The Lighthouse (Der Leuchtturm) von Robert Eggers. USA/Kanada, 2019. Willem Dafoe, Robert Pattinson
Was diesen Film besonders macht und unabhängig von allen übrigen Urteilen auf jeden Fall aus der breiten Masse herausragen lässt, ist seine äußere Erscheinung (und die ist meiner Meinung nach auch schon das mit Abstand Interessanteste daran…). Das herrlich körnige, ausdrucksvolle Schwarzweiß, das schroffe, archaische Setting, das fast quadratische, antiquierte Bildformat, das uns unweigerlich an die klassischen alten Dramen aus grauer Vorzeit denken lässt. Dazu gesellt sich ein Filmemacher, der mit seinem Erstling “The Witch“ bereits einen äußerst originellen, eigenwilligen Horrorfilm geschaffen hatte und somit alle Voraussetzungen für einen weiteren außergewöhnlichen Wurf mitbrachte. In diesem Falle allerdings muss ich sagen, dass die Faszination der künstlerischen Form nicht ganz ihre Entsprechung im Inhalt findet.
Zwei Männer auf einer kargen kleinen Felseninsel, die nur von einem Leuchtturm bebaut ist. Der eine ist ein alter Haudegen namens Thomas, der andere der junge Ephraim, der noch angelernt werden soll. Das Zusammenfinden der beiden gestaltet sich sehr holprig, da sie doch sehr unterschiedlich sind. Ephraim ist entnervt über Thomas‘ rohes, derbes Benehmen, der Ältere wiederum mokiert sich darüber, dass der Jüngere nicht in die üblichen Männlichkeitsrituale einsteigen will (saufen, grölen, furzen, Witze reißen). Thomas besteht strikt auf Einhaltung der Hierarchie, lässt den Chef raushängen, lässt den Jüngeren hart schuften und schikaniert ihn nur noch übler, als Ephraim anfängt, sich aufzulehnen. Ephraim lässt sich schließlich ein Stück weit auf Thomas‘ Masche ein, und bei viel Sturm und Schnaps kommen sich die beiden dann doch näher und erzählen ein bisschen von sich und von den Leichen, die sie beide im Keller haben. Auch Ephraim hat ein paar dunkle Seiten, die nun zunehmend zutage brechen, zum Beispiel beim wilden Töten der Möwe, und da Thomas ihm weiterhin eine Behandlung auf Augenhöhe verweigert, kommt es schließlich, wie es kommen muss. Die Fäuste werden ausgepackt, schließlich eine Pickaxt, und erst stirbt Thomas durch die Hand Ephraims, dann kommt auch Ephraim zu Tode, als er geblendet vom hellen Licht des Leuchtturms die Stufen hinabfällt. Am Schluss tun sich die Möwen gütlich an seinen Augen und seinen Innereien, als er nackt und tot draußen auf den Felsen liegt, aber klar, wir haben schon verstanden, dass der eigentliche Horror anderswo zu finden ist.
Eher wohl in der Tatsache, dass Männer einfach keine vernünftigen Lösungsstrategien in petto haben und lieber gleich zur Axt greifen. Thomas und Ephraim finden keinen Weg, die vier Wochen in Isolation, Einsamkeit, Enge und Beklemmung gemeinsam zu bewältigen. Erotische Phantasien helfen da nicht auf Dauer, Selbstbefriedigung leider auch nicht, und die üblichen Mechanismen von Konkurrenz, Machtgefälle und Dominanzgehabe greifen unfehlbar, eins ins andere, bis die Eskalation nicht mehr aufzuhalten ist, zumal beide allmählich dem Wahnsinn anheim zu fallen scheinen und längst keine Kontrolle mehr über die Situation und ihr Verhalten haben. Insofern ist dies eine Parabel über Menschen in ganz elementaren, reduzierten Situationen, möglicherweise eine psychologische Studie über das Entstehen von Gewalt, aber vielleicht hatte Robert Eggers soviel auch gar nicht im Sinn, sondern wollte eher einen düsteren, klaustrophobischen Effektfilm in schicken Look produzieren. Mit Hilfe der beiden tollen Hauptdarsteller ist ihm durchaus einiges gelungen. Dafoe und Pattinson spielen mit wuchtigem, vollen Körpereinsatz, grimmigen Bärten und wilden Blicken und vollziehen so die Rückwärtsbewegung in Richtung Neandertal brillant und absolut überzeugend nach. Das ist schon beeindruckend mitanzusehen, nur wenn ich anfange, nach der Substanz des Ganzen zu suchen, fällt mir doch recht wenig ein, da ist mir der Film schlicht und ergreifend nicht spannend genug. Den Fortgang der Geschichte erahnt man eigentlich schon nach fünf Minuten, pünktlich mit dem Ausbrechen der ersten Dissonanzen zwischen den beiden, und fortan werden die Motive ihrer Beziehung zueinander bestenfalls variiert und das auch noch wenig einfallsreich, und folglich bleibt dieses Miteinander mitsamt all der absehbaren Differenzen und Konflikte eher an der Oberfläche, es fehlen die Überraschungen, die wirklichen Abgründe, und ein Horrorfilm entsteht ja nicht nur dadurch, dass eine Hacke benutzt wird und ein paar Federviecher einem toten Mann die Gedärme rauszupfen. Die Atmosphäre ist durchweg schwer und düster, doch weder gruselig noch angsteinflößend noch irgendwie besonders tiefgehend, jedenfalls gilt das für mich. Vielleicht lag’s auch an der späten Stunde, denn gut hundertzehn Minuten bis knapp vor Mitternacht sind mitten in der Woche schon eine harte Nummer. Das täuscht aber nicht darüber hinweg, dass hier auf inhaltlicher Ebene lange nicht so viel Aufregendes geschieht wie auf künstlerischer und schauspielerischer, und unter diesem Gefälle leidet die Qualität des Films schon, wobei ich betonen muss, dass ich gegen ein zünftiges Stück Mitternachtskino gar nichts einzuwenden habe, wenn es mich denn zuverlässig wachhält.
Vielleicht wird Robert Eggers die einzelnen Elemente in seinem nächsten Projekt wieder etwas überzeugender zusammenfügen. Würde mich freuen, denn ein unkonventioneller Geist ist er auf jeden Fall in der einförmigen US-Filmlandschaft. Für diesmal jedoch gilt einmal mehr das Standardurteil dieses Kinojahres: Halbgut. (19.12.)