Mary Queen of Scots (Maria Stuart, Königin von Schottland) von Josie Rourke. England, 2018. Saoirse Ronan, Margot Robbie, Guy Pearce, Jack Lowden, Martin Compston, James McArdle, David Tennant, Joe Alwyn, Gemma Chan, Ismael Cruz Córdova, Ian Hart, Maria-Victoria Dragus

   Maria Stuart war schon immer eine jener historischen Gestalten, nach denen sich das Kino gesehnt hat. So wie die heilige Johanna von Orléans zum Beispiel auch. Das große Drama, die großen königlichen Gefühle, höfische Intrigen mit viel Liebe und Hass, Religionskriege, die Frau an sich sagenumwoben, verklärt, die tragische Heldin, die missverstandene stürmische junge Königin, Schönheit und Freiheitsliebe gegen die missgünstige verbiesterte Elizabeth und so weiter und so fort. Katherine Hepburn hat sie schon gespielt, Vanessa Redgrave natürlich auch, und die Nazis warfen einst ihre bewährte Allzweckwaffe Zarah Leander ins Rennen, und nun im aktuellsten Update hat Saoirse Ronan die Ehre, und obwohl sie speziell nach hinten raus arg jung für die Rolle erscheint, erweist sie sich dennoch als absolut würdig und hat das Zeug, diese klassische Figur für die nachfolgenden Generationen aufzubereiten. Noch dazu mit einer gehörig feministischen Note und etwas spekulativem Beiwerk.

   Denn - make no mistake - das hier ist nicht Schiller, das ist modernes, kommerzielles Historienkino, durchaus mit Anspruch und Substanz, keine Frage, aber eben auch mit dem Ziel, möglichst viele Leute zu unterhalten und möglichst gut an der Kasse abzuschneiden, und daran ist ja auch erstmal nichts auszusetzen, finde ich. Dass dies hier kein Universitätsdiskurs mit Anspruch auf Vollständigkeit und totale historische Korrektheit ist, muss wohl nicht eigens erwähnt werden, und ich hatte auch nichts dergleichen erwartet.

   Mary kommt als ganz junge Witwe aus Frankreich zurück in ihre düstere Heimat, bringt ihren kichernden Hofstaat mit und damit eine ganz neue Note in eine Szenerie, die bislang von grimmigen Bartträgern beherrscht wurde. Entsprechend irritiert ist die erste Kontaktaufnahme, und die Irritation weicht alsbald Herablassung, Verachtung, Hass, jedenfalls bei vielen. Eine junge Frau, die sich um alte Seilschaften wenig kümmert, sie sogar bewusst ignoriert und sich über sie hinwegsetzt, die sich nicht zum Spielzeug ihrer verschiedenen Ratgeber machen lasen will, wie vielleicht zu erwarten war, die im Gegenteil mit Vorliebe eigene Entscheidungen trifft, und zwar gegen den erklärten Rat der Männer um sie herum. Die sind, wie könnte es anders sein, einzig am Erhalt ihrer Macht und ihres eigenen Vorteils interessiert, und als Mary sich als überaus launisch, unberechenbar und impulsiv erweist, wittert der eine oder andere auch die Chance für einen schönen kleinen Bürgerkrieg, was besonders Marys Halbbruder James macht sich große Sorgen, denn er hatte just unter großen Mühen einen wackeligen Frieden zustande gebracht, und fürchtet nun, dass Mary sich als Elefant im Porzellanladen aufführen und alles niederreißen könnte. Er distanziert sich so weit von ihr, dass er zeitweise gar zu ihrem Gegner wird, und dennoch wird sie später ihren Sohn nach ihm nennen. Apropos Sohn – auch in Sachen Liebe geht Mary ihren ganz eigenen Weg, schickt sämtliche Anwärter aus allen Königshäusern Europas entschlossen in die Wüste und angelt sich einen scheinbar ganz schneidigen Burschen aus der Heimat, den Lord Darnley nämlich, der sich aber leider als Waschlappen mit Neigung zu Jungs und Alkohol entpuppt, immerhin aber seinen wichtigsten Job noch erledigt, nämlich einen Thronfolger zu zeugen, der unter Umständen Marys Position stärken, auf jeden Fall aber die Königslinie sichern soll. Darnley ist eine schlechte Wahl, das weiß sie bald selbst, und nach einiger Zeit wird er vom Hof gejagt und alsbald fies gemeuchelt, was einige auf die Gattin selbst schieben wollten. Zu alledem kommt noch, dass Mary Katholikin ist, und just zu dieser Zeit wurde die Reformation auf die Insel importiert, und der Oberreformator der Briten, Mr. John Knox, führt sich wie ein echter Hassprediger auf und lässt keine Gelegenheit aus, Mary als Hure und Mörderin zu bezichtigen und die Volksseele gegen sie aufzubringen. Doch nicht nur in Edinburgh hat sie einen schweren Stand, auch in London wird ihre Rückkehr naturgemäß mit viel Sorge und Angst beobachtet. Denn dort residiert ihre Cousine Elizabeth I., und die weiß nur zu genau, dass Mary von Geburt wegen viel eher Anspruch auf den Thron hätte und fürchtet nun, dass sie den auch geltend machen könnte. Auch Elizabeth ist als Frau von vielen machtgeilen Herren umgeben, die ihr alle möglichen fiesen Pläne unterbreiten, und gegen alle Aktivitäten kann sie sich auch nicht wehren, doch letztlich kommt von ihr selbst kaum mal eine kriegerische Ansage an die Konkurrentin, was auf Gegenseitigkeit beruht.

