L’échange des princesses (Ein königlicher Tausch) von Marc Dugain. Frankreich/Belgien, 2017. Igor van Dessel, Anamaria Vartolomei, Kacey Mottet Klein, Juliane Lepoureau, Lambert Wilson, Catherine Mouchet, Maya Sansa, Andréa Ferreol, Thomas Mustin, Olivier Gourmet
Wenn ein Plan danebengeht, oder so ähnlich. Auch die „besten“ Absichten können manchmal nicht verhindern, dass sich die Dinge anders entwickeln als gewünscht, und das müssen in diesem Fall sogar mal gekrönte Häupter zur Kenntnis nehmen. Mit denen kenne ich mich echt nicht aus. All die Dynastien und Erbfolgekriege und sonstigen Machtspielchen, die ganze europäische Inzucht, all die Ludwigs und Philippes und Karls und wie sie alle noch heißen – die gehen mir mit Verlaub am Hinterteil vorbei, was aber nicht heißen soll, dass sie nicht immer mal für einen schön unterhaltsamen Kostümschinken gut wären. Denn das sind sie allemal.
Dies hier ist so einer, eigentlich noch ein bisschen mehr. Ein Film, der gute Unterhaltung verbindet mit einer Reflexion über Staatsräson, Macht und Selbstbestimmung bzw. dem Mangel daran. Ein Film, der auf einer tatsächlichen Konstellation basiert, aber das ist mal wieder unerheblich, denn die Geschichte wäre auch so höchst interessant: Um endlich den blutigen, verlustreichen und vor allem sauteuren endlosen Krieg um Thronfolge und Vorherrschaft in Europa beizulegen und die heimischen Staatskassen ein wenig aufatmen zu lassen, beschließt Philippe von Orléans, zu jener Zeit Frankreichs Regent, da der eigentliche König Louis XV noch nicht mündig ist, seine zwölfjährige Tochter Louise-Élisabeth runter nach Spanien zu schicken, um sie dort dem Thronfolger Don Luis zur Frau zu geben. Zeitgleich setzt Spaniens König Philipp V. seine nicht mal dreijährige Tochter Marie-Victoire in die Kutsche Richtung Versailles, wo sie wiederum den acht Jahre älteren Louis XV ehelichen wird. Auf der Insel der Fasane fand der Austausch statt, doch früh schon wird klar, dass nicht alles nach Plan läuft. Louise-Élisabeth gibt sich zickig und abweisend und denkt nicht daran, gute Miene zum Spiel zu machen, und Marie-Victoire hat ungefähr die Statur eines Kurzhaardackels und wird am französischen Hof einfach nicht ernst genommen, auch nicht vom ebenfalls noch sehr schmächtigen Louis. Undenkbar, dass dieses winzige Wesen einmal imstande sein soll, ihrem Gemahl Thronfolger zu gebären. Genauso undenkbar scheint es, dass zwischen Louise-Élisabeth und dem zwei Jahre älteren Don Luis jemals die Ehe vollzogen werden wird, denn sie ist kratzbürstig und er total unbeholfen und überfordert. An beiden Höfen wächst also der Frust. Philipp V gibt kurzzeitig die Krone an den Sohn weiter, doch tut er dies eher aus verzweifeltem Trotz seinen Vorfahren und deren Erwartungen gegenüber und in dem ahnungsvollen Wissen, dass sein Sohn diese Rolle nicht ausfüllen wird. Luis erkrankt tatsächlich nach kurzer Zeit an den Pocken und stirbt daran als Siebzehnjähriger. Seine Frau überlebt, obwohl bei Hof alles getan wird, um ihr nicht zu helfen, denn sie wird offen gehasst und als Fehler eingestuft. Immerhin hatte sie letztlich doch noch Zuneigung zu Louis gefasst und ihn tatsächlich in ihr Bett gelassen, doch da war es schon zu spät. Konsequenterweise geht man nun daran, den einst vorgenommenen Prinzessinnentausch rückgängig zu machen, und so geschieht es, denn in Versailles tut sich zwischen dem mittlerweile volljährig gewordenen und als König regierenden Louis und der kleinen Marie-Victoire nach wie vor rein gar nichts. An einem nebelverhangenen Morgen kreuzen sich wieder die Wege der Kutschen, diesmal in entgegengesetzter Richtung. Im Nachspann werden wir kurz über die weiteren Lebenswege der drei Überlebenden informiert: Louis XV wird fast sechzig Jahre als König regieren und einen ganzen Haufen Kinder in die Welt setzen. Marie-Victoire wird in die portugiesische Dynastie einheiraten und auch ein paar Kinder haben. Louise-Élisabeth hingegen wird keine glamouröse Zukunft beschieden sein, mit fünfunddreißig stirbt sie verarmt, einsam und vergessen in Paris. Jaja.
