Downton Abbey von Michael Engler. England, 2019. Hugh Bonneville, Elizabeth McGovern, Michelle Dockery, Laura Carmichael, Maggie Smith, Allen Leech, Harry Hadden-Paton, Imelda Staunton, Tuppence Midleton, Penelope Wilton, Phyllis Logan, Jim Carter, Joanne Froggat, Brendan Coyle, Raquel Cassidy, Robert James-Collier, Sophie McShera, Lesley Nicol
Wahrscheinlich haben wir nichts anderes verdient – warum haben wir die armen Briten auch so schnöde aus Europa verstoßen…? Die rächen sich jetzt jedenfalls und schmieren uns mit sichtlichem Genuss ihren übelsten royalistischen Bockmist um die Ohren, und das tun sie so schamlos, dass es fast schon wieder smart ist. Ich habe diesen Film in Erinnerung an die langlebige TV-Serie gesehen, denn die mochte ich durchaus gern und die war nie und nimmer so widerlich staatstragend und seicht wie das hier. Ein zweistündiges Hohelied auf die Monarchie und das britische Kastensystem, in dem ein jeder seinen Platz hat und auch glücklich werden kann, sofern er sich in seine Rolle fügt und sie im Dienste ihrer Majestät mit Freuden ausfüllt. Kein Scherz, genau so kommt das rüber, und ich musste mit zunehmend drängendem Brechreiz kämpfen, so sehr war mir dieses Spektakel zuwider, und leider passierte herzlich wenig, um diesen frustrierenden Gesamteindruck zu mildern.
Die Story ist denkbar einfach: Das Königspaar kündigt sich auf Downton an, und alle rotieren wie irre, um sich der großen Ehre als würdig zu erweisen. Upstairs gibt’s Stress wegen einer umstrittenen Erbschaft, downstairs gibt’s Stress, weil sich die königliche Leibgarde als furchtbar hochnäsig und herablassend erweist. Und dazwischen gibt’s dann doch die vielen kleineren Geschichten, durch die sich die Serie vor allem auszeichnet. Und da geht’s auch direkt zum größten Problem des Films: Er kann in zwei Stunden eben nicht in vergleichbarem Detail diesen vielgestaltigen, vielstimmigen, komplexen Kosmos von Downton erfassen, wie es die Serie auf viel mehr Raum vermag. Aber er versucht’s, und das geht eben total daneben. Alles wird flüchtig gestreift und angerissen, keiner der vielen vielen wunderbaren Schauspieler hat eine Chance, besonders zur Geltung zu kommen, und das heißt eben auch, dass der Human Touch völlig fehlt. Der wird ersetzt durch eine komplett automatische Regie ohne jeglichen erkennbaren künstlerischen oder gestalterischen Akzent, einen unerträglichen 50er-Jahre-Soundtrack, für den man den Komponisten am liebsten töten möchte und beliebig monotone Postkartenbilder wie aus dem Katalog. Ein Film garantiert ohne Ecken und Kanten, ohne Charakter und natürlich ohne den Hauch von Subversivität dem Willen zur Ironie. Allerdings kein Film ohne Haltung, denn die macht er unmissverständlich klar: Der britische Adel wird als wertvolle, unverzichtbare Stütze der Gesellschaft gefeiert, zwischenzeitliche Selbstzweifel werden sofort weggewischt („Aber nein, das Dorf braucht euch, Downton ist das Herz der Gemeinde.“) die Rangordnung im Klassengefüge wird als unumstößlich bestätigt, und weil man großzügig und modern ist, dürfen sogar die Homosexuellen auf eine Zukunft hoffen. Und sogar die Iren (die in der Hackordnung womöglich noch unter den Homosexuellen rangieren), aber nur wenn sie keine fiesen Attentäter sind und den armen König meucheln wollen, so wie hier. Gemeint sind die guten, die geläuterten Iren, die tief drin in ihrem torfigen Herzen möglicherweise noch ein paar republikanische Gefühle hegen, die sich aber durch gute Erziehung – durch gute englische Erziehung heißt das – zu vernünftigen und brauchbaren Mitgliedern der Gemeinschaft gemausert haben, so wie Mr. Branson, dem zur Belohnung ein reizendes rehäugiges Mädel winkt, das auch noch in froher Erwartung einer dicken Erbschaft ist und mich an ein anderes reizendes rehäugiges Mädel aus „Fisherman‘s Friends“ erinnert...
Ansonsten fallen mir nicht viele Lichtblicke ein. Wie gesagt, all die vielen charismatischen Typen kommen so gut wie gar nicht zur Wirkung, das Feintuning im zwischenmenschlichen Bereich fehlt, weil es auch so gut wie keinen zwischenmenschlichen Bereich gibt, statt einer geschlossenen Erzählung zerfallen die zwei Stunden in beliebige kurze Schnipselchen, und dass ein renommierter Autor wie Julian Fellowes sich ein solch schwaches Drehbuch geleistet hat, fand ich schon einigermaßen überraschend, zumal er die Serie ja auch schon gestaltet hat und das ungleich überzeugender, gewitzter, unterhaltsamer. Denn nicht mal das kriegt dieser Film zustande – ich hatte mich wenigstens auf ein gediegenes Stückchen britischer Kostümunterhaltung gefreut, und stattdessen bekam ich hohlen, pompösen Kitsch, in dem allerhöchstens die unverwüstliche Maggie Smith und die ebenbürtig brillante Imelda Staunton ein paar amüsante Momente zwischendurch haben, bevor auch ihre Rollen in Pathos und seifiges Wohlgefallen versinken. Ich weiß nicht, wie die eingefleischten Fans der Serie zu diesem Film stehen, denn dazu würde ich mich jetzt auch nicht rechnen. Aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass irgendjemand dieses ausgesprochen unerfreuliche Produkt als eine würdige Nachlese begrüßen könnte. Ich fand’s ätzend und habe zwei vergeudete Stunden im Kino zugebracht. (23.9.)