Das Ende der Wahrheit von Philipp Leinemann. BRD, 2018. Ronald Zehrfeld, Alexander Fehling, Claudia Michelsen, Axel Prahl, Antje Traue, Katharina Lorenz, August Zirner, Walter Kreye

   Jetzt mal ehrlich – Drehbuchautoren, die es mit Verschwörungen haben, müssten hierzulande doch leben wie die Made im Speck. All unsere ewig herablassenden Sprüche über die Bananenrepubliken der sogenannten Dritten Welt können nie und nimmer darüber hinwegtrösten, dass die BRD eine der größten Bananenrepubliken ist und auch immer war. Seit es sie gibt, pflastern größere und kleinere Skandälchen ihren Weg, nur hört unsereiner nicht immer was davon, und die haben fast immer mit den Verflechtungen von Politik und Wirtschaft zu tun – genau wie überall anderswo auch, ob in Absurdistan oder Korruptistan, wo auch immer. Die dreckigen Deals der Anzugträger würden die Drehbücher ungezählter Kinofilme füllen, doch aus ganz naheliegenden Gründen tun sie das natürlich nicht, denn wer hat denn gesagt, dass Filz und Vetternwirtschaft und Einflussnahme ausgerechnet vor den Künsten haltmachen sollen. Tun sie nämlich nicht, und so findet einmal im Jahr oder so mal ein kleines Politthrillerchen den Weg zu uns, meistens via TV, höchst selten nur übers Kino, das hat im Wirtschaftswunderländle einfach keine Tradition. Verstehe ich auch, man beißt nicht die Hand, die einen füttert (Zitat aus diesem Film übrigens). Und wenn dann mal alle Jubeljahre ein Filmemacher einen Thriller für die große Leinwand wagt, dann kann ich meinen Allerwertesten verwetten, das tags drauf sofort das Feuilleton auf den Plan tritt und uns doofen Kinogängern verächtlich erklärt, wieso das wieder ein typisch deutscher kleingeistiger und kleinbürgerlicher Murks geworden ist, weil wir können einfach kein Genre. Hach ja, wir können einfach nicht aus unserer Haut…

   Also ich geb‘s zu, ich mag Verschwörungsfilme, ich geh gern ins Kino, um mich mies zu fühlen und gezeigt zu kriege, wie scheiße das ganze System ist, wie kaputt und korrupt und überhaupt. So bin ich halt – die einen schauen sich nur Wohlfühlkram an, ich schau mir lieber den Miesepeterkram an, jeder wie er möchte. Und wenn ich dann schon die Gelegenheit kriege, geh ich logischerweise auch gern hin, hab ich auch diesmal getan und einhundert überaus spannende, unterhaltsame und wohlig gruselige Miesfühlminuten genossen.

   Herr Behrens ist BND-Mann und steckt mitten drin ins der Mühle aus Menschenverachtung, Manipulation, Rücksichtslosigkeit und Kalkül. Er luchst einem Asylsuchenden aus der Grenzregion zwischen Afghanistan und einem Nachbarstaat namens Zahiristan (herrlich – die 50er Jahre sind doch noch nicht vorbei…) als Dolmetscher getarnt dessen Handy ab, weil es ihn zu einem international gesuchten Terroristen führt, und kurze Zeit später schickt der große Bruder CIA ne Drohne los, und es macht bumm. Leider geht auch der Informant hops, wird vor laufenden Kameras einen Kopf kürzer gemacht, aber das geht in Geheimdienstkreisen allemal als Kollateralschaden durch. Als dann aber die Journalistin Aurice in einem Münchner Café in einem als Terroranschlag getarnten Attentat erschossen wird, brennen bei Behrens ein paar Sicherungen durch, denn die beiden waren ein heimliches Paar. Behrens‘ Chefin erfährt davon, und versucht, ihn erstmal aus der Schusslinie zu nehmen, doch es ist zu spät. Aurice hatte eine heiße Story um einen Konzern namens Global Sowieso, der ganz offenbar gute Geschäfte mit Waffenexporten nach Zentralasien macht, was umso pikanter ist, weil just zu dieser Zeit ein Waffenembargo aufgehoben werden könnte, und das würde natürlich bedeuten, dass ab sofort wieder fröhlich Geschäfte mit allen Kriegsparteien gemacht werden können. Noch pikanter ist aber die Tatsache, dass ein ranghoher BND-Mann drauf und dran ist, zu Global Sowieso überzuwechseln, weshalb er alles dransetzt, ein paar Strippen in seinem zukünftigen Interesse zu ziehen. Dieser Herr Dr. Rauhweiler hat einen jungen ehrgeizigen Kläffer namens Lemke im Gepäck, der sich zuerst mal um Behrens kümmert und ihn kaltstellen will. Wie es sich aber gehört, lässt Behrens nicht locker und kann Lemke schließlich auf seine Seite ziehen. Der Versuch, die anstehenden Deals vor Ort in Zahiristan aufzudecken, enden in einem blutigen Fiasko, dem auch Lemke zum Opfer fällt. Behrens kann daheim aber die Strippenzieher drankriegen, weil er einen Stick mit belastendem Material von Aurice findet, und da ist auch seine Chefin zu sehen, die jetzt auch noch Chefin des BND insgesamt wird. Er einigt sich mit ihr dahingehend, dass die Verantwortlichen für den Anschlag auf Aurice erwischt werden (noch ne Drohne, nochmal bumm), und dafür wird er sie nicht öffentlich hinhängen. Das nennt man in diesen Kreisen wohl Diplomatie…