Vor allem anderen ist dies erstmal ein Film fürs Auge, besser gesagt ein Fest fürs Auge, eine brillant arrangierte Abfolge wunderschön beleuchteter und ausgestatteter Tableaus, einhundert genussreiche Minuten, umso mehr, als die immense optische Attraktivität keineswegs reiner Selbstzweck in einem oberflächlichen Epos ist. Denn das kann man diesem Film sicherlich nicht vorwerfen. Hier wird weniger mit den Mitteln des gängigen Historienspektakels gearbeitet, keine Schlachtszenen, keine opulenten Massenaufläufe, kein spekulativer Sex für das moderne Publikum, sondern fast ausschließlich Dialoge, die äußerst gekonnt die zentralen Themen aufgreifen, variieren und uns ein Gesellschaftsbild präsentieren, das insgesamt wenig freundlich ausgefallen ist. Wir sehen viele Menschen, von denen kein einziger frei ist, auch nicht die gekrönten Häupter, niemand trifft eine einzige freie Entscheidung, alles ist dem vermeintlich höheren Interesse untergeordnet, dem Streben nach Macht oder Frieden oder was auch immer. Erst später in der Geschichte sind es vor allem die vier jugendlichen Protagonisten, die sich hier und da eine gewisse Freiheit herausnehmen. Louis wird zunehmend unabhängig in seinen Entscheidungen und schafft es schließlich, seinen unerträglich eitlen Premierminister Condé rauszuwerfen. Marie-Victoire besteht am Hof wider alle Erwartungen, lebt mit der allgemeinen Missachtung, auch durch den König, nimmt sich die Freiheit, ihn zu lieben, obwohl diese Liebe zu keiner Zeit auch nur im Ansatz erwidert worden wäre. Louise-Élisabeth nimmt sich von Anfang an gewisse Freiheiten, ignoriert höfische Etikette bewusst, stößt ihren tollpatschigen Gatten zurück, sobald er sich ihr nähert, um sich später dann doch für ihn zu entscheiden, als die allgemeine Stimmung schon wieder in die Gegenrichtung läuft. Luis wiederum übersteht viele arg peinliche und für ihn gewiss demütigende Momente und steht seinen Eltern gegenüber bis zuletzt zu seiner Frau, tritt ihnen zunehmend selbstbewusst gegenüber. Ansonsten weiß ein jeder, wo sein/ihr Platz ist, vor allem die erfahreneren Frauen machen sich gar keine Illusionen darüber, dass sie nur Verhandlungsmasse, Gebärmaschinen, Spekulationsfleisch sind. Dieser Akzent wird in mehreren Szenen ziemlich scharf herausgearbeitet und passt damit ganz gut in das große Thema „Frauen“ in diesem Jahr. Die Frauen sind hier ganz klar die Machtlosen, die Männer haben die macht, zumindest oberflächlich betrachtet, doch dahinter offenbaren sich ein par ziemlich erbarmungswürdige Charaktere voller Selbstzweifel, Depressionen, Verunsicherung oder fast kindischem Geltungsdrang. Dier vier jungen Leute zeigen sämtlich deutlich mehr Würde als die Alten, vor allem deutlich mehr Willen zur Aufrichtigkeit, doch wissen wir auch, dass ihnen genau dieser Wille im weiteren Verlauf ihres Lebens im Rahmen ihrer Rollen abgewöhnt werden wird.
Alles in allem ein wirklich sehr erfreulicher Film, ebenso schön wie klug, sehr konzentriert, intensiv und pointiert inszeniert und geschrieben und ausgezeichnet gespielt. Auf jeden Fall einer der besten, eigenwilligsten und interessantesten Historienfilme der letzten Jahre. Gut, dass es die Monarchen gibt… (5.3.)