   Und das ist der eigentlich interessante Aspekt des Films und sicherlich auch seine besondere Note, denn er kümmert sich sehr um das Thema Frauen und Macht in einer Männergesellschaft. Bei allem, was Mary und Elizabeth eigentlich trennen sollte, gibt es einen zentralen Aspekt, der sie vereint, und das ist ihre Rolle als Frau und die Frage, wie die damit umgehen. Es gibt nur ein direktes Aufeinandertreffen der beiden, als Marys aus Schottland endgültig fliehen muss, Elizabeth um Hilfe bittet und von ihr in eine Art „Schutzhaft“ genommen wird, die wohl bis zu ihrer Hinrichtung andauert. In dieser faszinierenden Szene kommt die Klasse der beiden Hauptdarstellerinnen besonders eindrucksvoll zur Geltung, denn auf engstem Raum verdeutlichen sie ganz verschiedene Facetten ihrer Figuren mit großer Intensität und Emotionalität. Elizabeth ist knapp zehn Jahre älter, ohne Mann und Kind, von einer jüngst durchlittenen Pockeninfektion geheilt, dennoch von Narben bös entstellt, und nur eine dick aufgetragene Kalkschicht kann diesen Makel überdecken, mit der Folge, dass sie wie eine groteske Puppe aussieht. Sie hat ihre Weiblichkeit geopfert, auf sie verzichtet, ist halbwegs zum Mann geworden und hat sich offenbar damit abgefunden, weil sie erkannt hat, dass es für sie keinen anderen Weg gibt, an der Macht zu bleiben und respektiert zu werden. Sie beneidet und bewundert Mary dafür, dass sie den Mut hat, es anders zu machen, obwohl sie sieht, dass Mary auf ihrem Weg zwangsläufig scheitern wird. Und Mary ist Mutter, ein Glück, das sie selbst sich versagt hat, dem sie aber bis zuletzt nachtrauern wird – selbst, nachdem sie Marys Hinrichtung befohlen hat, weint sie um die jüngere Cousine und auch ein bisschen um sich selbst. Im Grunde existiert fast eine schwesterliche Solidarität zwischen ihnen, allerdings eine überaus fragile, die jederzeit wieder durch scharfe, aggressive Töne überdeckt werden kann. Dennoch hat der Film hier seine interessantesten Momente und er spielt sie auch sehr gut aus.

   Auf künstlerischer Ebene traut er sich leider weniger zu, hier hätte ich mehr erhofft, von mir aus eher ein Kammerspiel, das weniger auf Ausstattungswerte setzt als vielmehr auf die rein menschlichen Themen und Konflikte. Hat es schon gegeben (siehe Rivettes Johanna…) und kann sehr spannend sein. Drehbuch und Regie entschieden sich hier aber eindeutig für einen gemäßigten, konventionellen Weg, wuchtiges Drama, imposante Landschaften, düstre, starke Emotionen, und all das wird auch durchaus gekonnt in Szene gesetzt, nur eben nicht besonders originell oder irgendwie mal anders als gewöhnlich. Saoirse Ronan und Margot Robbie sind wie gesagt großartig, und gerade weil das so ist, hätte man diesen Film auch ganz anders gestalten können. Immerhin gibt’s schöne Bilder, und Max Richter sorgt mal wieder dafür, dass ich seine Musik irgendwie die ganze Zeit über wahrnehme, das hat er einfach drauf.

 

   Jedenfalls sind die Frauen hier auch wieder das zentrale Thema, bis jetzt in fast jeden Film in diesem Jahr, und mal sehen, ob sich das wirklich durchzieht, oder ob‘s nur eine Welle zum Jahresbeginn ist, die dann früher oder später wieder abebbt. Von den bisher gesehenen ist dies vielleicht der am wenigsten gelungene, aber ich muss sagen, dass er mich dennoch gut und anregend unterhalten hat und unter den sogenannten Historienfilmen durchaus zu den besseren gehört. (21.1.)