Deux moi (Einsam Zweisam) von Cédric Klapisch. Frankreich, 2019. François Civil, Ana Girardot, François Berléand, Camille Cottin, Simon Abkarian, Eye Haïdara, Rebecca Marder, Marie Bunel, Patrick d’Assumçao, Zinedine Soualem

   In Filmen wie „…und jeder sucht sein Kätzchen“ oder „So ist Paris“ hat Monsieur Klapisch bereits mehrfach Kostproben seiner ganz eigenen Paris-Romantik verabreicht. Charmant, verschroben, sehr französisch und irgendwie von einem etwas anderen Stern. In diese Richtung geht nun auch sein neuester Film, die Geschichte zweier einsamer junger Großstadtpflanzen, die einhundert Minuten plusminus benötigen, um wie erwartet schlussendlich zueinander zu finden, so wie wir es von Anfang an erwartet und erhofft haben.

  Rémy und Mélanie wohnen Wand an Wand mit Blick auf die Bahnlinie, und hinter ihnen, aber das können sie leider nicht von ihren Balkons aus sehen, der Montmartre mit der Kitschkirche oben drauf. Sie sind Singles, mehr oder weniger unglücklich, mehr oder weniger einsam und in allem ganz normale Leute wie du und ich. Im Beruf keine Überflieger, aber durchaus mit Entwicklungspotential, und im Privatleben ganz und gar keine Überflieger, und da ist schon ein bisschen mehr Anschub nötig. Eine kleine depressive Episode hier und da, und schon sitzen sie beide bei einem Psychiater auf der Couch, er bei einem Mann, sie bei einer Frau, und versuchen, irgendwie Licht ins Dunkle zu bekommen. Dass er sich als Mann damit beträchtlich schwerer tut als sie, liegt in der Natur der Sache, doch letztendlich kriegt er kurz vor Schluss dann doch die Kurve, packt endlich seien Familiengeschichte und den frühen Tod der kleinen Schwester aus und reißt auf diese Weise die Mauer des Verdrängens und des Schweigens nieder, und am Ende begegnen sich beide, obwohl sie sich tagtäglich mehrfach über den Weg laufen, ohne jemals wirklich aufeinander geachtet zu haben, zum ersten Male richtig in einem Tanzkurs, und damit kann eine ganz neue Geschichte losgehen.

 

   Die ich mir durchaus auch gern anschauen würde, aber erstmal hat mir diese hier voll und ganz gereicht. Eine bezaubernde, dabei aber ganz und gar nicht seichte Paris-Romanze, die einerseits ganz im Alltäglichen verwurzelt ist und andererseits Spuren jener versponnen-poetischer Huldigung an die mythische Stadt der Liebe und des Films enthält, die die oben erwähnten Klapisch-Filme auch schon auszeichnete. Rémy und Mélanie haben Probleme und Themen wie jeder von uns, jeder findet sich an der einen oder anderen Stelle wieder, und das macht sie so sympathisch, auch weil die beiden ganz und gar keine glamourösen Märchenfiguren sind, weder in ihrem Aussehen noch in dem, was sie tun und erleben. Auf nette Weise durchschnittlich und damit die idealen Protagonisten für Klapisch, der sie flugs einbettet in ein angemessen nettes und durchschnittliches Pariser Milieu, in dem sie zwar seit Jahr und Tag leben, das sie aber wie jeder von uns viel zu wenig und zu flüchtig wahrnehmen. Der ebenso nette wie kontaktfreudige und geschäftstüchtige Besitzer des orientalischen Lebensmittelladens beispielsweise ist ein typischer Bewohner von Klapischs Welt, und die Katze darf auch hier nicht fehlen, verspielt und eigensinnig zugleich, offenbar das archetypische Pariser Haustier. Witziger und poetische Momente werden gemischt mit durchaus ziemlich ernsten und nachdenklichen Augenblicken, in denen Einsamkeit und verunglückte Liebes- oder Familiengeschichten zum Thema werden. Die Kunst dabei ist, die Balance zu halten, den Fluss nicht aufzugeben und dennoch jede Nuance gleichberechtigt zur Geltung kommen zu lassen. Das ist Klapisch für mein Gefühl ziemlich perfekt gelungen, und so habe ich mich in diesem Film sehr viel wohler gefühlt als in all jenen aufdringlich konstruierten und kalkulierten Produkten, die unter jenem Etikett laufen und mich in der Regel durch ihre Oberflächlichkeit und Einfallslosigkeit verärgern. Klapisch ist gottlob zu eigensinnig für sowas, er passt sich niemals ganz an, geht seinen eigenen Weg seit jeher. Das hat zugegeben nicht immer zu gleich geglückten Resultaten geführt, hier aber ist ihm ein sehr schöner, zärtlicher und liebenswürdiger Film gelungen, der die Freunde von Liebesgeschichten ebenso glücklich machen dürfte wie die Freude von Paris-Filmen, zu denen ich natürlich auch gehöre. Die perfekte Wahl für die Vorweihnachtszeit für alle, die es nicht ganz so seicht brauchen und dennoch am Ende mit warmen Herzen aus dem Kino gehen möchten. Diese beiden Leute, daran besteht gar kein Zweifel, haben ihr Happy End mehr als verdient, und jeder mit ein bisschen Empathie wird es ihnen von Herzen gönnen. (22.12.)