The aftermath (Niemandsland) von James Kent. England/USA, 2019. Keira Knightley, Alexander Skarsgård, Jason Clarke, Flora Thiemann, Martin Compston, Kate Phillips, Fionn O’Shea, Jannik Schümann

   Im eisigen Winter 45, just ein paar Monate nach Kriegsende, holt Colonel Lewis Morgan seine Frau Rachel zu sich nach Hamburg. Das Paar wird ein luxuriöses, riesiges Haus beziehen, Besitz der Familie Lubert, die nun von den britischen Besatzern enteignet wurde. Frau Lubert ist im Bombenangriff 1943 gestorben, Vater Stefan und Tochter Freda sollen eigentlich bald in ein Lager verbracht werden, doch Lewis ist nicht an reiner Vergeltung interessiert, denn er sieht das Elend, die Not, den Hunger und den Tod draußen in den total zerstörten Straßen, in denen täglich unter den Trümmerbergen neue Leichen gefunden werden, und er lässt die Luberts in ihrem Haus wohnen, wenn auch oben unterm Dach. Rachel versteht ihn nicht, sie geht auf ängstliche Distanz zu allen Deutschen, angefeuert durch die Kommentare britischer Mitbürgerinnen, allen voran Kate, die Gattin von Lewis‘ Kollegen Major Bunham, der alle Deutschen zu hassen und zu verachten scheint und sie entsprechend behandelt. Rachel findet keinen Halt in ihrer Verunsicherung, Lewis ist oft weg, und zusammen finden die beiden keinen rechten Weg, die Fremdheit zu überwinden, die seit dem Tod ihres gemeinsamen Sohnes vor drei Jahren im Krieg zwischen ihnen herrscht. Es kommt also, wie es kommen muss: Sie fühlt sich plötzlich zu dem Deutschen hingezogen, beginnt eine Affäre mit ihm und ist drauf und dran, mit ihm und der Tochter in ein neues Leben in Süddeutschland aufzubrechen, doch in allerletzter Sekunde entscheidet sie sich wieder anders (Frauen…) und geht wieder zurück zu Lewis, der endlich seine Gefühle in Bezug auf den Verlust seines Kindes herauslassen konnte.

   Eine Geschichte, die möglicherweise das Potential zu einem komplexen und hintergründigen Porträt der Nachkriegsgesellschaft hergegeben hätte, wird unter der enttäuschend biederen Regie des Mr. Kent zu einem ganz glatten, vorhersehbaren, konventionellen Melodrama. Das wäre eigentlich auch schon alles, was dazu zu sagen ist. Viele Nebenhandlungen werden angedeutet oder angebahnt (Werwölfe, Entnazifizierung und dergleichen mehr), keine davon wird irgendwie vernünftig weitergeführt oder sonderlich überzeugend in die zentrale Dreiecksgeschichte integriert. Letztere stützt sich auf Stereotypen und althergebrachte Muster, die weder den Charakteren noch ihren Darstellern Raum für Überraschungen oder Vertiefungen lassen. Knightley ist schön anzusehen und leidet effektvoll, aber irgendwie reicht das heutzutage nicht mehr, finde ich jedenfalls, sondern gehört eher ins Kino der 40er und 50er. Clarke und Skarsgård müssen sich mit skizzenhaften, halbfertigen Figuren herumschlagen, wahren zwar aufgrund ihrer Klasse die Contenance, aber viel mehr ist ihnen auch nicht möglich. Und Freda mit ihren Kontakten zu jener obskuren Gruppe der Werwölfe mit der eintätowierten 88 bleibt noch schemenhafter, obwohl gerade ihre Ausflüge in die Hamburger Trümmerwelt ein dringend notwendiges Gegengewicht zur arg gediegenen Liebesgeschichte hätten bieten können.

 

   Wie ich hörte, ist der Roman, auf dem der Film basiert, deutlich mehr um Vielschichtigkeit bemüht. Das kann ich dem Film beim besten Willen nicht ansehen, er hat mich persönlich emotional überhaupt nicht tangiert, ist oberflächlich und brav inszeniert und will offensichtlich nur jene ansprechen, die mit ein wenig Herz-Schmerz und Liebesleid zufrieden sind. Die mögen vielleicht mit „Niemandsland“ zufrieden sein – ich bin‘s nicht. (24.4.)