Colette von Wash Westmoreland. GB/USA, 2018. Keira Knightley, Dominic West, Denise Gough, Eleanor Tomlinson, Fiona Shaw, Aiysha Hart, Robert Pugh, Julian Wadham

   Vornweg der übliche Toast aufs neue Jahr und all die vielen schönen Stunden außerhalb des Alltags, die es mir hoffentlich bescheren wird.

   „Colette“ macht in dieser Hinsicht schon mal einen mehr als passablen Anfang. Filme über starke Frauen haben jetzt offenbar Hochkonjunktur, und für alle, die das noch nicht geschnallt haben, sind sie im Kinoprogramm sogar extra gekennzeichnet. Das sind in dieser Kinowoche allein nicht weniger als sieben – und da sage noch einer, wir kümmerten uns nicht um unsere Frauen…

   Aber Scherz beiseite – „Colette“ ist ein im besten Sinne klassischer Kunst- und Ausstattungsfilm, vollkommen gediegen in Szene gesetzt, und das meine ich diesmal sogar mal nicht despektierlich, denn er bemüht sich durchgehend erfolgreich, seinen optischen Schauwerten die gebotene Substanz an die Seite zu geben, und so sind knapp zwei anregende, stimmungsvolle und auch interessante Kinostunden entstanden.

   Der Name der französischen Autorin Colette ist hierzulande heute wohl nicht mehr allzu geläufig, wird vielleicht höchstens vage mit leicht pikanten bekenntnishaften Frauenbüchern aus längst verblichenen Zeiten in Verbindung gebracht, und die finden sich heute bestenfalls noch stark nachgedunkelt bei Fischer oder Rowohlt in irgendwelchen Antiquariaten, wie ich soeben beim Stöbern bei Amazon feststellen durfte. Wäre gar nicht verkehrt, wenn sich durch diesen Film ein bisschen was daran ändern könnte, denn es wäre bestimmt reizvoll, mal nachzulesen, was zu Beginn des vorigen Jahrhunderts die französischen (Frauen-)Gemüter bewegte, denn es wir ja mehrmals betont und gezeigt, dass die Claudine-Romane vor allem eine begeisterte weibliche Leserschaft hatten.

   Am Anfang ist die Colette noch Gabrielle, ein Mädchen mit langen Zöpfen aus einem Kaff namens Saint-Sauveur, dem ein deutlich älterer Herr namens Henry, oder in Künstlerkreisen bekannt als „Willy“ intensiv den Hof macht. Gabrielle tut in Gegenwart ihrer Eltern noch geziert und keusch, doch nachher in der Scheune nebenan geht’s ganz anders zur Sache, und so kommt es, dass Willy die junge Maid ins ferne Paris entführt, mitten rein in die brodelnde Szene. Willy hat bis jetzt eher kurze Sachen geschrieben, Theaterkritiken undsoweiter, und nun sucht er nach etwas Neuem, hat den Plan, einen Roman zu verfassen. Da kommt ihm das unvermutete Talent seiner jungen Gattin gerade recht, denn der geht das im Gegensatz zu ihm leicht von der Hand. Da aber der Literaturbetrieb wie jeder andere Kunstbetrieb damals (und auch heute noch) fest in Männerhand war, hätte eine Romanveröffentlichung unter weiblicher Autorenschaft kaum eine Chance gehabt, und außerdem ist der Herr Willy jemand, der sich vorzugsweise im eigenen Ruhm sonnt, und dass tut er nach Publikation des ersten Claudine-Romans ausgiebig und auch ohne allzu schlechtes Gewissen der wahren Autorin gegenüber. Die Beziehung der beiden ist sowieso eher zweckmäßig, es gibt zwischendurch eine turbulente ménage à trois mit einer gelangweilten amerikanischen Industriellenfrau, und überhaupt entdeckt Colette eine zunehmende Neigung zum eigenen Geschlecht, die sie dann in der langjährigen Beziehung zu Mathilde genannt „Missy“ auslebt. Entnervt von Willys Egoismus und dem ewigen Auf und Ab zwischen Euphorie und Geldsorgen wendet sie sich immer mehr von ihm ab, will ihre eigene Identität als Künstlerin festigen, tourt als Tänzerin und darstellende Künstlerin in einer fahrenden Truppe durch die Lande. Zum endgültigen Bruch des Ehepaares kommt es, als er die Rechte für alle bisherigen Claudine-Romane für schäbige fünftausend Francs an seinen Verleger verschachert, für sie eine schlimme Demütigung, was er natürlich nicht begreift. Sie beginnt wie zu schreiben, und diesmal publiziert sie unter eigenem Namen, und der wird ihr noch sehr viel Ruhm und Anerkennung einbringen…

   Also wir kriegen hier was fürs Geld: Das Porträt der Künstlerin als junge Frau, eine Selbstfindungs- und Emanzipationsgeschichte, ein Stückchen französischer Literaturgeschichte, verschiedene Variationen von erotischen Exkursionen und ein vitales Gesellschaftsporträt bezogen auf die Pariser Kulturschickeria des ganz frühen 20. Jahrhunderts, die ja damals schon gespickt war mit prominenten Namen. Westmoreland inszeniert ausgesprochen konventionell, lässt Bilder und Musik im hübschen Einklang schwelgen und tut das auch sehr gekonnt, geht niemals allzu sehr in die Tiefe, doch gelingen ihm immer wieder einprägsame Augenblicke, die uns die junge Colette doch ein wenig näher bringen, und vor allem sorgt das recht skurrile Personal drumherum für viel Leben und Unterhaltung. Der versnobte Männerclub der Kunstschaffenden kriegt dabei ordentlich sein Fett weg, und Westmoreland tut sehr gut daran, an dieser Stelle gar nicht mal so heftig zu agitieren, sondern die übliche Marginalisierung der Frauen als das darzustellen, was sie leider damals war (und weitgehend noch immer ist), nämlich als normal, alltäglich, selbstverständlich und eigentlich auch jenseits jeder Debatte. Umso beachtenswerter ist es immer wieder, dass es einigen Damen dann doch gelungen ist, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen und für ihre künstlerischen Leistungen anerkannt zu werden. So wie Colette es beispielsweise geschafft hat.

 

   Ein schöner und unterhaltsamer Film also, eine tolle Gelegenheit auch für Keira Knightley, sich nach längerer Zeit mal wieder ins Bewusstsein zu rücken und zu zeigen was sie kann. Mit Dominic West bildet sie ein starkes Paar, auf das sich der Film beruhigt verlassen kann, und sie beeindruckt vor allen dadurch, dass sie sehr zurückhaltend und nicht als Star auftritt. Hätte sie natürlich auch nicht nötig, passiert aber immer wieder. Diesmal eben nicht, und so fügt sich Knightley hervorragend ins Gesamtbild ein. Netter Auftakt also, und die nächsten starken Frauen warten schon um die Ecke… (4.1.)