie ihn nicht völlig schützen, nicht behüten kann vor den Folgen seiner jahrelangen Sucht, denn die Szene, in die er abgestürzt ist, wird ihn nicht so schnell loslassen, seine Lügen werden nicht aufhören, und er wird immer alles tun, um den nächsten Schuss zu finanzieren, egal was er ihr zuvor versprochen hat. Holly weiß das mit ihren Verstand, doch will sie das noch immer nicht an sich heranlassen, will nicht resignieren, und natürlich ist es dieser ungebrochene Kampfgeist, der Ben am Schluss einmal mehr das Leben rettet, obwohl ich persönlich mich schon gefragt habe, was seine Perspektive überhaupt sein kann, denn es ist ja doch zu erwarten, dass einfach alles wieder von vorn losgehen wird, so wie schon zig Male vorher.

 

   Die Regie fällt durch angenehme Zurückhaltung auf, das Drehbuch gewichtet wie oben gesagt leider ein wenig unglücklich, und die Schauspieler sind durchweg erstklassig – mit einer großen Einschränkung leider, und die heißt Julia Roberts. Die mochte ich noch nie, wäre aber dennoch imstande, eine gute Darstellung anzuerkennen, so wie in „Erin Brokovich“, wo sie mir wirklich gefallen hat. Das hier ist einer jener unerträglich aufdringlichen Auftritte, die geradezu nach einem Oscar schreien, man spürt es in fast jeder Szene, sie beherrscht die Leinwand fast in jedem Moment, da sie zu sehen ist, und das finde ich einfach unangemessen, denn erstens geht mir ihr Getue nach kurzer Zeit auf den Geist und zweitens leiden neben ihr noch andere, doch die werden einfach an den Rand gedrückt. Weil sie sich sichtlich mit vollem Einsatz in diese Rolle wirft und alle nur denkbaren Emotionen aus sich rausholt, ist es sehr leicht, sie für ihre Holly zu bewundern. Ich tu’s nicht. (23.1.)