   Natürlich könnte man die Schwächen des Drehbuchs sofort an zehn Fingern abzählen. Randvoll mit Klischees, was die Personenzeichnung angeht, andererseits recht vage im Hinblick auf unseren Helden, dessen BND-Zugehörigkeit uns irgendwie nicht einleuchten will. Seine krausen Privatgeschichten sind ebenso unübersichtlich wie die ganze internationale politische Gemengelage. Lemkes Umschwenken kommt reichlich plötzlich und unmotiviert. Und den Schluss könnte man wahlweise als zynisch oder naiv oder beides bezeichnen. Das alles mag richtig sein und diesen Film auf jeden Fall davon abhalten, ein bahnbrechendes Meisterwerk zu sein – das das ist mir ehrlich gesagt völlig schnuppe, denn erstens ist er echt spannend und zwar durchgehend spannend, und zweitens hat er doch das eine oder andere ziemlich Treffende über unsere schöne neue Welt zu sagen. Vor allem darüber, dass einflussreiche Kreise in den westlichen Industrienationen (und damit sind alle westlichen Industrienationen gemeint!) null Interesse daran haben, dass eines Tages alles Kriege und Krisen auf Erden beigelegt sein werden. Im Gegenteil tun sie, was in ihrer Macht steht, um diese Kriege immer weiter am Leben zu erhalten, und dabei ist ihnen vollkommen egal, welcher Mittel sie sich bedienen müssen, denn sie können es, weil sie die Macht haben. Politik und Geheimdienste unterstützen sie dabei, denn auch ihre Interessen liegen hier in der Waagschale, und was könnte verlockender sein, als die sogenannte nationale Sicherheit mit handfesten und lukrativen Geschäften zu verbinden. Genau darum geht es hier und zwar mit der notwendigen Konsequenz und dem notwendigen ruppigen Zorn. Korruption macht vor niemandem Halt, auch nicht vor Behrens‘ Chefin, und als Behrens sich eines Tages von seiner kleinen Tochter fragen lassen muss, wieso er selbst all das getan hat, fällt ihm keine Antwort ein – was ich, wie oben schon gesagt, etwas schade finde und an dieser Stelle auch deutlich zu wenig, es sei denn, man will Behrens als bekehrten Saulus darstellen, was aber doch ziemlich einfältig wäre. Nein, trotz aller möglichen Einwände finde ich es richtig gut, dass es Filme wie diesen gibt, denn im Grunde haben sie ja Recht: Es werden täglich dreckige Geschäfte in Milliardenhöhe gemacht, von denen wir besser gar nicht wissen. Es wird gemauschelt und geschoben und vertuscht, und zur Not werden eben auch mal gröbere Methoden ausgepackt, um das Erstrebte zu erreichen. Eine kleine Drohne zum Beispiel. Das hat uns unsere Nachkriegsgeschichte doch wohl allemal gelehrt, dass die Geheimdienste in der Wahl ihrer Mittel noch nie zimperlich waren, nirgendwo auf der Welt, und auch in der BRD nicht, und wie können wir nur auf die Idee kommen, dass wir in dieser Hinsicht besser und reiner wären als andere?

 

   Philipp Leinemann, dem einst mit “Wir waren Könige“ schon ein fabelhafter Polizeifilm gelang, hat gradlinig und straff und auf den Punkt inszeniert, hat den einen oder anderen Effekt mitgenommen, aber Herrgottnochmal, es soll ja auch ein Thriller sein und keine Arte-Doku. Zehrfeld ist effektvoll wie immer mit seiner wuchtigen Präsenz, und Fehling liefert ein tolles Porträt eines Karrieristen, dem sein Weltbild am Schluss buchstäblich um die Ohren fliegt. Aber warum die unvermeidliche Claudia Michelsen in gefühlt jedem zweiten deutschen Film dabei sein muss, verstehe wer will. Egal. Der Film verbindet Spannung und politisches Statement ziemlich überzeugend, und wenn er hier und da ein bisschen zu plakativ wird, dann kann ich persönlich ihm das gut und gern nachsehen, denn es ist allemal besser, einen solchen Film mit seinen kleinen Schwächen zu haben, als gar keinen. Dann hätte das Feuilleton garantiert auch was zu meckern… (13.5.)