Once upon a time in Hollywood von Quentin Tarantino, USA, 2019. Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robie, Emile Hirsch, Margaret Qualley, Timothy Olyphant, Austin Butler, Dakota Fanning, Lena Dunham, Madisen Beaty, Mikey Madison, Al Pacino, Bruce Dern, Kurt Russell, Mike Moh

   Nach der Endlosschlachtplatte „Kill Bill“ habe ich Tarantino und seine pubertären Filmschöpfungen gemieden. Dieses neue Ding hier hätte ich todsicher auch gemieden, aber das Stichwort „Manson“ hat mich natürlich neugierig gemacht, auch wenn ich mir niemals hätte vorstellen können, dass irgendwas „Seriöses“ dabei herumkommt. Was genau dabei herumkommen sollte, darüber hatte ich mir vorher keine Gedanken gemacht, es hätte sich auch nicht gelohnt. Ich fand mich am Ende im Zustand weitgehender Gleichgültigkeit – was hatte ich erlebt? Zweieinhalb Stunden gekonnt gestylte Langeweile und fünf Minuten hysterischen Horrorwahnsinn. Hätte ich das gebraucht? Sicher nicht.

   Meister Tarantino spielt mal wieder mit der Geschichte, aber das ist ja nicht neu. In „Inglorious Basterds“ lässt er Hitler und seine Mischpoke kurzerhand niedermetzeln, in „Django unchained“ nimmt ein Schwarzer erfolgreich den Kampf gegen die Sklaverei auf. Im Vergleich dazu ist es diesmal fast nebensächlich, dass die Morde an Tate, Sebring, Frykowski und Folger (und in der Folge vermutlich auch am Ehepaar La Bianca) einfach ungeschehen gemacht werden, weil Tex Watson und seine beiden Mordgesellinnen Krenwinkel und Atkins sich die falsche Behausung aussuchen und diesen Irrtum mit einem irrwitzig blutigen Tod bezahlen. Es ist dies die Behausung unseres Helden, des Schauspielers Rick, der seit Jahren mit seinem treuen Stuntdouble  Cliff hauptsächlich in Westernserien und B-Movies unterwegs ist, und der nun gesagt bekommt, dass seine Karriere einen gewissen Knick aufweist und er sich am besten mit Italowestern in Rom sanieren könne, wie so viele vor ihm. Parallel dazu gerät Cliff ganz zufällig in den Dunstkreis der Manson-Family, weil er eines ihrer Mitglieder zur Spahn Movie Ranch fährt und bei der Gelegenheit seinen alten Freund George Spahn, den er von früheren Dreharbeiten kennt, mal wieder besuchen möchte. Die Hippiemädels vor Ort benehmen sich allerdings äußerst merkwürdig, sodass er Verdacht zu schöpfen beginnt und ein bisschen herumschnüffelt. Doch bevor das Ganze total eskaliert, kann er wieder vom Hofe reiten und vergisst die Sache wieder, bis eines Nachts drei bewaffnete Gestalten in Ricks Haus auftauchen, in dem er und sein Hündchen an diesem Abend ebenfalls zu Gast sind. Ja, und den Rest kann man schlecht beschreiben, den kann man nur „genießen“…

   Natürlich verstehe ich Tarantinos Zielrichtung: Eine Hommage an die späten 60er in Hollywood, und in gewisser Weise gelingt ihm die auch ziemlich gut, denn die Ausstattung ist auf eine Weise bis in jedes Detail perfekt, wie man es wahrscheinlich noch nicht gesehen hat. Da stimmt wirklich alles, da stimmen die Farben, die Embleme, da stimmt natürlich die Musik, klar, das stimmt vor allem auch die ganze Atmosphäre, jene Mischung aus Morbidität, Lebenslust, Drogenrausch und Hippieeuphorie. Tarantino erweist dem Trash seine liebevolle Reverenz, schwelgt in glänzend nachempfundenen Szenen aus Serien und Filmen, und man sieht richtig, dass er sich mal wieder wie ein kleiner Junge gefreut hat, diese längst versunkene Welt eins zu eins wieder auferstehen zu lassen. All die ist aber reiner Selbstzweck, reine Reproduktion, und wie so oft ist Tarantino nicht imstande, daraus etwas wirklich Kreatives und Eigens zu machen, es sei denn, man bezeichnet seinen Umgang mit historischen Fakten als „kreativ“. Und er hat auch diesmal über seine allgemeine kindliche Freude vergessen, eine dramaturgisch irgendwie vernünftige Story zu fabrizieren. Stattdessen lässt seine beiden Buddys DiCaprio und Pitt cool und locker durch die Gegend flanieren, der eine pflegt seine Midlife-Crisis, der andere versucht, alles auf die leichte Schulter zu nehmen und sich keine Sorgen zu machen. Zwischendurch darf er den jungen, flegelhaften Bruce Lee vermöbeln oder eben mit einem Hippiegirl anbändeln, das ihn dann doch vorübergehend ein wenig aus der Reserve locken kann. Dazwischen sieht man Sharon Tate im Kino, wie sie sich selbst auf der Leinwand anhimmelt und ansonsten mit ihrem Ex Jay Sebring flirtet, während der Gatte (der polnische Pimmel) irgendwo unterwegs ist. All dies ist nicht spannend, ist nicht mal besonders interessant und auf gar keinen Fall einen zweieinhalbstündigen Aufenthalt im Kino wert. Tarantino versucht, unsere Erwartung anzuheizen, indem er immer konkretere Vorzeichen der kommenden unheilvollen Ereignisse einbaut. Er beginnt mit dem Straßennamen Cielo Drive, der zumindest in den USA mit Sicherheit sofort Assoziationen auslöst, und als dann die einschlägigen Namen fallen, sogar Manson selbst kurz auftaucht und die Spahn Ranch ins Bild kommt, ist die „Vorfreude“ auf das grauenhafte Finale unvermeidlich. Es hat Tarantino bestimmt einen Heidenspaß gemacht, das Finale noch viel grauenhafter zu machen, als wir es uns vorgestellt hätten, nur eben auf ganz andere Weise. Die minutenlange Kreisch-Splatter-Orgie ist dermaßen over the top, dass mir eher zum Lachen zumute war, aber vielleicht war dieser Effekt auch so gewollt. Ich würd auch nicht sagen, dass Tarantinos Umschreibung der Geschichte grundsätzlich respektlos ist (obwohl, ein bisschen zynisch ist diese totale Umkehr der Verhältnisse vielleicht doch), sie ist nicht mehr als ein Spiel, wie alles bei ihm, hat sonst keinen Sinn, will mir scheinen. Oder will er die Opfer nachträglich rächen, indem er die drei Mörder so grässlich zu Tode kommen lässt? Interessiert mich das überhaupt…?

 

   Ich habe für mich schon recht damit, diesen Regisseur von meinem Speisezettel gestrichen zu haben, denn seine Filme sagen mir einfach nichts. Dieser hier hat nichts aufzuweisen außer einer zugegeben beeindruckenden Bildgestaltung und unzähliger in-jokes für Eingeweihte. So richtig lustig wird es aber selten (der erwähnte Bruce Lee sorgt kurz mal für Heiterkeit und eine kecke, naseweise kleine Schauspielerin), und wenigstens das hätte man ja erhoffen können. Aber der Soundtrack ist toll. Und die Schauspieler sind auch gut. Und vielleicht war Roman Polanski dem Quentin auch nicht böse. Und und und… (16.8.)