Destroyer von Karyn Kusama. USA, 2018. Nicole Kidman, Sebastian Stan, Tatiana Maslany, Toby Kebbell, Bradley Whitford, Jade Pettyjohn, Scoot McNairy, Toby Huss
Gleich in der ersten Szene dacht ich schon: Meine Fresse, sieht die fertig aus, und auch die Kollegen am Tatort fragen ironisch, ob’s ne harte Nacht war. Erst ganz am Ende, wenn sich der Kreis schließt und die Story ihre letzte Zeitschleife zieht, versteht man, dass es nicht nur ne harte Nacht war, sondern zugleich auch die letzte, und dass die Frau so kaputt aussieht, weil sie bald sterben wird, und das tut sie dann auch, ganz stumm und einsam im Auto, den starren Blick aus todmüden Augen in den grellen Morgenhimmel von L.A. gerichtet. Ein paar Jungs üben Skateboard, und das wird das letzte sein, was sie ihm Leben sieht. Schon eine starke Szene, ganz still (trotz der Musik, auf die ich gern verzichtet hätte diesmal), ganz traurig, und normalerweise sterben so ja immer nur die Männer, hart, stoisch, einsam, männlich halt. Das deutet darauf hin, worauf es Karyn Kusama offensichtlich abgesehen hat, nämlich auf einen modernen Film Noir mit allen Regeln des Männerkinos, nur eben mit einer Frau am Steuer. Was genau hat sie damit im Sinn? Will sie beweisen, dass Frauen genauso gut in der Männerliga spielen können wie die Kerle selbst? Dass sie diese uralte Sado-Maso-Masche genauso gut draufhaben wie die harten Jungs? Okay, wenn es das war, worauf sie hinauswollte, kann man ihr wohl bescheinigen, dass sie den Beweis überzeugend und nachhaltig geführt hat. Was die Nicole hier in zwei düsteren Stunden einstecken muss, ist reichlich genug, um jedem Film-Macho einen Heidenrespekt einzuflößen. Reicht das aber für einen wirklich guten Film? Ich weiß nicht so recht…
Erin ist Cop beim LAPD und wird zusammen mit ihrem Kollegen Chris undercover in die Organisation des fiesen Gangsters Silas eingeschleust. Die beiden fangen was miteinander an, und Erin kommt auf die Idee, sich an Silas‘ Geschäften zu beteiligen, um das magere Gehalt aufzubessern, und als ein großer Bankjob ansteht, sieht sie die Chance auf den Hauptgewinn gekommen. Doch alles geht furchtbar schief, Chris wird von Silas getötet, Erin kommt mit knapper Not und der Beute davon und kann anschließend wieder als Detective einsteigen, ohne dass ihre krumme Tour ans Tageslicht kommt. Dafür kommt etwas anderes ans Tageslicht, nämlich ein paar Monate später die kleine Shelby, Erins und Chris‘ gemeinsame Tochter. Erin aber ist total im Arsch, kann sich um Shelby kaum richtig kümmern, stürzt ab in Alkohol und Depression. Mittlerweile ist Shelby sechzehn und lebt zumeist bei einem späteren Ex, doch weder der noch erst recht die Mutter haben den aufsässigen Teenie im Griff, und als sie sich einen älteren Freund angelt und in entsprechenden Kreisen verkehrt, ist Dauerkrise angesagt. Dann kriegt Erin Post aufs Revier, einen Umschlag mit einem eingefärbten Schein, Teil der Beute des bewussten Bankraubs. Sie weiß, dass der Schein von Silas kommt und macht sich auf die Suche, um Chris‘ Tod zu rächen. Die Suche ist zäh und mühsam, erst recht in ihrem zerschossenen Zustand, die Sorge um Shelby läuft parallel, und als sie schließlich Petra ausfindig macht, Silas‘ Freundin, naht der Tag der Rache. Doch sie wird von Petra so heftig geprügelt und getreten, dass sie an ihren inneren Verletzungen schließlich stirbt, nicht ohne vorher noch einen halbwegs versöhnlichen Moment mit ihrer Tochter erlebt zu haben.
Der Film ist fraglos effektvoll inszeniert. Die Story springt unentwegt zwischen den verschiedenen Zeitebenen hin und her, viele Zusammenhänge werden erst nach und nach klar, und wenn wir uns nach zwei Stunden plötzlich wieder am Ausgangspunkt wiederfinden, ist das schon eine sehr gekonnt eingefädelte Überraschung, wenn auch natürlich keine sehr angenehme. Alle Zutaten des männlichen Scheißfatalismus sind vertreten, Erin durchläuft jedes vorgesehene Stadium der Hölle, wandelt schließlich wie ein echter Zombie durch die Tristesse der Stadt, verloren, geschlagen, in jeder Hinsicht ein Wrack. Unter all den Prügeln und Demütigungen, die sie mit echt männlicher Gleichmut hinnimmt, ist irgendwo ein Rest alter Zähigkeit geblieben, und so fokussiert sie sich ganz auf das letzte Ziel, das ihr Leben noch lebenswert macht, nämlich das Schwein zu kriegen, das ihr Leben zerstört hat. Alles schon x-mal dagewesen, keine Frage, und ich finde eben nicht, dass allein die Tatsache, dass der kaputte Held diesmal eine Frau ist, schon einen besonderen Film macht. Man kann Kidmans heroischen Mut zur Hässlichkeit bewundern, oder auch nur die Kunstfertigkeit der Maskenbildner, und sicherlich bietet sie unterm Strich eine überzeugende Leistung mit starrer Mimik und gebrochener Körpersprache, doch ist mir das alles eine Spur zu übertrieben und masochistisch. Es bleibt ihr wirklich nichts erspart im Laufe der Zeit, ständig kriegt sie noch eins drauf und noch eins, und gerade wenn man denkt, jetzt ist aber genug, kommt noch eins obendrauf. Nur frage ich mich allen Ernstes, wie es sein kann, dass so jemand noch Teil einer Polizeibehörde ist, aber diese Frage stelle ich mir mittlerweile bei mindestens jedem zweiten Krimi. Kusama arrangiert atmosphärische Bilder und Szenen, handhabt die fragmentierte Chronologie sehr gekonnt, hätte Kidman aber insgesamt einfach mehr Raum geben müssen, um ihre Figur etwas mehr anzufüttern. Nur Leid und Qual und Pein, das erscheint mir auf Dauer etwas zu eindimensional. Gerade die vorletzte Szene mit der Tochter deutet an, dass vielleicht doch mehr möglich gewesen wäre, auch ein wenig Hoffnung auf Zukunft, doch so bleibt in Erins Leben alles dunkel und aussichtslos und verzweifelt. Sie vollendet ihre Rache und setzt sich dann ins Auto zum Sterben, ganz für sich und unbemerkt von allen. Sehr männlich eben – toll. (20.3.)